Saudi-Arabien 2023/2024, Teil3: Am Roten Meer

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30. Dezember 2023:
Zum Schlafen habe ich mich etwas außerhalb der Stadt an eine Lagune zurückgezogen.
Nun stehe ich direkt am Roten Meer, es war in der Nacht angenehm kühl, weder zu warm noch zu kalt. Das Wasser ist fast spiegelglatt und natürlich muß ich gleich mal schauen was das Rote Meer hier unter der Oberfläche so zu bieten hat. Ich erwarte mir nicht viel, dermaßen nahe der Stadt und in einer Lagune.

Also schnell das Schnorchelzeug aus den Tiefen des Luxi hervorgekramt und ab ins warme Wasser!

Schade, dass ich keine Unterwasserkamera mit habe. Ich bin geflashed: 30 Meter vom Ufer beginnt ein Korallenparadies mit mehr Fischen und Fischarten als an den meisten Plätzen wo ich bisher sein und Tauchen oder Schnorcheln durfte! Besser als die Inneren Seychellen, besser als die Philippinen, besser als das Rote Meer in Ägypten oder das Barrier Riff in Australien. Eventuell können die Malediven noch mithalten, kann mich nicht mehr so genau daran erinnern. Jedenfalls ist das hier der Hammer. Tausende Doktorfische, Falterfische, Wimpelfische, Kofferfische, Schwärme von Soldatenfischen, unzählige Riffbarsche und auf den sandigen Stellen ruhen mehrere große Stachelrochen, bestimmt einen Meter im Durchmesser.
Dazu noch all die Korallen und türkis-blau schimmernde Riesenmuscheln.

Das alles am erstbesten Platz an dem ich die Nase halt zufällig unter Wasser stecke. Man merkt die Einheimischen gehen kaum Schwimmen oder gar Tauchen, daher wird das Riff nicht zertrampelt und wirkt wie unberührt.

Am frühen Nachmittag bekomme ich Besuch von einem Typen der Küstenwache. Natürlich kein Wort Englisch. Es sei verboten, näher als 500 Meter vom Meer entfernt zu parken. Ha! Und was ist mit den vereinzelt parkenden Fischern, die ich am Weg hierher gesehen habe? Nein, nein, ich müsste weg hier.

Ich nehme ihn nicht sehr ernst und sage ihm er solle mit seinem Vorgesetzten wiederkommen der hoffentlich Englisch kann und räume halt erstmal ein bisschen im Luxi auf. Tatsächlich, er holt Verstärkung und kurz darauf will man mich zu zweit verscheuchen. Der Boss kann außer „No, you go now!“ auch kein Wort Englisch. Aber die beiden kennen mich noch nicht und das werde ich jetzt ändern.
Schnell google ich den Namen des Saudischen Tourismusministers und per Google Translate sage ich: „Hört zu: Wenn ihr keine Touristen hier wollt, dann gebt ihr mir jetzt mal eure Namen und Telefonnummern, dann rufe ich meine Freunde in Riyadh an. Die kennen nämlich seine Exzellenz den Tourismusminister und die Sache ist schnell geregelt!“ Kaum liest er das, deckt er mit der Hand sein Namensschild an der Uniform ab. Ich mache daraufhin ein Foto vom Nummernschild des Jeeps. Das ist ihm jetzt gar nicht recht und er wirkt ein wenig ratlos.
Nun ist es Zeit zu deeskalieren. Ich sage: „OK, ich bleibe noch ein paar Stunden, zu Sonnenuntergang bin ich weg hier. Einverstanden?“ Ich wollte sowieso zum Dinner in ein Restaurant in der Stadt, aber das müssen die Heinis ja nicht wissen.
Somit ist ein Kompromiss gefunden mit dem er sein Gesicht wahren kann und er bittet mich das Foto mit der Nummerntafel von meinem Handy zu löschen. Das mache ich auch und seither sind wir beste Freunde. Die zwei kommen sogar später nochmal vorbei, schenken mir eine Flasche Wasser und grinsen dabei wie Honigkuchenpferde.

31. Dezember 2023:
Ich zockele langsam die Küste nach Süden und seltsamerweise ist überall hier Baden verboten. Die gesamte saudische Küste des Roten Meeres entlang! Ausnahmen sind sogenannte Designated Swimming Areas wo diese „gefährlichen Korallenriffe“ die saudischen Familien nicht beim Plantschen stören, wenn sie mal ins Wasser gehen sollten – was ich bisher noch nicht gesehen habe.
Swimming strictly prohibitedDabei werden gerade diese Riffe in den Hochglanzbroschüren der Tourismusbehörden in den höchsten Tönen gelobt. Da geht mal wieder was nicht so recht zusammen im Königreich.
Für mich ist so ein „Swimming strictly prohibited“ Schild natürlich nur ein Grund mehr haargenau an dieser Stelle Schnorcheln zu gehen. Ich weiß auch nicht warum ich so provokant sein muss – aber in restriktiven Ländern kann ich oft gar nicht anders. 🙂

Weit weg von jeder Ortschaft finde ich dann ein schönes Plätzchen (ok, den allgegenwärtigen Müll am Strand muss man ignorieren) und kaum bin ich von einem super-geilen Schnorcheltrip zurück bremst wieder ein Jeep mit zwei Grenzwachesoldaten drin. Wo denn mein Auto stehe? Ich deute ein paar hundert Meter landeinwärts, denn direkt am Strand zu parken würde ja diese Typen anziehen wie die Motten das Licht und so blöd bin ich auch wieder nicht. „Ah ja – brav, brav“ meinen sie und ob ich eh nicht Schwimmen täte?
Ich setze den treuherzigsten Blick auf den ich zusammenbringe. „Aber nein! Ist doch verboten!“
Dass meine Haare noch klatschnass sind und ich meine Schnorchelausrüstung in der Hand halte kriegen Sherlock und Watson nicht mit und ziehen ab. Hihi!

Ab da lege ich mir eine Taktik zurecht: An einem neuen Strand oder morgens nie sofort ins Wasser hüpfen sondern warten bis die Soldaten vorbeikommen und erst danach Schnorcheln gehen. Bis die wieder vorbeikommen vergehen ein paar Stunden und meine paar Resthaare sind dann trocken. Easy-peasy.


1. Januar 2024:
Hier ist es wieder mal so großartig, ich bleibe den ganzen Tag und schön langsam wachsen mir Schwimmhäute.
Wenn ich die etwa 300 Meter über das flache Riffdach hinter mir habe und das Wasser urplötzlich tiefer wird, sehe ich das azurblau oft kaum vor lauter Doktorfischen und Riffbarschen. Ich schwimme in einer veritablen Fischsuppe!
Was ich alles zu sehen bekomme kann ich gar nicht aufzählen, bei jedem Schnorchelgang ist ein Highlight dabei. Seien es Meeresschildkröten, verschiedene Rochen, ein ziemlich großer Barracuda auf der Jagd oder ein Schwarm von Großmaul-Makrelen, die alle den Unterkiefer aushängen (?) und mit einem silbrig schimmernden Maul das beinahe größer ist als ihr Körper das Meer nach Plankton durchpflügen. Dabei umkreisen sie mich in einer engen Spirale, sie sind nicht scheu. Genial.
Ein Foto von diesen Makrelen gibt’s z.B. hier.

Abgesehen von den patrouillierenden Grenzschützern bin ich hier völlig alleine am kilometerlangen Strand. Weit draußen am Meer ziehen die Tanker und Containerschiffe vorbei, die meisten von oder zu ihrem Weg durch den Suezkanal.
Hochseeschiff
Übrigens: Heute genau vor einem Jahr hatte ich den Unfall in Riyadh.

2. Januar 2024:
Es gibt gute und schlechte Nachrichten. Die gute zuerst: Die Route durch den Westirak ist wieder offen. Vorerst zumindest.
Die schlechte Nachricht ist auch ein bisschen eine gute: Der Sprit ist hier in Saudi-Arabien zu Jahresbeginn um 50 % teurer geworden. Vielleicht wird jetzt nicht mehr ganz so verschwenderisch mit dem Erdsaft umgegangen.
Ein Liter Diesel kostet nun umgerechnet 0,30 €, davor waren es 0,20 €. Benzin kostet doppelt soviel. Das ganze wird auch die Inflation hier ankurbeln, schließlich wird sehr vieles über enorme Distanzen kreuz und quer im Land transportiert.

Langsam nähere ich mich der zweitgrößten Stadt Saudi-Arabiens, Jeddah (Dschidda).
Zuvor noch ein Abstecher an der mäßig interessanten Strand, ich wollte mal sehen wie ein offiziell zum Schwimmen freigegebener Beach hier aussieht:
Thuwal Beach
Langweiliger geht kaum.
Eigentlich bleibe ich nur deswegen in der Kleinstadt Thuwal weil ich hier ein sehr nettes Restaurant entdeckt habe.
Man sucht sich den frischen Fisch aus, sagt wie man ihn zubereitet haben möchte und bestellt ein paar Beilagen. Das sieht dann so aus:

Mit einer guten Flasche Wein statt dem Wasser wäre ich auch einverstanden gewesen…

3. Januar 2024:
Der Verkehr in Jeddah ist was für Lebensmüde. So lange wie möglich halte ich mich daher an Nebenstraßen und komme unter anderem beim Jachthafen vorbei, hier stinkt es förmlich nach unanständig viel Geld.
Der wie ein Schwerstverbrecher eingezäunte Formel-1 Ring zum schnell-im-Kreis-Fahren ist auch gleich nebenan.

Viel sympathischer ist da schon der ägyptische Kapitän eines Tauchschiffes im weniger mondänen Nachbarhafen der mich gleich an Bord einlädt und mit dem ich ein nettes Schwätzchen halte. Leider läuft er erst in einigen Tagen wieder zu einer Tauchfahrt aus und nicht mal das ist sicher.
Käptn Ahmed
Aber ich hab hier ein paar organisatorische Sachen zu erledigen, unter anderem brauche ich ein Visum für den Irak.
Irakisches Konsulat Jeddah
Nicht im Besuchsprogramm fehlen darf ein Spaziergang durch das historische Jeddah. Vor einem kitzekleinen Rest der Altstadt hat man gerade noch rechtzeitig die Abrissbirne gestoppt und jetzt versucht man halt zu retten was noch zu retten ist.

Einige Künstler haben sich in den renovierten Gassen breit gemacht.
Jeddah gilt generell als die liberalste, fortschrittlichste Stadt im Königreich. Hier sind „nur“ gefühlt die Hälfte der Frauen vollverschleiert, man sieht auch viele selbstbewusst mit wallendem Haar durch die Straßen flanieren, andere haben lediglich ein Kopftuch auf.

Nach einem sehr guten Fisch-Dinner sehe ich mir am frühen Abend den König Fahd Springbrunnen an.
Weil in Saudi-Arabien ja alles gigantisch sein muss ist das der derzeit höchste Springbrunnen der Welt.


Heute geht relativ starker Wind, daher ist er wohl nicht ganz so hoch wie bei Windstille.
Technische Details hier.

Der zweithöchste Flaggenmast der Welt steht wo? Genau, auch in Jeddah.
Bilder erspare ich mir …

4. Januar 2024:
Nichts berichtenswertes von der Fahrt in das heruntergekommene, gesichtslose Kleinstädtchen Al Lith. Nur, dass ich auf der Autobahn in einen Heuschreckenschwarm mit richtig großen Tieren gekommen bin. Das hatte ich bisher auch noch nicht.

In Al Lith versuche ich ein Tauchschiff für Tagestouren zu bekommen. Was auf der Website des Resorts so toll klang, entpuppt sich als Reinfall. Die fahren natürlich nur wenn genügend Leute mit von der Partie sind, das ist schon klar. Aber hier ist total tote Hose. Höchstens 3 Zimmer sind belegt, trotz Wochenende.
Aber alles hat auch eine gute Seite: Den Swimmingpool hab ich für mich alleine.


Am nächsten Tag buche ich eine Tauchsafari auf der Typhoon für eine Woche zu den Farasan Banks, draußen im Roten Meer. Es ist ein Italienisch-Ägyptisches Schiff. Ich hoffe es werden schöne Tauchgänge.
Typhoon
Internet gibt es auf hoher See nicht. Das heißt, ein paar Tage lang gibt es keine Updates.

14. Januar 2024:
Ja, es waren schöne Tauchgänge, die Crew war fantastisch, das Wetter ebenso.

(Anm.: Die Bilder sind von meinem Tauchbuddie Beppe)
Ich habe selten zuvor so großartige, unberührte Weich- und Hartkorallenriffe gesehen.
Allerdings hatte ich gehofft, schöne große Haie zu sehen. Vor allem Hammerhaie. Deswegen bin ich hauptsächlich an Bord gegangen.
Leider war die Wassertemperatur noch immer zu hoch (28-29°C) und da bleiben die pelagischen Fische lieber in der kühleren Tiefe.
Außer ein paar Weißspitzen-Riffhaien und einem Grauhai war es von der Seite her eine Enttäuschung. Aber viele Delfine und auch sonst war’s wie gesagt wunderbar.

Die Farasan Banks sind eine Reihe von Sandbänken, Atollen, Riffen und sehr kleinen Inseln, die teilweise bei Flut überspült werden. Die Farben des Wassers sind prachtvoll, von türkis bis dunkelblau ist alles dabei.


Schlechte Nachrichten bei der Rückkehr: Meine geplante Rückreiseroute durch den Westirak ist wegen der dortigen schlechten Sicherheitslage derzeit (wieder einmal) für den Transit gesperrt.
Daraufhin habe ich mir eine Route durch Syrien überlegt welche die dortigen Kampfgebiete umgeht, aber sämtliche Übergänge von Syrien in die Türkei sind geschlossen. Nur LKWs können zeitweise passieren.
Man kommt mit dem eigenen Auto nur für einen einzigen Tag von Süden her ins Land und muß dorthin auch wieder ausreisen. Bringt also nix.
Na ja, erstmal abwarten und flexibel bleiben. Bis Jordanien ist es ja noch ein Stück und vielleicht wird’s im Irak in Kürze wieder besser.

Bis dahin bin ich hier in Saudi-Arabien mit dem üblichen Müllproblem wie z.B. neben der Autobahn konfrontiert …
Müll neben der Autobahn… mit Gashändlern mitten in Wohngebieten wie hier in Jeddah …
Gashändler
… aber auch mit sehr netten Begegnungen im Hinterland:



16. Januar 2024:
Gestern habe ich kurzerhand beschlossen, mir die einmalige Gelegenheit die Rallye Dakar live vor Ort zu sehen nicht entgehen zu lassen.
Letztes Jahr habe ich ja das Fahrerlager in der Rub-al-Khali Wüste gefunden aber ich war damals unter Zeitdruck und konnte nicht auf das eigentliche Rennen warten.
Nun bin ich zwar kein Motorsport-Fan aber vermutlich werde ich nie wieder die Chance haben die berühmteste Rallye der Welt zu sehen, also mache ich den kleinen Umweg nach Al Ula.

Nach einem kurzen Besuch des dortigen Fahrerlagers (der älteste Trick der Welt funktioniert wieder mal: Gar nicht lange Augenkontakt mit der Security suchen, einfach die Hand zum Gruß heben, vorbeirauschen und so tun als ob man eh dazugehört 🙂 )

Ich suche mir dann ein schönes Tal wo morgen die gut 700 Fahrer (Motorrad, Auto, Quad, LKW) vorbeikommen werden, richte es mir gemütlich ein und mache meine übliche Wanderung.


Da heute unweit von meinem Standplatz eine Verbindungsetappe auf der Hauptstraße gefahren wird, schieße ich erste Bilder.

Am späten Nachmittag kommen dann noch ein paar Zuschauer vorbei, unter anderem ein nettes Münchner Pärchen. Gutes Timing, wir heben gemeinsam einen …

17. Januar 2024:
Brrr… die Nacht war kühl hier auf 1100 Meter. Gut dass ich die Standheizung habe.
Schon bald wärmt die Sonne, es ist fast windstill und so genieße ich den Tag bei der Dakar Rallye. Man kann nicht nur frei den Platz aussuchen wo man steht, auch die Fahrern und Copiloten sind nach dem Zieleinlauf meist gerne zu einem Schwätzchen bereit.
Es sind ein paar hundert Zuschauer da: viele Franzosen, Chilenen, Holländer, Litauer. Tut gut, wieder mal so frei von der Leber weg zu plaudern und unverschleierte Frauen zu sehen.

Hier zieht gerade der heutige Tagessieger und derzeitige Gesamtzweite Sébastien Loéb an einem Motorradfahrer vorbei – oder sollte man sagen er verscheucht ihn?
YouTube video

18. Januar 2024:
Frühmorgens bin ich unterwegs, Richtung Nordwesten. Erst geht es durch die beeindruckenden Felslandschaften für die Al Ula so bekannt ist …
Al Ula Norden
… dann quere ich einen Pass in dunkler Lava, auf über 1600m Seehöhe. Das muss die schlechteste Asphaltstraße in ganz Saudi Arabien sein: grober Asphalt, mit Spurrinnen und Buckeln. Dazu tiefe Schlaglöcher in denen sich ein kleines Kamel verstecken könnte.
Der Anblick danach entschädigt aber: Herrlicher Sandstein soweit das Auge blickt.


Ein kurzer Abstecher in die größere Stadt Tabuk muss sein, denn gut Essen gehen ist auch wieder mal eine schöne Abwechslung. Außerdem wollen die Vorräte für die nächsten Tage aufgestockt werden, denn es geht für ein paar Tage in die Hima-Wüste. Das ist die geologische Fortsetzung des berühmten Wadi Rum in Jordanien und da gibt’s keine Versorgungsmöglichkeit außer einer Dorftankstelle und einem Brunnen.

19. Januar 2024:
Am Morgen auf der Autobahn Richtung Hima Desert: Gegenüber steht ein LKW und davor eine Kamelherde. Natürlich schau‘ ich mir das an denn wie vermutet werden die Tiere hier verladen und das gibt bestimmt ein Spektakel.
Zuerst werden die ganz jungen Kamele auf den LKW geschubst und gezerrt und dort festgebunden. Die Kleinen schreien herzzerreißend nach ihren Müttern. Diese wollen zu ihren Fohlen, scheuen aber vor der Laderampe immer wieder zurück.


Das ganze wird eher gemütlich und konzeptlos angegangen – kein Wunder, dass immer wieder einzelne Tiere ausbüchsen und das Spiel beginnt von vorne.
Irgendwann habe ich das Gefühl ich sollte mich besser zurückziehen und das Versagen nicht weiter dokumentieren … 🙂

Dann kündigen sich direkt neben der Autobahn schon spektakuläre rote Dünen an. Man beachte die Spuren am zweiten Foto, die von der Dünenkuppe fast senkrecht herunterzukommen scheinen. Nein, das war nicht Luxi … Auch wenn er sich der lokalen Bewunderer kaum erwehren kann.


Nach Tanken, Wasser fassen und ordentlich Luft aus den Reifen lassen geht’s ab ins Gelände und es wird gleich tiefsandig. Kein Problem, mit dem reduzierten Reifendruck und Getriebeuntersetzung schafft Luxi auch die weichsten Dünen.
Eine schmale Felsspalte in der Gegend nennt sich „Pharao’s Tomb“ und man muss sich zwischen den Sandsteinriesen ganz schmal machen bzw. manchmal auf allen Vieren krabbeln um ganz hinten im Berg einzusehen: „Hier geht’s wirklich nicht mehr weiter!“

20.+21. Januar 2024:
Auch wenn Handyfotos der Schönheit der Natur niemals Genüge tun können – für einen kleinen Eindruck reicht’s vielleicht.
Jedenfalls hab‘ ich viel Spaß in der Gegend, lasse mich treiben und erforsche viele Wadis und Seitentäler mit ihren Felsbögen, Schloten und Kaminen. Manchmal sehe ich den ganzen Tag keine Menschenseele. Was für ein Kontrast zum nicht weit entfernten jordanischen Wadi Rum wo eine Jeepladung Touristen nach der anderen durchgeschleust werden – und der Film Lawrence von Arabien könnte genausogut hier gedreht worden sein.


In der zweiten Nachthälfte, nachdem der Mond untergegangen ist, funkeln Millionen Sterne um die Wette.

22. Januar 2024:
Der Tag bringt nochmal unglaubliche Panoramablicke und einige fahrerische Herausforderungen in sehr tiefem Sand.
Für Außenstehende mag es wie „more of the same“ wirken, weil – ich weiß: ich wiederhole mich – die Fotos das nicht hergeben. Jedenfalls ist das für mich vielleicht der beste Tag in der Hisma Wüste, auch weil der Sand hier besonders schön rot ist.


Am späten Nachmittag stoße ich dann wieder auf eine Asphaltstraße. Erstmal Luft in die Reifen pumpen, später kann ich mich um Wasser und Diesel kümmern.
Bei der nächsten Tankstelle gibt’s einen ganz gut bestückten Supermarkt und ein kleines afghanisches Restaurant mit ausgezeichnetem Kamelgulasch. Wenigstens einmal in der Woche nicht selber Kochen müssen! 🙂

23. Januar 2024:
Ich bewege mich jetzt im Bereich des NEOM Projekts, jener größenwahnsinnigen 500 Milliarden (!) Dollar teuren Phantasie der saudischen Herrscherfamilie die hauptsächlich Luxustourismus im Fokus hat.
Seit ich wieder auf einer Hauptstraße in diesem Gebiet bin, sind tausende LKW kreuz und quer unterwegs. Bagger und Schubraupen modellieren das Gelände um und verlegen unter anderem Wasserrohre wie hier:
Rohre legen
Ich würde ja den Kronprinzen mal gerne fragen ob ihm das Land so wie es seiner Ansicht nach Allah geformt hat nicht gefällt, dass er es wie wild umbauen will. Stellt er sich damit nicht über den Schöpfer? Die Antwort würde mich echt interessieren.

Wie dem auch sei – eine konkrete Auswirkung des NEOM Projekts ist, dass ganze Landstriche abgesperrt werden. Unter anderem auch ein schönes Wadi, in dem ich gerne Wandern gehen würde, das Wadi Tayyab al Ism.
Natürlich lasse ich mir was einfallen, umfahre einen ersten Polizeicheckpoint und begebe mich dann ins freie Gelände um weitere Absperrungen weiträumig zu umfahren. Wieder sind die Satellitenbilder eine sehr nützliche Grundlage für mein Vorhaben.
Die Fahrt in steinigem Gelände ist zeitweise etwas ruppig, bietet aber wunderbare Ausblicke auf Sandstein- und Granitberge. Meist folge ich Trockenflußtälern, die sich durch die Gegend schlängeln. Vereinzelt finden Akazien gerade noch genügend Wasser zum Überleben, ab und zu bieten kleine Pässe farbenprächtige Panoramen.
Ausblick Wadi Tayyib al Ism
Auf einer Anhöhe sehe ich dann in einiger Entfernung das Meer und gegenüber den Sinai, also Ägypten!

Nachmittags stehe ich im Mittellauf des Wadi Tayyab al Ism. Hier gibt es ein paar Brunnen und halbverwilderte Dattel- und Ölpalmen, sonst scheint die Gegend völlig menschenverlassen. Angeblich ist dies der biblische Ort „Elim“ mit seinen 70 Palmen und 12 Brunnen an dem Moses nach der Flucht aus Ägypten lagerte.


Eine künstliche Felsbarriere und ein Zaun sperren den Zugang in den Wadi-Unterlauf ab.
Absperrung oberhalb
Das macht aber gar nichts, ich wollte hier ja sowieso wandern gehen und der Zaun stellt für einen Entschlossenen wie mich keine unüberwindliche Barriere dar.

Kurz nach dem Start tritt Wasser an die sandige Oberfläche und wächst zu einem kleinen Bach an, links und rechts schließen etwa 200 Meter hohe Felswände das Wadi ein.
Knapp 7 Kilometer geht es so sehr kurzweilig dahin, der Bach versickert zwischendurch immer wieder und mancherorts wachsen kleine Palmenhaine oder dichtes Schilf.


Dann stehe ich vor einem zweiten Zaun der mir vergeblich den Zugang zum Meer verwehren will, weitere paar hundert Meter weiter dann ein Polizeiposten direkt am Strand des Roten Meeres. Ich nutze die Deckung durch Palmen aus und schleiche mich näher. Da es heute bewölkt und windig ist muss ich eh nicht ganz an den Strand und obwohl ich ja kein Verbotsschild missachtet hätte bleibe ich ein paar Meter vom Wasser entfernt. Hab‘ grad so gar keine Lust auf mühsame Erklärungen was ich hier treibe, woher ich komme usw. usf.
Ich ziehe mich zurück und marschiere auf dem Weg den ich gekommen bin wieder Richtung Luxi, nur diesmal halt flussaufwärts.
Nachts beleuchtet der Vollmond die Palmen unter denen ich stehe und die Stille rundherum ist vollkommen.

24.-26. Januar 2024:
Gemütliche Ruhetage am Meer. Es weht ein relativ starker Wind aus Norden, das hält die Temperaturen knapp unter 30 °C aber zum Schnorcheln im glasklaren Wasser sind zu starke Wellen.
Ich hab‘ eh einiges aufzuarbeiten und zu planen, passt gut.


Auf der anderen Seite des Golfs von Aqaba liegen die Berge des Sinai. Manchmal loggt sich das Telefon in einem ägyptischen Netz ein.
Irgendwann hört auch der Wind auf, es wird heiß und am Abend fahre ich auf nagelneuen, zum Teil in keiner Karte verzeichneten Straßen weiter in das Neom Gebiet. Ganze Ortschaften wurden für das Projekt „The Line“ oder für den neuen Jachthafen ausradiert und plattgemacht. Wenigstens ganz gute Restaurants gibt es hier schon, ansonsten ist es eine Baustelle von unglaublichen Ausmaßen …

27. Januar 2024:
Am äußersten, westlichsten Punkt Saudi-Arabiens liegt ein Flugzeugwrack am Strand. Es ist nicht mehr viel übrig und das Heck liegt heute etwa 50 Meter vom Rumpf entfernt – aber die Geschichte dazu finde ich höchst interessant und die werde ich jetzt in Kurzform und auf Deutsch erzählen:


Wir schreiben Ende der 1950er Jahre. Der Industrielle Thomas W. Kendall aus Los Angeles und seine Frau kauften drei überschüssige PBY Catalina Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg und beauftragten den Umbau in drei fliegende und schwimmende Luxussuiten. Jedes der riesigen Amphibienflugzeuge bot Platz für vierzehn Personen und verfügte über Schaumstoffsofas, die in Betten umgewandelt werden konnten, eine komplette Bordküche, eine Toilette und sogar einen Speisesaal mit einem Tisch für acht Personen.
1959 begaben sich die Kendalls, beide lizenzierte und erfahrene Piloten, mit den drei Flugzeugen auf eine einjährige Weltreise und nahmen ihre vier Kinder im Alter von 8 bis 24 Jahren sowie einige Freunde und einen Fotografen des LIFE-Magazins mit.
Von London aus starteten sie zu ihrer erträumten Weltumrundung mit dem ersten Ziel Ägypten und die Pyramiden.

Nachdem sie Kairo, den Suezkanal und Luxor besucht hatten, landeten sie im Golf von Aqaba (zwischen dem ägyptischen Sinai und Saudi-Arabien) und verankerten das Flugzeug in geringer Entfernung von der Küste, um dort die Nacht zu verbringen. Dies sollte die letzte Landung der PBY sein. Ein Überfall beendete den Traum der Weltreise.

Einen ausführlichen Bericht von Kendall selbst findest Du (in meiner deutschen Übersetzung) hier, in einem separaten Blogbeitrag: https://www.maxblog.at/die-geschichte-der-pby-catalina

28.-30. Januar 2024:
Die Küste entlang der Halbinsel herauf bis Maqnah ist wunderschön – bunte Sandsteinberge, dunkelblaues Meer, dazwischen Korallenriffe. Kein Wunder, dass das eines der Fokusse des NEOM Projekts wird.


Auch die Ortschaft Maqnah existiert nicht mehr, die Bewohner wurden umgesiedelt – ob freiwillig oder nicht.
Den Checkpoint kurz vorher kann ich passieren indem ich so tue als würde ich für Neom arbeiten und zeige als „Ausweis“ meine ÖAMTC Karte her. 🙂 Das spart mir viele Kilometer Umweg.
Ansonsten stecke ich hier fest – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt zu dem die Lage in Jordanien mit dem Drohnenangriff auf eine US-Amerikanische Basis dort womöglich eskaliert. Die jordanischen Sicherheitsbehörden haben meine per DHL gesendeten originalen Autokennzeichen einbehalten. Ob und wann ich sie bekomme ist unsicher. Gleichzeitig tickt die Uhr, meine geplante Rückreise per Schiff von Israel aus benötigt Vorbereitungszeit und ich habe noch 2 Grenzen zu queren. Zu allem Überfluss macht auch noch das jordanische Visum Probleme – ich hoffe, dass das nur technischer Natur ist.
Wenigstens ist das Wetter hier perfekt, im Gegensatz zu Jordanien und Israel wo es kalt ist und regnet. Daher will ich auch nicht zu früh nach Norden weiterfahren.

In der Ortschaft Al Bada gibt es Gräber aus der Zeit der Nabatäer zu besichtigen – natürlich kein Vergleich mit Petra, aber eine kleine Abwechslung.



1. Februar 2024:
Ich hab’s über die Grenze nach Jordanien geschafft.
Hier am nördlichen Ende des Golfs von Akaba kommen innerhalb weniger Kilometer 4 Staaten zusammen: Saudi-Arabien, Jordanien, Israel und Ägypten.
In der Stadt Aqaba (Akaba) war ich jetzt schon drei mal: 1999 aus Ägypten kommend, 2010 von Jordanien her und soeben aus Saudi-Arabien.
Die Festung aus der Ottomanischen Zeit steht zum Teil noch immer.
Kleiner Geschichtsunterricht: Lawrence von Arabien hat es 1917 mit den Arabern vom Wadi Rum her erobert.
Aqaba Fort

Wer erinnert sich an den – grob den historischen Ereignissen folgenden – Film mit Peter O’Toole, Omar Sharif und Anthony Quinn? 🤗
Lawrence of Arabia - Film

Ansonsten hat sich Aqaba schon verändert soweit ich mich an die früheren Besuche erinnere. Die Stadt ist quirliger geworden, die Corniche schöner. Ausserdem singt der Muezzin besser 🙂

Gegenüber Saudi-Arabien fällt sofort auf: Die Leute hier sind mehr in Survival-Modus, versuchen irgendwie sich über Wasser zu halten und ihr Leben zu fristen. Gefühlt ist jedes zweite Haus ein kleiner Laden oder ein Restaurant.
Frauen haben höchstens ein Kopftuch auf, sind keinesfalls verschleiert.


Hier mündet das Wadi Araba in den Golf von Aqaba. Daher endet hier auch das Kapitel „Am Roten Meer“.

Fortsetzung folgt. Danke für’s bisherige dabei sein!

DIESER BEITRAG WIRD DERZEIT LIVE BEARBEITET !!!

Die folgende Karte beinhaltet die bisherigen Fahrten seit November 2023, gemäß GPS-Aufzeichnung.
Blau = Hinfahrt vom Oman bis zum südlichsten Punkt bei Al Lith
Gelb = Rückfahrt ab Al Lith
Die Karte ist zoom- und verschiebbar.