Saudi-Arabien Dez. 2023, Teil1

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Immer noch 29. November 2023:
Kaum bin ich also in Saudi-Arabien eingereist, nähern sich auch schon die ersten größeren Sandberge aus Osten. Nach Riyadh sind es nur 1000 Kilometer, nach Mekka oder Medina doppelt soviele.
Die Asphaltstraße durch die Rub-al-Khali Wüste wurde 2022 fertiggestellt um eine direkte Verbindung Saudi-Arabien – Oman zu schaffen und so den Umweg über die Vereinigten Arabischen Emirate überflüssig zu machen. Seit ich im Januar zuletzt hier in der Gegenrichtung unterwegs war scheint jetzt wesentlich mehr Verkehr zu sein. Die Straße wird gut angenommen.

150 Kilometer schaffe ich noch, dann habe ich genug für heute. Die Dünenzüge leuchten verlockend rotgolden im Nachmittagslicht – ein wenig will ich mir noch in dieser herrlichen Gegend die Füße vertreten. Ich finde eine kleine Piste die mich über eine kleinere Düne außer Hör- und Sichtweite der Hauptstraße bringt. Wo vor ein paar Jahren ein Bagger ein wenig gegraben hatte erkennt man, wie hoch der Grundwasserspiegel liegt: fast auf dem Niveau der Ebene. Der kleine See ist tückisch. Wenn man nicht aufpasst und sich zu weit nähert steckt man ratzfatz knietief im Salzschlamm fest.
Ich habe für Luxi ein sicheres, festes Nachtplätzchen gefunden und genieße die Ruhe und das Licht, das kurz vor Sonnenuntergang die Dünen kurz in rosafarbenes Licht taucht.
Bei der abendlichen Dusche kann ich getrost auf das Aufheizen des Wassers verzichten, es hat auch so Badewassertemperatur.

30. November 2023:
Ich habe fast 9 Stunden durchschlafen, wie ein kleines Murmeltier.
Ein Spaziergang am kühlen Morgen (17 Grad bei Sonnenaufgang) über die kleinen Sanddünen hier sagt mir, dass es kürzlich einen Regenschauer gegeben haben muss. Das Grün der kleinen Büsche ist frisch, einige blühen sogar. Trotzdem finden sich kaum Insekten wie in der Sahara, nur ein paar wenige Käferspuren und eine einzelne Libelle.
Immer wieder faszinieren mich die Formen und Kontraste.

Ein bisschen möchte ich noch auf der Piste weiter in die Dünen fahren – doch o Schreck! Als ich den Zündschlüssel ‚rumdrehe passiert nix. Nur die Ladekontrolllampe leuchtet. Na sowas, das hatte Luxi ja noch nie. Ich vermisse auch das typische „Klack“ wenn der Starter Strom bekommt aber nicht dreht weil das Ritzel hängt. Dann kann man ja mit gezielten Hammerschlägen auf den Starter den Magnetschalter einen halben Millimeter bewegen und die Sache läuft. Das hatte ich vor vielen Jahren mal. Aber hier macht’s kein Klack. Auch die Kontrollleuchte für’s Vorglühen bleibt aus. Nada, nix, rien.
Nächster Schritt: Hauptsicherungen prüfen, besonders für das Vorglühen, aber alle sehen gut aus. Ich wechsle sie trotzdem, soweit als Reserve vorhanden. Keine Änderung. Jetzt versuche ich es doch mit vorsichtigen Schlägen auf den Starter. Wieder nix. Ich zerlege den gesamten Sicherungsblock, vielleicht ist ja eine Zuleitung lose. Und plötzlich springt Luxi an als ob nix wäre. Nanu, ich hatte doch die Zuleitungen mit dem Stromprüfer zuvor noch getestet. Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache, denn auch wenn ich nur wenige Kilometer von der Hauptstraße weg bin – die wahre Ursache scheine ich noch nicht gefunden zu haben und das fühlt sich nicht gut an.

Trotzdem fahre ich noch knapp 10 Kilometer auf der guten, trotz der Steigungen unschwierig zu befahrenden Piste weiter, die Landschaft ist einfach zu verlockend. Wüstenfeeling stellt sich ein. Den Motor stelle ich zur Sicherheit nicht ab, dann muss ich aber sowieso umdrehen. Die Grenze zu den VAE ist recht nahe. Jetzt auch noch patrouillierenden Grenzern erklären müssen was ich hier mache? Nein, danke.

Zurück auf der Asphaltstraße geht die Dünengalerie weiter. Rötlich und orange scheinen die Sandberge im Morgenlicht.


Ansonsten Kilometerfressen, heute ist ein relativ kühler Tag mit Nordwind, das Thermometer geht nicht über 34 Grad hinaus. Dafür hat es bei einem Tankstopp gleich ziemlich viel Sand in der Luft.

Ich passiere die Stelle wo ich im Januar das Camp der Dakar-Rallye besucht habe (im Januar wird sie wohl wieder hier sein) und sehe eine große Kamelherde abseits der Straße. und hole mir bei einer der abgefucktesten Tankstelle Saudi-Arabiens etwas Diesel. Das gehört dazu. Das „abgefuckt“, meine ich.

Irgendwann wechseln die Dünen die Farbe, werden immer gelber um schließlich in einem schönen hellgrau zu enden. So eine hohe, hellgraue Sicheldüne suche ich mir dann abends aus, nicht allzu weit von der Straße. Nach dem Abstellen des Motors teste ich gleich das Starten, aber wieder tritt das bekannte Problem auf. Ich versuche es wie am Morgen zu lösen aber Fehlanzeige. Na ja, morgen ist auch noch ein Tag.
Um 17 Uhr (18 Uhr nach omanischer Zeit) wird’s schnell dunkel. Ich mache mir noch etwas zu Essen und wenig später liege ich schon müde ausgestreckt im Bett.

1. Dezember 2023:
Kühle 15 Grad bei Sonnenaufgang und das praktisch auf Meereshöhe. Na ja, bald wird mich die Morgensonne wärmen.
Gestern Abend habe ich mir überlegt woran das Startproblem noch liegen könnte und zerlege jetzt kurzerhand das Lenkradgehäuse wo das Zündschloss sitzt. Mit dem Stromprüfer gehe ich die Kontakte durch und versuche herauszufinden welche Kabel für den Startvorgang zuständig sind.

Dann überbrücke ich erst eine, dann eine andere Lötstelle mit einem Stück Kabel aus meiner Wühlkiste und – voilà! – die Vorglühlampe leuchtet auf. Jetzt nur noch den Schlüssel ganz herumdrehen und der Motor springt an.

Schon gut, dass Luxi so eine alte Kiste ist. Versuch‘ mal ein modernes Auto kurzzuschließen so wie man das oft in alten Filmen sieht – ich kann mir nicht vorstellen dass das geht! 🙂

Fast endlos zieht sich die Straße dahin … … der starke Wind bremst, aber mittags bin ich dann am Meer.

Ich habe einen kleinen Umweg in Kauf genommen um hier, an einer saudischen Küste zwischen den Vereinigten Emiraten und Qatar etwas zu rasten. Der Sand ist fast weiß, das Wasser glasklar und die Farben karibisch. Dazu ein halbes Dutzend rosa Flamingos und eine geschätzte Wassertemperatur von 23 Grad. Die perfekten Zutaten für einen Tag am Beach also. Den Plastikmüll am Spülsaum muss man halt ignorieren.

Später sehe ich den Lichtschein von Doha / Qatar sich am Nachthimmel spiegeln.

2. Dezember 2023:
Die – laut Karte – Grenzstadt Al Batha ist nur ein paar dutzend Kilometer von dem Beach entfernt, hier will ich mir eine SIM-Karte für Saudi-Arabien besorgen. Aber ein Städtchen gibt’s nicht, nicht mal ein Dorf. Al Batha besteht nur aus einer großen, ziemlich dreckigen Autobahnraststätte direkt an der Grenze zu den Vereinigten Emiraten. Nichtsdestotrotz verkauft man mir hier eine teure SIM-Karte und jetzt bin ich wieder online.
Dann schnurgerade nach Westen, die Rub-al Khali ist noch lange nicht aus.
Während zuhause Schneeverwehungen für Verkehrsprobleme sorgen, sind es hier Sandverwehungen, die immer wieder den Einsatz von Schubraupen nötig machen um den Sand von der Fahrbahn zu räumen.
Einen Tag lang würde ich den Job ja gerne machen 🙂
Hier ein paar Schnappschüsse von der Fahrt.

Abends bin ich in der ersten richtigen, wenn auch kleinen Ortschaft seit der Abfahrt aus dem Oman. Ölarbeiter aus aller Herren Länder sieht man hier rumlaufen.
Etwas außerhalb suche ich mir ein ruhiges Plätzchen, wieder relativ nahe der Autobahn.

3. Dezember 2023:
Irgendwie haut das mit dem Kurzschließen der Zündung von Tag zu Tag immer schlechter hin. Da muß dringend eine dauerhafte Lösung her. Sobald der Diesel aber mal rennt, hält ihn nichts auf. Also Autobahn, Kilometerfressen bis nach Riyadh.
Erster Stop ist bei den Gutachtern die ich mit der Reparaturrechnung aus dem Oman konfrontiere, aber kein Einsehen. Danach bitte ich einen hiesigen Anwalt um seine Einschätzung. In Kurzform: Es könnte schwierig werden das Gutachten anzufechten weil man bei jedem Ersatzteil-Trumm beweisen müsste, dass das selbe Teil nicht auch günstiger in Saudia-Arabien erhältlich gewesen wäre. Die Arbeit sowieso. Ok, ich gebe diesbezüglich auf und schlucke die Differenz.

Dann ins riesige Werkstattviertel der Hauptstadt. Ein selbsternannter Autoelektriker in wenig vertrauenserweckender Werkstatt macht sich an die Arbeit und sehr „russisch-arabisch“ wird die 60-Ampere-Hauptsicherung mit einem dicken Lötbatzen überbrückt. Der Erfolg gibt ihm recht, alles funktioniert wieder wie es soll. Aber ich werde versuchen, so bald wie möglich eine solche Sicherung neu zu bekommen.


Die Rush-hour in Riyadh wünscht man seinem ärgsten Feind nicht. Und ich stecke jetzt mittendrin. Eine volle Stunde brauche ich für knapp 2 Kilometer. Dann geh‘ ich mit Fahad, einem lieben Bekannten der mir nach dem Unfall im Januar extrem geholfen hat, gut Essen.

4. Dezember 2023:
Wenn mal jemand nach Erfahrungen mit dem saudi-arabischen Versicherungswesen fragt, kann ich in Zukunft gerne aushelfen. Die kafkaeske Abfolge meiner Besuche bei den Versicherungsbüros des Unfallgegners würde den Rahmen hier sprengen. Bemüht sind sie ja alle, teilweise wird zu dritt an meinem besonderen Fall gearbeitet.
Dass man es hier noch nie mit einem ausländischen Auto zu tun hatte, ist offensichtlich und alle, alle, lernen wir dabei was 🙂

Ich fahre noch aus dem Moloch Riyadh raus, der Sonnenuntergang ist spektakulär … …und finde etwas außerhalb ein schnuckeliges Plätzchen unter Palmen, beim Golfclub. Hier bleibe ich für einen Großteil des Tages, arbeite und plane die nächsten Reisetage.

6.+7. Dezember 2023:
Vor Buraydah gibt es wieder eine Strecke wo die Autobahn durch Sanddünen geht … … und man sieht immer mehr Kamele am Straßenrand.In der modernen Stadt Buraydah gehe ich bei meinem Lieblingsinder essen, das Restaurant hat mich schon vor einem Jahr begeistert.
Weniger Glück habe ich bei den Werkstätten betreffend der Sicherung – sonderbar eigentlich, wo doch gefühlt jedes zweite Auto hier ein Hilux ist. Aber das sind halt alles wesentlich neuere Modelle, keine Baujahr 1987er. Na ja, Hauptsache die mit Lötzinn geflickte Sicherung hält und Luxi springt ja immer sowas von freudig an als würde er es kaum erwarten können, das Abenteuer fortsetzen zu dürfen.
In einem Supermarkt (es gibt hier praktisch alles wie bei uns, plus einiges an exotischem Obst und Gemüse das man als Europäer überhaupt nicht kennt) versorge ich mich mit Vorräten für die nächsten Tage. Nicht nur Kassiererinnen mit Niqab (Gesichtsschleier) kommen einem unter, die Männer tragen gern die traditionelle arabische Kopfbedeckung, den Keffiyeh. Auch an der Supermarktkasse.
Dann verlasse ich die Autobahn und es geht durch ein landwirtschaftlich geprägtes Gebiet. Ich durchquere viele Oasen mit Palmgärten und oft sieht man diese kreisrunden Anbauflächen wo unter Einsatz einer luftverpestenden, lärmenden Dieselpumpe große Mengen Wasser für die verschwenderische aber technisch einfachere Beregnung von oben aus der Tiefe gepumpt werden:

Dann wird für die nächsten Tage nochmal Wasser gebunkert und bei einem vertrauenswürdigen Mechaniker vergeblich nach einer Sicherung gesucht.
Dann geht’s endlich ein bißchen offroad weiter.

Zum nächsten Kapitel: Saudi-Arabien Dezember 2023, Teil 2

Die folgende Karte beinhaltet die bisherigen Fahrten seit November 2023, gemäß GPS-Aufzeichnung.
Die Karte ist zoom- und verschiebbar.