Feb. 2006: Marokko + Mauretanien


2. Februar 2006:
Um exakt 4 Uhr früh ist’s soweit. Jetzt ist er da – der heiß ersehnte Augenblick. Unsere große gemeinsame Reise nach Afrika beginnt. Es dauert keine halbe Stunde und wir sperren die Wohnungstüre hinter uns zu, in der Hoffnung daß alles klappt.
Doch das Thermometer draußen zeigt mehr als 10 Grad Minus und Grisu hat trotz nigelnagelneuer Batterien keine Lust anzuspringen.
So wird noch einmal der Suzuki aus der Garage geholt und mit Hilfe des Starterkabels kommt das Grisumobil endlich auf Touren  – geschafft!
Al hamdullil’allah (Gott sei Dank)!! Es liegen über 700 Kilometer bis Genua vor uns.

Anfangs leistet Heidi dem Max als Beifahrerin noch Gesellschaft, dann will sie aber doch noch ein wenig schlafen. Das war aber keine besonders gute Idee, denn trotz dicker Daunendecke ist an Schlaf nicht zu denken. Es ist so schrecklich kalt! Durch den Fahrtwind, der durch die Ritzen immer einen Weg findet, hat es sicherlich an die 10 Grad Minus und Heidi hat das Gefühl sie liegt in einer Tiefkühltruhe. Brrrr! Kurz vor Matrei – es ist nun gegen 8.00 Uhr – setzt sie sich wieder auf den einigermaßen warmen Beifahrersitz und wir nehmen ein kleines Frühstück zu uns. Die eingepackten Brote schmecken vorzüglich und der Staudensellerie, der zuvor hinten im Wohnaufbau lag, ist leicht angefroren. Wir haben also nicht übertrieben mit der Tiefkühltruhe!
Max hat in Matrei vollgetankt und wir genießen nach den nächtlich-nebligen Stunden den Ausblick auf sonnige Berggipfel im Gebiet von Osttirol. „Eigentlich schade, daß wir wegfahren“, sind für ganz kurze Zeit unsere  Gedanken, „wo wir doch heuer einen so schönen Winter haben.“
Die Fahrt verläuft ohne wetterbedingte Schwierigkeiten. In Zell am See gab’s noch gefrierenden Nebel, aber ab dem Felbertauern ist es sogar um einige Grad wärmer als im Tal – wir sind wirklich sehr froh, daß weder Schneefall noch länger anhaltender Nebel unsere Fahrt trübt.

Um 12.30 Uhr – kurz nach Bozen – haben wir so richtig Lust auf einen Cappuccino! Egal ob im teuren Restaurant oder an der Autobahnraststätte – der schmeckt in Italien wirklich überall gleich gut. Ein Schokocroissant dazu –  einfach lecker!!


Um ca. 14.00 Uhr erreichen wir bereits Affi und obwohl Grisu ja wahrlich nicht der Schnellste ist, geht die Fahrt zügig voran. Wir werden natürlich von unzähligen Lkws überholt – viele signalisieren uns, daß wir ein echtes Verkehrshindernis seien und einige sind über unsere Anwesenheit auf der Autostrada wohl nicht besonders erfreut. Es gibt aber auch etliche Fahrer, die sich freuen, einem so außergewöhnlichen Fahrzeug zu begegnen. Immerhin zählt der Hanomag mit seinen knapp 40 Jahren schon längst zu den Oldtimern!

Die letzten dreißig Kilometer bis Genua sind die anstrengendsten: die Autobahn hat außer Kurven und viel Verkehr nichts an Sehenswertem zu bieten. Hochkonzentriert und angespannt sind sowohl Fahrer als auch Beifahrerin. Endlich ist die Hafenstadt zu sehen! Schon ist es dunkel, als wir – um genau 18.45 Uhr – unser Etappenziel erreichen. Im Vergleich zur lausigen Kälte, die bei der Abfahrt in Salzburg vorherrschte, ist es direkt ein Vergnügen, in Genua aus dem Auto zu steigen: überhaupt nicht kalt! Nun beginnt aber die Suche nach einem geeigneten Platz für die Nacht. Auf einem Firmenparkplatz oberhalb des Hafens stellen wir unser Auto ab und nun geht die Suche weiter! Man könnte meinen, es sei kein Problem ein öffentliches Bad oder Dusche ausfindig zu machen. Ma no ché! Unser Italienisch klingt zwar in unseren Ohren nicht schlecht, es war aber dennoch nicht möglich sich noch zu erfrischen und so machen wir uns eben ungewaschen auf den Weg in ein nahes Ristorante. Eine „Pizza Rucola“ und eine „Pizza Romana“ sind schnell gefuttert und mit Rotwein hinuntergespült. So haben wir dann auch ausreichend Bettschwere. Zeit zum Schlafen gehen! Die Sitzbank und der Tisch werden in eine Schlafstätte umgebaut und für Heidi ist’s die erste Nacht in einem Wohnmobil. Abgesehen vom Strassenlärm ist es wirklich fein zum Schlafen und im Vergleich zu unserer Heimat haben wir in der Nacht keine Minusgrade.


3.2.2006:

Um 8.00 Uhr aufgestanden und nach einer Katzenwäsche im Auto mit Hilfe einer Flasche Wasser gönnen wir uns im nahegelegenen Supermarkt einen morgendlichen Cappuccino und ein kleines Kipferl dazu. Im ersten Stock des Shopping Centers gibt’s im COMANAV-Büro die Bordkarten und um etwa 10.00 Uhr stellen wir Grisu in die Warteschlange für die Fähre „Marrakesch Express“ nach Tanger.

Der Hafen wird gerade umgebaut und die kurze Fahrt zum Pier „Andrea Doria“ gleicht eher einer Irrfahrt durch ein aufgelassenes albanisches Fabriksgelände als der Pierzufahrt in einem der wichtigsten Häfen im Mittelmeerraum. Sorry Albanien, für den Vergleich 😉

Zu allererst werden wir in ein Büro dirigiert um Formalitäten zu erledigen. Das bedeutet natürlich anstellen, dann ist das mal geschafft.

Unsere marokkanischen Mitfahrer haben die Fahrzeuge meist hoch bepackt. Aber so ein Moped findet schon noch Platz – auch wenn der Gepäckträger stöhnt und die Regenrinne ächzt…

Dann verschwindet Grisu im großen Bauch des Schiffes und wir bekommen eine mäßig saubere Kabine zugewiesen.

Da im Gesamtpreis von 900 € Vollpension inbegriffen ist, setzen wir uns sofort ziemlich hungrig ins Restaurant. Ein österreichisches und ein deutsches Ehepaar finden sich an unseren Tisch ein. Alle sechs sind wir mit älteren Fahrzeugen unterwegs (D: MB 1617, Ö: Steyr 680) und alle wollen für einige Wochen und Monate Marokko, Mauretanien und tlw. den Senegal erkunden.
Nach dem Essen können wir uns endlich wieder einmal unter die Dusche stellen. Tut das gut, wieder erfrischt zu sein!
Mittagsschläfchen, Reiseführer lesen, Essen und GPS-Studium – das sind unsere Hauptbeschäftigungen für die nächsten 2 Tage an Bord.

Zum Glück ist der Seegang nicht allzu stark und wenn das Schiff auch manchmal auf eine Welle kracht, bleibt das Schlingern im Großen und Ganzen aus. Wir können die Seekrankheitstabletten eingepackt lassen. Wettermäßig ist’s seit Genua stark bewölkt, etwas Dünung kommt von achtern.

4.2.2006:
Der Tag beginnt mit Sonnenschein! Wir genießen die Fahrt bei guter Sicht und ruhiger See. Das GPS zeigt, daß die Fahrt noch länger dauern wird als der Fahrplan vorgibt. Wir vertreiben uns den Tag mit Plaudern, Sonnenbad und der Beobachtung hunderter Delphine, die Freude haben, uns eine Weile zu begleiten. Sogar für ein Mittagsschläfchen bleibt Zeit.


5.2.2006:
Statt um 11.00 Uhr erreichen wir Tanger erst nach Sonnenuntergang.  Bis alle Autos aus dem Schiff manövriert sind und wir uns endlich am Zoll anstellen können, ist es stockdunkel. Nach Geldwechsel und Versicherungsabschluß können wir uns endlich auf den Weg machen. Unsere deutschen und wienerischen Reisebegleiter schließen sich uns an. Das GPS führt uns durch den starken Abendverkehr von Tanger Richtung Westen, Richtung Cap Spartel.  Freundliche Polizisten halten für uns den Verkehr auf, lotsen uns durch Fahrverbotsstrassen oder winken freundlich. Wie wir später erfahren, ist König Mohammed VI. auf Rundreise durch sein Land. Deshalb das große Aufgebot an Polizei. Hinter jedem Busch versteckt sich ein Uniformierter. Da wir schon während der Fahrt zum Cap einen ruhigen Schlafplatz finden, schlagen wir unter Eukalyptusbäumen unser erstes Nachtlager in Marokko auf.

6.2.2006:
Nach einer kühlen aber angenehmen Nacht, genießen wir die Fahrt durch grüne Macchie und einem wunderbaren Ausblick auf die Brecher des atlantischen Ozeans. Manchmal scheint es uns, wir wären in Irland: Grisu kurvt durch Schafherden und grüne Hügel.

Die Umgebung der Herkulesgrotten enttäuscht uns, außerdem sind diese um 9.00 Uhr morgens noch nicht geöffnet. So  bleibt als Eindruck nur die Erinnerung an ein kitschiges Wandgemälde, streunende Katzen und sehr viel Unrat zwischen den geschlossenen Souvenirständen.

Nach Umrundung des Cap Spartel sind wir auf der wenig befahrenen Route Nationale 1 in Richtung Süden unterwegs. Im blitzsauberen Asilah wandern wir durch die Medina und nehmen uns dann endlich Zeit für ein Frühstück mit leckerem gefüllten Hefegebäck, Café au lait und dem hervorragenden Pfefferminztee, dessen Süße auch die zahlreichen Bienen sehr zu schätzen wissen.
Anschließend noch eine halbe Stunde ins Internetcafe und kurz darauf eine Gasflasche gekauft (Anschluß mittels Euroset problemlos)  und intensiver Marktbesuch.

Unser nächstes Ziel ist eine Mittagsrast in Lixus bei Larache. Doch wir haben die Rechnung ohne den marokkanischen König gemacht. Seine Entourage blockiert sämtliche Verkehrswege und das gilt auch für die Autobahn. Wir müssen bis Moulay- Bousselham durchfahren. Als uns der Konvoi überholt winkt uns ein vorausfahrender Polizist quer über die Autobahn – wir müssen ein paar Minuten auf der Gegenfahrbahn  stehenbleiben und werden dann wieder in unsere Fahrtrichtung gelotst. Gott sein Dank (Al hamdullil’allah) ist wenig Gegenverkehr und wir können die vier Spuren fast (!) gefahrlos queren!
Der Magen knurrt jetzt schon mächtig. Wir rasten an einer Nebenstraße in der Sonne und genießen das frische Baguette, Oliven und Käse. Wie Gott in  Frankreich – nur der Rotwein fehlt.

Die Nebenstraße erweist sich dann als zeitweise schlaglochübersäte Dorfstraße. Allerdings geht’s recht idyllisch durch landwirtschaftlich geprägte Gegenden. Ob Schafhirte, Kinder oder tätowierte Berberfrauen – es gibt kaum jemanden, der uns nicht zuwinkt. In Kènitra wird Sprit und Wasser gebunkert. An den stark befahrenen Strassen haben jede Menge Störche ihre hohen Nester auf Strommasten gesetzt. Ungerührt vom „Tohuwabohu“ unter ihnen, ziehen sie klappernd ihre Jungen groß. Für uns sind diese Vögel Vorboten, aber nicht im üblichen Sinne – wir meinen das Vogelschutzgebiet „Lac de Sidi-Boughaba“. Der nahe Strand von Mehdiya erweist sich als Sommerfrischeort für Marokkaner und ist alles andere als ruhig, wir flüchten ins Vogelschutzgebiet und finden ein zauberhaftes einsames Plätzchen direkt am See. Für Heidi ist die Dusche im Freien eine Premiere, nur kommentiert von quakenden Fröschen. Sogar zahlreiche Flamingos und seltene Vogelarten finden sich hier ein.

7.2.2006:
Vor dem Frühstück wandern wir ein Stückchen den See entlang und schrecken einige Reiher und Enten auf. Ausser einem Radfahrer begegnet uns keine Menschenseele. Wir futtern mit Genuß endlich wieder einmal Müsli mit frischem Obst.

Gegen 1/2 11 Uhr machen wir uns auf den Weg nach Rabat. Die Fahrt bietet landschaftlich nicht wirklich Aufregendes, wir sind aber auch nur eine Stunde unterwegs. Unser erstes Ziel sind der Hassanturm und das Mausoleum Mohammed V.

Da zu Hause keine Zeit mehr blieb, Heidi’s Haarfarbe zu erneuern, werden anschließend hochmotivierte marokkanische Friseusen auf  ihren Kopf losgelassen. Anfangs etwas skeptisch, stimmt sie schließlich ein, dem „Salon Esthetique“ ihr Vertrauen zu schenken. Zwei Stunden später und um 150 Dirham ärmer, kann sich das Resultat durchaus sehen lassen! Die Mädels im Salon haben auf jeden Fall ihren Spaß – es ist offensichtlich, daß sich hierher selten eine Touristin verirrt.

Max vertreibt sich indessen die Zeit mit einem ausgiebigem Bummel durch die Souks und entdeckt dabei allerlei Kuriositäten:

So wirbt z.B. ein am Laternenpfahl befestigter gläserner Schaukasten mit Zahnprotesen, Inlays und dergleichen für einen Besuch beim Dentisten, und ein Metzger weist auf seine vorbildliche hygienische Arbeitsweise hin.

Im Souk, der früher auch Sklavenmarkt war, gibt es wirklich alles zu kaufen. Es herrscht reges Treiben und jeder Händler versucht, seine Ware an den Mann bzw. an die Frau zu bringen. Wir sehen frische, leckere Erdbeeren, zum Preis von sage und schreibe umgerechnet 20 Cent fürs halbe Kilo. Aber nicht nur das, die Cocktailtomaten um 3 DH, das sind 30 Cent für fast ein Kilo müssen wir unbedingt auch noch mitnehmen. Man sollte sich von diesen Beispielen jedoch nicht täuschen lassen: Von Obst und Gemüse abgesehen, ist das Leben in Marokko aber schon wesentlich teurer als beispielsweise in Algerien oder Libyen, aber natürlich immer noch günstiger als in Mitteleuropa.

Auf dem Weg in die Altstadt stolpern wir eher zufällig über die Medersa Abu El Hassan, erbaut um 1340, mit prachtvollen Zedernholzschnitzereien und Stuckreliefs. Bis 1940 war diese Koranschule die erste des Landes. Ein freundlicher Führer bietet uns seine Dienste an und erklärt uns in englischer Sprache viel Wissenswertes über Geschichte und Leben der Studenten. Wir können uns ein Bild davon machen, wie beengt und streng zur damaligen Zeit die Studienbedingungen waren. Heidi kann einen kurzen Blick in die Frauenmoschee werfen, in der zahlreiche Gläubige ihre Gebete verrichten.

Aus der Hauptmoschee schmeißt uns der Imam hochkant raus und legt sich damit lautstark mit unserem Führer an. Wir lassen uns aber auf keine Debatten ein und geben klein bei. Soll der blöde Imam doch bleiben, wo der Pfeffer wächst!

Gleich danach führt uns der Guide ins Artisanat: Weber, Tischler, Mosaiksetzer, Schneider und auch Kunstschlosser können wir bei ihrer schweren, aber für uns sehr interessanten Arbeit zuschauen.

Nach diesem ausgiebigen Stadtbesuch verlassen wir Rabat und fahren noch 50 km Richtung Casablanca, wo wir wieder einmal in stiller Lage unser Nachtquartier aufschlagen.

Mit dem frisch gekauften Gemüse und Kräutern aus dem Souk zaubern wir uns ein köstliches Mahl und fallen gegen 23.00 Uhr doch etwas müde in die Federn.

Doch halt – zu früh gefreut! Max muß unbedingt seine „Begabung“ in Bezug auf Starthilfe unter Beweis stellen ;-).
Schon fast im Bett, hören wir in der Nähe unseres Grisumobils, wie Einheimische versuchen, ihr liegengebliebenes Auto wieder in Gang zu bringen. Nach mehrmaligen vergeblichen Anschiebeversuchen kramt Max die Starterkabel hervor und die zwei Pärchen sind gerettet. Eine gute Tat als Tagesabschluss.

8.2.2006:
Ein warmer, sonniger Morgen begrüßt uns. Noch ist es zu kalt, um im Freien zu frühstücken, aber ein Müsli mit frischen Erdbeeren schmeckt auch drinnen gut. Bevor heute das Auto gestartet wird, legt sich Max zwecks Getriebeölkontrolle unter das Fahrzeug. Das durstige Schaltgetriebe freut sich über einen guten Viertelliter.

Wir lassen Casablanca rechts liegen und sind Richtung Marrakesch durch eine extensiv landwirtschaftlich genutzte Ebene unterwegs. Viele Menschen links und rechts der Straße bestellen die Felder und ihre einzige Hilfe sind Pferde- und Eselgespanne. Traktoren sehen wir sehr selten. Hier wird noch händisch geeggt, gepflügt und gesät.

Ab und zu bieten Bauern ihre frischen Produkte zum Verkauf an und so erstehen wir zwei schöne Bund zarten grünen Spargel, ohne uns übers Ohr hauen zu lassen. Die Versuche waren durchaus gegeben. Wollte uns doch ein besonderes Schlitzohr glatt 50 Dirham abluchsen. Wir waren aber schlau genug, nur ein Zehntel davon zu bezahlen.

Mittagspause machen wir in einem kleinen Eukalyptuswäldchen und als Nachtplatz wählen wir ein besonders feines Plätzchen, völlig einsam an der Zufahrt zum Stausee Al Massira. Hier gibt’s endlich wieder Hügel und die Gegend ist durch den Kontrast des frischen Grün mit den Felsen und der roten Erde besonders reizvoll.

Der Schein trügt nicht! Es ist ein idyllischer Ort und die Schönheit der Natur wird durch leckerste Spaghetti mit Rotwein noch verstärkt.

Heute schlagen wir bereits um 16.00 Uhr unsere „Zelte“ auf, wandern noch ein wenig und genießen den warmen Abend. In diesem Jahr ist’s das erste mal, dass wir draußen essen können.

9.2.2006:
Gelber, wild wachsender Raps prägt über weite Strecken die Landschaft; teilweise geht es schnurgerade dahin.

Unser nächstes Ziel ist Marrakesch – wir erreichen die Stadt nach wenigen Stunden auf gut ausgebauten Straßen.

Grisu wird auf einem bewachten Parkplatz nahe der Kotubiya-Moschee abgestellt.
Der Parkwächter will uns 50 Dirham für 24 Std. abknöpfen und lässt nur bis 35 DH mit sich handeln. Eigentlich schon sehr teuer!

Wir mischen uns zwangsweise unter die vielen Touristen und trinken nach einem ausgiebigen Soukbesuch auf der Aussichtsterrasse des Cafes „Aux Glaciers“ am Djamaa el Fna einen Minztee. Blick auf die verschneiten Berge des Hohen Atlas inklusive.

Am späteren Nachmittag und Abend gibt es auf diesem „Platz der Geköpften“ verschiedenste  Darbietungen: Ob Akrobaten, Schlangenbeschwörer, Märchenerzähler oder Musikanten – es ist ein buntes Treiben, dem man eine Zeitlang ganz gerne zusieht.  Rauch steigt von den vielen Essensständen auf – der Duft weht uns in die Nasen und erinnert auch uns, dass es Zeit für Abendessen ist. Wir haben ja noch den wilden Spargel im Kühlschrank und sind schon gespannt, wie dieser schmecken wird. Um es vorweg zu nehmen: Es wäre keine schlechte Idee gewesen, an einem der Stände zu speisen, denn der Spargel erweist sich als ziemlich bittere Angelegenheit.

10.2.2006:
Unser „Schlafzimmerfenster“ schaut über die Friedhofsmauer. Somit scheint die Nachtruhe garantiert, aber wir haben die Rechnung ohne den Muezzin gemacht. Dieser holt uns um 5.50 Uhr lautsprecherverstärkt unsanft aus dem Schlaf.

Nach einem köstlichen Frühstück mit frischen Croissants (à 1 DH), Baguette, Butter und Honig machen wir uns erneut auf den Weg in die Medina. Unser Weg führt uns wieder in die Souks – auf dieser Runde sind es Holzschnitzer, Kupfer- und Eisenschmiede, die in ihren winzigen Werkstätten ihre Waren anfertigen und auch verkaufen.


Eine freche Vogelschar pickt im Souk Körner und Couscous aus den offenen Säcken…

… und Störche,  die ja in unseren heimischen Breiten eher selten anzutreffen sind, fühlen sich in Marokko sichtlich wohl. Sie nisten auch in Marrakesch auf allen erdenklichen Plätzen, so auch auf den Türmen und Zinnen der Kasbah-Moschee.

Wirklich sehenswert sind auch die Saadier-Gräber, eines der schönsten Bauwerke der Stadt. Die Grabräume sind mit prächtigen Mosaikfliesen, Marmorsäulen und kunstvollen Holzarbeiten aus Zedernholz verziert.

Damit haben wir von Marrakech aber schon wieder genug – es gäbe wohl noch einiges zu sehen, aber uns zieht’s hinaus aus der Hektik und dem Dreck der Stadt. Raus aufs Land, wo die Luft frisch ist und die Weite dem Auge Ruhe gönnt!

Wegen dem für die ganze nächste Woche vorhergesagten Schlechtwetter in den Bergen verzichten wir auf einen Abstecher in den Hohen Atlas. Schitouren bei Wind und Nebel? Das können wir auch bei uns zuhause haben! Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Wir planen fest, in einigen Wochen noch mal unser Glück zu versuchen. Vielleicht ist uns Petrus (oder wie auch immer Allah’s Helfer in Wetterfragen heißt) dann eher hold.

Am frühen Nachmittag starten wir also in Richtung Westen, zur Küste hin. Auf dem Weg stoppen wir bei einer Arganienöl-Kooperative. Hier wird in mühevoller Kleinarbeit in mehreren Arbeitsschritten das kostbare Öl aus Früchten, die einer großen Olive ähneln, gewonnen. Das Öl wird aus den Kernmandeln gepresst und findet sowohl in Küche als auch Kosmetik Verwendung. Etwa 40 kg Kerne sind für die Herstellung eines Liters notwendig.
In der Kooperative werden heftige 180 Dirham (ca. 17 Euro) pro Liter verlangt und trotz der Anerkennung für die viele Arbeit ist uns das dann doch zuviel. Die geschäftstüchtige Leiterin lässt sich die Enttäuschung schon ein bissl anmerken…

Wir kommen ans Meer, nach Essaouira. Ein schmuckes Städtchen mit großem Marktgedränge und nicht wenigen Touristen. Da wir schon mal am Hafen sind, schlagen wir uns so richtig mit leckerem Fisch, Shrimps und Oktopus die Bäuche voll. Mit Salat und einer Cola schlägt das mit 105 DH zu Buche.
Anschließend etwas mühsame Nachtplatzsuche: trotz fast-Vollmond dauert es eine Weile bis wir ein akzeptables, sehr ruhiges Plätzchen finden. Heftiges Wetterleuchten im Osten.

11.2.2006:
Der Tag beginnt bewölkt, aber warm. Wir schlagen uns zu Fuß durch Buschwald an die Dünen am Strand durch, treffen auf einige Kamele und werden von jeder Menge Sandfliegen belästigt. Aber es ist trotzdem schön hier.
Der Beschluss reift, etwas weiter Richtung Süden zu fahren um ein noch schöneres Stück Land in Beschlag zu nehmen. An der Abzweigung nach Sidi Kaouki finden wir endlich eine öffentliche Wasserstelle (die haben sich bislang rar gemacht) und beschließen spontan, diesen Tag zum Waschtag
zu erklären.

In Kaouki gibt’s kaum Versorgungsmöglichkeiten, dafür am Strand jede Menge feiner Stellplätze. Wir suchen uns einen mit Meerblick aus, spannen die Wäscheleine auf und schaffen es gerade noch, alles zum Trocknen aufzuhängen, als es auch schon zu tröpfeln beginnt. Währenddessen hat sich ein streunender Hund über unser frisch gekauftes Brot hergemacht. Na gut, spielen wir halt etwas Frisbee am menschenleeren Strand und bewundern Grisu, wie er von Regenbögen eingerahmt wird.

Es beginnt zu regnen, wir verkriechen uns.

12.2.2006:
Der Regen hat nicht lange gedauert, eher ein sommerliches Nachmittagsgewitter.
Heute gibt’s nicht viel zu berichten: kleinere Reparaturen, Säuberungsaktion, Hängematteliegen und Sonne genießen. Hirtenkinder verkaufen uns einen Liter Arganöl um 70 DH, es duftet herrlich nussig. Die Ziegen der Kinder haben wohl ganze Arbeit geleistet und nach dem Verzehr der Arganienfrüchte die unverdaulichen Kerne wieder ausgeschieden. So funktioniert das mit dem Schälen der Früchte nämlich auch: lass es einfach die Ziegen erledigen! Die gesammelten Kerne müssen dann „nur“ noch aufgeklopft und die darin enthaltenen Mandeln gemahlen und gepresst werden.

Nachmittags langer Strandspaziergang zu kleineren Dünen und ein wasserführendes Wadi hoch. Viele versteinerte Muscheln.
In der Gegend muss es kürzlich ganz schön heftig geregnet haben: die Überflutung hat kleinere Flurschäden verursacht.

Da wir uns mit 1 kg Spaghetti noch über den Tag retten können ohne zu verhungern, bleiben wir den ganzen Tag an diesem schönen Platz und wollen erst morgen wieder aufbrechen.


13.2.2006

Wir verlassen den Strand von Kaouki, treffen kurz vor Smimou wieder auf die N1 und füllen unsere Vorräte am Markt dieses kleinen Ortes wieder auf. Obst, Gemüse und frisches Brot, das direkt heiß aus dem Backofen in unsere Hände wandert. Der Bäcker hat seine helle Freude mit uns, denn er selbst kann diese dicken Fladen ohne Blasengefahr in seinen schwieligen Händen halten. Gelernt ist gelernt!
Wenig später genießen wir das leckere Brot mit wunderbarer Aussicht auf die verschneiten Gipfel des Atlas. Im nächsten Ort Tamanar finden wir mehrere Internetcafes und verbringen eine Stunde damit unserer Emails Herr zu werden.
Die Straße führt nun über einige Berge mit immer wieder herrlichen Ausblicken bis hin zum Atlantik. Plötzlich ein lautes Krachen aus dem Wohnkoffer: das Küchenkastl hat sich selbständig gemacht und hat beim Sturz Richtung Erdmittelpunkt das Stromkabel aus der Wand gerissen. Das bedeutet einige Stunden Arbeit am Strassenrand für Max.

Etappenziel ist Tamri, wo am Flussufer Bananenplantagen angelegt sind. Wir tanken und der freundliche Tankwart kann uns auf Anfrage über eine ganz besondere, aber weitestgehend unbekannte Attraktion der Gegend Auskunft geben. Seit der Mitarbeit am Buch „Rückkehr der Wildtiere“ ist Max von den Waldrappen (eine Ibisart, die es weltweit nur mehr hier und evtl. in Syrien noch in freier Wildbahn gibt) besonders angetan. Ein Ziel dieser Reise ist für ihn, diese wirklich einzigartigen Vögel von – na ja – etwas herber Schönheit aus der Nähe zu betrachten.
Die Ortsangaben,  wo denn diese Tiere aufzufinden seien differieren beträchtlich – also machen wir uns auf die Suche.

Am späteren Nachmittag stellen wir Grisu an einem Feldweg ab und starten mit Feldstecher und Fotoapparat ausgerüstet, in der Hoffnung fündig zu werden.

Ein Imker, der zufällig in der Nähe seine Bienenstöcke wartet wird von uns nach den Nistplätzen gefragt. Aber hier reichen Max’ Arabischkenntnisse, die uns am Markt und bei Polizisten durchaus dienlich sind, einfach nicht aus. Der ältere Herr weist uns weiter 5 km Richtung Norden, kann aber keine uns verständlichen näheren Ortsangaben machen.


14.2.2006:

Am Morgen taucht der Imker wieder auf und winkt uns freundlich zu. Auch ein Junge wartet direkt vor unserem Auto, als wir losfahren wollen. Nach kurzen Missverständnissen wird klar, dass er uns an eine Stelle führen will, wo sich die Ibisse angeblich aufhalten. Wir laufen mit ihm und seinem kleinen Bruder einige Kilometer durch Buschland. Dann bleiben die beiden unvermittelt stehen und versuchen uns halb arabisch, halb französisch klarzumachen, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt zum Auffinden der Vögel sei. Wir bedanken uns dennoch für ihre Hilfe, die wohl der alte Imker eingefädelt haben muss.

Auch sie weisen uns nach Norden, in Richtung Tabuga, wo immer das auch sein mag. So begeben wir uns auf neuerliche Suche  – diesesmal mit dem Auto. Unterwegs fragen wir Hirten und zwei Burschen, die wie so viele ihrer Altersgenossen scheinbar ohne Aufgabe am Strassenrand sitzen. Sie sind sehr nett und zurückhaltend und wissen scheinbar genau, wovon die Rede ist. Max hat ja auch mit Händen und Füssen Ibisse pantomimisch dargestellt, was bei allen Befragten zu Heiterkeitsausbrüchen führte. Zielstrebig laufen sie voran und zeigen uns tatsächlich den Nistfelsen der Kolonie.

Kaum fassbar, dass wir wirklich gut 50 Individuen in den steilen Felsnischen über der Brandung ausmachen können. Einfach großartig – wir sind begeistert!!! Ständig fliegen einzelne Exemplare zu und ab, vermutlich zum Fressplatz und wieder retour. Wir wollen versuchen, diesen aufzuspüren und verfolgen ihre Flugroute mit dem Feldstecher. Offensichtlich liegt ihr Lieblingsplatz etwa weitere 5 km nördlich. Nach einer kleinen Stärkung nehmen wir die Verfolgung auf. Diese ornithologisch einmalige Chance haben wir ja nur einmal im Leben. Wir verfolgen zuerst einige Spuren im Sand, ahnen aber zu der Zeit noch nicht, dass wir zwei Stunden später tatsächlich die Tiere beim Futterpicken beobachten können. Die Landschaft ist weglos, führt uns über Dünen und durch ginsterbewachsene Trockenwadis. Die Sonne sticht unbarmherzig vom wolkenlosen Himmel, die Luft flimmert und in der Entfernung hören wir die Brecher des Atlantiks an die Steilküste donnern.

Dann ist es soweit: mit dem Fernglas sehen wir –zig Vögel in etwa 2 km Entfernung. Doch schon auf dem Weg zu ihrem Futterplatz landen vor unseren Augen mehrere der kahlköpfigen Ibisse und beginnen im Sand und zwischen dem flachen Bewuchs zu stöbern. Sie suchen wohl nach Kleintieren wie Würmern und Käfern. Im lockeren Boden können sie ihre langen, krummen Schnäbel gut als Such- und Fangwerkzeuge einsetzen. Ihre Fluchtdistanz beträgt nur etwa 25 – 30 Meter, wir können ziemlich nahe ran.
Für Max ist ein Traum in Erfüllung gegangen.

Wenn wir doch nur eine Kamera mit ordentlichem Zoom dabeihätten – dann wären sicher spektakuläre Aufnahmen möglich. Mit der 105er Brennweite kommen wir leider zu keinen uns zufriedenstellenden Bildern.

Hungrig und durstig machen wir uns nach langer Beobachtungszeit auf den Rückweg. Auch die Vögel treten mit Sonnenuntergang die Heimreise zum Schlafplatz an. Nur sind halt sie um einiges schneller dort als wir bei Grisu.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit versuchen wir eine neuerliche Zählung der Waldrappe und kommen auf 76 Individuen, die sich zur Zeit sichtlich in der Balz befinden.
In den Radionachrichten hören wir am Abend von der Ausbreitung der Vogelgrippe in Europa und können nur sehnlich hoffen, dass die fragile Waldrapp-Population von dieser und anderen Seuchen verschont bleiben wird. Bei einer so kleinen Anzahl von Vögeln wäre dies vermutlich das traurige Ende einer sowieso am Rande des Aussterbens stehenden Gattung.

15.2.2006:
Schon lange vor Sonnenaufgang macht sich Max erneut auf den kurzen Weg zum Waldrapp-Felsen, an dem die Nistnischen gut einsehbar sind. Seinen gefiederten Freunden scheint noch der fast volle Mond in die müden Augen, er selbst ist mit warmer Haube und dicker Jacke gegen die kalte Nachtluft geschützt. Bei Dämmerungsanbruch kann die am Vorabend festgestellte Zahl mit ziemlicher Sicherheit bestätigt werden.

Frühstück in Tamri am Strand, mit Möven als hungrige Zuschauer.


Die Route führt ab hier entlang der Küste, es ist ein wenig diesig und kurz vor Agadir beginnen die Wohnmobile mit sonnenhungrigen Rentnern am Steuer überhand zu nehmen. Der Altersschnitt hier wird allerdings durch Surffreaks entschieden gesenkt, gelten doch diese Strandabschnitte als Eldorado für Wellenreiter und Kitesurfer.

Agadir selbst gilt zwar als Sonnen- und Urlaubsparadies in Marokko, uns ist diese Stadt nur einen Stopp wert, um unsere Lebensmittelvorräte aufzufüllen und im Internetcafe zu surfen – zum Wellensurfen sind wir entschieden zu alt.

Wir stellen unseren Kompass auf Südost und nehmen Kurs auf den Anti-Atlas, das südlichste Gebirge Marokkos. Obwohl uns laut Strassenkarte nur 150 km von Tafraoute trennen, bedeutet dies einige Stunden Fahrt auf kurvigen engen Abschnitten und viele Höhenmeter. Grisu ist eben keine Bergziege und manchmal muss der erste Gang herhalten.

Nach der ersten Steigung finden wir ein traumhaftes Nachtplätzchen. Wir sind völlig alleine und genießen Sonnenuntergang und zu späterer Stunde einen wunderbaren Sternenhimmel.

16.2.2006:
Das Panorama bietet heute jede Menge Grund zum Fotostopp und atemberaubende Ausblicke.

Die Dörfer kleben am Berghang, wie wir dies vom Jemen oder auch Nepal kennen; eine Besonderheit des nordsaharischen Raumes sind allerdings die Speicherburgen (Agadire in Marokko, Ksours in Algerien, bzw. Tunesien), von denen wir eine besuchen. Kinder führen uns bereitwillig durch die kleine, dem Verfall preisgegebene aber durchaus sehenswerte Anlage, deren ehemalige Vorratsräume durch winzige Holztüren zugänglich sind.

Andere Agadire, wie z.B. die von Tizrgan aus dem 13. Jhd. werden erhalten und bieten teils malerische Anblicke.

Der heutige Tag bietet dem Auge wirklich abwechslungsreiche Eindrücke …

Kurz vor Erreichen des Passes Tizi Mill (1.600 m.ü. M) macht Grisu keinen Mucks mehr …….. er hat den Dieseltank leergesoffen! Kein Wunder bei all diesen anstrengenden Tagesetappen für einen alten Herrn wie diesen. Es ist aber nicht aller Tage Abend – 10 Liter bereits einige Jahre alter algerischer Diesel aus dem Reservekanister erwecken in Grisu neue Lebensgeister.

In Tafraoute angekommen, werden wir sofort von deutschsprechenden Einheimischen belagert, die natürlich nichts anderes im Sinn haben, uns in ihre Geschäfte zu locken. Wir haben aber wirklich andere Pläne und klettern nach einer Ortsbesichtigung lieber auf einen der umliegenden Granitberge um den Sonnenuntergang über Tafraoute genießen zu können.

Danach ist der Hunger groß und wir freuen uns im „Restaurant Marrakesch“ auf unsere erste Tarjine, dem Nationalgericht der Marokkaner.

……….. und wieder einmal suchen wir im stockdunkeln einen versteckten Schlafplatz. Gute Nacht!

17.2.2006:
Grosswaschkampftag! Der kleine Bach hinter unserem Haus… äh Grisu eignet sich hervorragend dazu und während wir im Internetcafé die neuesten Berichte hochladen und massenweise E-Mails lesen (Danke!), trocknet die Wäsche zwischen den Palmen.

Dieser Standplatz ähnelt sehr einem Park, so perfekt und schön ist er mit diesen roten Granitfelsen im Hintergrund und dem frischen Grün zwischen Dattelpalmen. Echt kitschig. Und die anderen Wohnmobilisten in Tafraoute picken alle am Campingplatz aufeinander, die Deppen!

Wie man sieht gefällt’s Max an diesem Plätzchen ausserordentlich gut – er hälts sogar aus, einmal nichts zu tun. Nachdem er auch Wäsche gewaschen hat, natürlich!

Wir nehmen danach den Umweg durch das Ammelntal, das von Bergdörfern an steilen Hängen geprägt ist. Die dazugehörigen Felder und Palmplantagen schließen am Talgrund an. Wir wandern durch eines dieser Dörfer (Anameur) und stellen fest, dass es sich hier wohl um Ortschaften handelt, deren Bewohner unter der Woche in den Zentren größerer Städte beschäftigt sind. Es ist als gingen wir durch eine Geisterstadt. Nur ab und zu huschen schwarz gekleidete Frauen von Haus zu Haus. Die neugebauten Häuser zeugen von gewissem Wohlstand, sind jedoch architektonisch nicht bemerkenswert. Lediglich an den verfallenden älteren Gebäuden finden wir noch interessante Details.

Die Aussicht auf die umliegenden Berge entschädigt, sie sind knapp 2400 m hoch. Von Schnee keine Spur. Niederschläge muss es in den vergangenen Wochen reichlich gegeben haben. Bei den Furten (Brücken gibt es hier keine) bekommt Grisu ausgiebig Gratisunterbodenwäschen ab: Die Bäche führen derzeit Wasser und Max gibt vor  solchen Durchfahrten besonders gerne Gas.

Nachdem wir die Hauptstrasse nach Tiznit Richtung Westen und der Küste wieder erreicht haben, schlängelt sich die Strasse den Berghang hinauf zu einem weiteren Pass. Wolken ziehen auf und abends stehen wir zum erstenmal in Marokko im Nebel. Das tut unserer guten Laune keinen Abbruch – wir machens uns auf unseren sieben Quadratmetern gemütlich und Heidi kocht lecker auf.

17.2.2006:
Der Tag beginnt kühl, windig und ungemütlich. Gut, wir sind auf knapp 1000m, aber ist das wirklich ein Grund? Andererseits, um die Relationen herauszuarbeiten: wir frieren mittlerweile ja schon bei + 20°C.
Bis wir startbereit sind, blinzelt die Sonne schon zwischen den windzersausten Wolken durch. Doch so durchwachsen wie der Tag beginnt, geht’s auch weiter: erst protestiert Grisu noch beim Starten – oder ist’s eine Vorwarnung? – und dann, kaum dass wir unseren steinige Nachtplatz verlassen, kommt ein fürchterlich krachendes Geräusch aus dem Motorraum. Um Gottes Willen, was ist denn das? Erschrocken schauen wir uns an. Nix wie Motorhaube auf und den Kopf reingesteckt. Sofort die erleichterte Entwarnung: es hat sich nur die Lichtmaschine selbständig gemacht, al hamdullil’allah! Nach dem Ausbau derselben zeigt sich, dass ein Schrauben und die Führung der LiMa-Halterung abgerissen sind. Kein ernstes Problem bei einem Dieselfahrzeug. Wir fahren ohne Lichtmaschine in den letzten Ort zurück, wo uns gestern ein paar heruntergekommene Mechanikerläden aufgefallen sind.

Für die jungen Berber dort ist das Routine. Sie schaffen’s zwar nicht, die abgerissene Schraube aus dem Gehäuse zu entfernen aber eine Halterung ist aus Schrott-Teilen schnell gefertigt. Schrauben zum Anbringen gibt’s im großen Hanomag-Motorraum genug und wie man sieht, hat unter der Motorhaube fast ein ganzer Mechaniker Platz.

Derweilen richtet sich’s Heidi nach einer kleinen Runde durchs Dorf mit soeben erstandenen süssen Orangen am Strassenrand „gemütlich“ ein.

Mit einigen Schwierigkeiten wird die LiMa dann wieder eingebaut und es ist Mittag, als wir weiterkommen. Übrigens hat der Mechaniker 50 Dirham (ca. 4,50 €) für seine Bemühungen verlangt. Wäre sicher verhandelbar gewesen, aber Max findet den Preis durchaus in Ordnung.

Die Weiterfahrt nach Tiznit führt nach wie vor durch schöne gebirgige Landschaften, die uns aber nicht so spektakulär erscheinen, wie die Auffahrt von Ait-Baha nach Tafraoute. Dies mag aber auch dran liegen, dass unser Auge schon sehr verwöhnt wurde.

Bei Sidi Moussa-d’Aglou stossen wir wieder an die Küste: ein eher reiz- und gesichtsloser Badeort, mit jeder Menge Wohnmobilen (großteils mit pensionierten Franzosen) am Park- und Campingplatz. Wir flüchten.

Von hier führt die Straße an der Steilküste entlang. Es wachsen keine Bäume mehr, grünes Strauchwerk und bunte Lavendelwiesen prägen die Landschaft.

Wir peilen einige Buchten an, aber erst kurz nach Mirleft finden wir einen geeigneten Standplatz. Zwar ist auch dieser ohne Möglichkeit unsere Hängematte zu aktivieren, unsere Lust hält sich aber in Grenzen, noch länger weiterzusuchen.

19.2.2006:

Die Bucht mit feinem Sandstrand lädt uns gleich zum Frisbeespielen ein. Es ist schließlich Sonntag und wir genießen den Tag in der Sonne und am Strand.


Jeder geht seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Max verpasst Grisu eine ordentliche Ladung frischen Abschmierfetts …

… während Heidi den neuesten „Donna Leon“ Krimi verschlingt.

20.2.2006:
Wir verlassen die Plage Ftayssa in Richtung Sidi Ifni, wo wir unsere Vorräte ergänzen. Wir rechnen damit, in den nächsten Tagen dazu keine Gelegenheit mehr zu haben. Später machen wir uns auf die Suche nach einem Fischrestaurant. Leider vergeblich – es gibt momentan wenig Fisch, da die Fangflotte wegen des starken Wellengangs nicht rausfahren kann. Lediglich vom Ufer aus wird bis zu 5 m langen Ruten gefischt.

Ab hier sammelt Heidi zum erstenmal Pistenerfahrung. Wir vermindern den Reifenluftdruck auf 3 bar und es geht 40 km der Küste entlang auf teilweise abenteuerlich ausgewaschenen Pisten nach Bou Jerif. Max ist einigermaßen gefordert und Grisu darf den Allrad endlich auch einmal benutzen.  Am späten Nachmittag finden wir zwar kein idyllisches Plätzchen fürs Nachtlager, doch nach einem lustigen Abstieg über eine steile Sanddüne geht sich zumindest ein Strandspaziergang aus.
Starker Wind bläst aus Nordwest; wir werden in den Schlaf geschaukelt (Max) bzw. um den Schlaf gebracht (Heidi).

21.2.2006:
Dieser Tag wird Heidi lange in Erinnerung bleiben, konnte sie doch erkennen was ein 70 PS Hanomag mit 4,5 t Gewicht in bachbettartigen Steilpisten für Kunstücke vollführen kann! Sie hat es dennoch vorgezogen, zeitweise den Beifahrersitz beinahe fluchtartig zu verlassen und ihr Heil auf den eigenen Beinen zu suchen. Dabei ist sie normalerweise wirklich keine ängstliche Natur.

Auf den Bildern wird man nie erkennen können, wie steil und steinig der „Weg“ abschnittsweise tatsächlich ist. Nicht nur einmal ist Grisu kurz davor, sich in die Waagrechte zu begeben.

Oooops – nochmal gut gegangen!
Hin und wieder kommen wir an einzelnen Häusern vorbei. Auf steinigen Feldern wird mühsam Ackerbau betrieben. Holzpflüge, von Eseln gezogen und vom Bauern geführt, sind die einzigen Hilfsmittel. Ein wenig grün ist es ja um diese Jahreszeit und in den Wadis haben sich Humus und Feuchtigkeit gehalten. Ab und zu sieht man auch Steinterassen in den Wadis. Nur die wenigsten führen Wasser. Einer davon ist der Oued (=Wadi) Assaka, der uns von Nutzen ist indem wir sein Wasser zur Großwäsche verwenden. In unseren heimischen Breiten würde man nur von einem Bacherl reden, hier darf das Wort Fluß ruhig in den Mund genommen werden. Alles eine Frage der Perspektive!

Übrigens: Es mag den völlig falschen Anschein erwecken, dass wir so verdammt gerne Wäsche mit der Hand waschen würden, aber weit gefehlt. Nur ist in ganz Marokko tatsächlich kein Waschsalon zu finden. Nicht mal in Agadir, wo ja der Bedarf durch die vielen WoMo-Touris gegeben wäre…

Etwa 3 km von dieser Furt entfernt (es begegnete uns während des ganzen Tages nur 1 Auto mit blaugewandeten Einheimischen) treffen wir auf das ehem. französische Fort Noun. Hier schlagen wir unter Eukalyptusbäumen und Palmen unser Nachtlager auf.

22.2.2006:
Heute wären mal Bäume vorhanden, um die Hängematte zum Einsatz zu bringen, aber pfiffkaas! Leider zu windig.
Also brechen wir auf zu einer Wanderung den Oued Assaka entlang flussabwärts.  Rechts und links des Ufers spriessen uns bekannte und auch unbekannte Frühlingsblumen in leuchtenden Farben aus dem sandigen Lehmboden. Quakende Frösche und jede Menge Wasserschildkröten bevölkern den trüben Flußlauf. Ausserdem sehen wir viele putzige Erdhörnchen, die neugierig aus ihren Löchern lugen oder Männchen machen.

Zeitweise geht es abseits des Oueds durch trockende Mondlandschaften und wieder einmal begegnen wir den ganzen Tag keiner Menschenseele. Nur von weitem sehen wir einmal zwei Bauern, die sogar mit einem Traktor neueren Datums ihre Felder bestellen. Kaum zu glauben, dass in dieser unfruchtbaren Gegend und  Abgeschiedenheit überhaupt Menschen ihr Auskommen finden können. Noch dazu ohne Strom und Wasseranschluss.

Schon von weitem sticht uns hier der über dem Fluss thronende weiss getünchte Marabout (Heiligengrab) ins Auge. Hier ist Sidi Massoud begraben. Wir gehen dann noch einige Zeit weiter, treffen auf ein verlassenes Dorf mit zwei Moscheen und fühlen uns zeitweise wie bei einer Almwanderung. Wir sehen in der Ferne auch das Meer, können dieses aber heute nicht mehr erreichen, da uns der Hunger heim treibt. Immerhin sind wir bereits viele Stunden auf den Beinen. Erst gegen 18 Uhr sind wir wieder an unserem Platz unter den Eukalypten beim Fort Noun. Jetzt wird erst mal ordentlich gefuttert!

23.2.2006:
Heute beschliessen wir wieder einen „Ruhetag“ einzulegen.
Bevor wir aber in der Hängematte schlummern, führt uns eine kleine Wanderung zum Campingplatz „Bou Jerif“, der ca. einen km entfernt von unserem Standplatz liegt (und nicht am Fluß). Er zählt angeblich zu einem der besten Marokkos, aber viel ist nicht los: lediglich 3 WoMos haben hier ihr Quartier aufgeschlagen.
Die Zeribas (Nomadenzelte) sehen allerdings gemütlich aus, das Restaurant ebenso und die aufliegende Info über giftige
Skorpionarten der Gegend studieren wir mit Interesse. Wir haben übrigens bis dato noch keine Bekanntschaft mit den Tierchen gemacht.

24.2.2006:
Aufbruch! Weiter Richtung Süden. Die raue Piste zur Mündung des Oued Assaka lassen wir links liegen und genehmigen uns nach 9km Luxus-Schotterpiste (im Vergleich zur Anfahrt von Sidi Ifni) ein Stückchen nagelneuen Asphalts zur sogenannten Plage Blanche.
Wir sind etwas enttäuscht, haben wir uns doch wirklich weißen Sandstrand vor dem geistigen Auge. In Wirklichkeit ist er zwar ganz schön, unterscheidet sich aber von den bisherigen Stränden Marokkos nicht.

Nach einer Pause entscheiden wir uns für die Weiterfahrt entlang des Strandes, da gerade Ebbe herrscht und so die Bedingungen dafür optimal erscheinen. Auch ein Gespräch mit den freundlichen Soldaten, die am Ende der Asphaltstraße stationiert sind, bestärkt uns. Also runter zum Meer und nach der Durchquerung des Oueds Boussafen, der sich nur als Rinnsal ins Meer ergießt, fahren wir auf dem relativ harten Sand im dritten, später sogar im vierten Gang, ohne Allrad.

Kilometerlang rechts der Atlantik, links Steilabbruch und kleinere Sandddünen.

Grisu schreckt Möven und Strandläufer auf – es ist als wären wir alleine auf der Welt.

Ein Schiffswrack, das wir naürlich kurz besichtigen, ist neben wenigen Fischern an der Mündung eines weiteren Zuflusses das Einzige, das die stimmungsvolle Monotonie unterbricht.

Diesem Zufluss, den Oued Aoreora, müssen wir nun flußaufwärts folgen. Hier teilweise tiefer Sand, der Grisu etwas Mühe macht und ein paar hundert Meter weiter beginnt der steile Aufstieg aus dem sandigen Flussbett hinauf auf das Küstenplateau.

Etwa auf halbem Weg zur asphaltierten Verbindungsstraße Sidi Ifni – Tan Tan campieren wir in absoluter Steppeneinsamkeit mit herrlichem Blick ins grün bewachsene und von Dünen gesäumte Wadi. Später wachen Millionen Sterne über unseren Schlaf.

25.2.2006:
Der Tag beginnt mit ordentlichen Herausforderungen im fahrtechnischen Bereich. Durch die Regenfälle der vergangenen Wochen sind einige Passagen der Piste unbefahrbar und andere liegen im Grenzbereich des Möglichen.
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte:

…………….völlig unbefahrbar ……………        ………. und gerade noch fahrbar!!

Es macht uns (und wohl auch Grisu) nicht allzuviel aus, dass nach ca. 15 km die Asphaltstraße erreicht ist. Wir erhöhen den Reifenluftdruck wieder auf 4 bar und lassen in Gedanken die Straßenerbauer hochleben.

Die Landschaft wird immer trockener und öder, nur mehr wenige Nomadenzelte ducken sich in einzelne Senken.

In der nächsten Stadt Tan Tan führt unser erster Weg zur Tankstelle und wir sind überrascht, dass wir im Gegensatz zum Norden hier wohlschmeckendes Trinkwasser aus der Leitung vorfinden. Diese Gelegenheit packen wir sofort beim Schopf und füllen alle verfügbaren Kanister und leere Mineralwasserflaschen mit dem Gratisnass auf. Bisher mussten wir pro 1 ½ Liter-Flasche knapp 30 Cent berappen.

Wir füllen an dieser Tankstelle wesentlich mehr Wasser als Sprit nach. Internetcafe und Einkäufe am Markt und während Heidi die Patisserie stürmt, nimmt Max im Friseursalon Platz.
Es dauert keine 10 Minuten und er schaut wieder um Jahre jünger aus.

Knapp vor Sonnenuntergang sind wir wieder am Meer in El Ouatia, einem kleinen aufstrebenden Badeort mit zahlreichen Restaurants und Cafes.

Wir finden ein kleines Fischrestaurant an der Promenade und müssen endlich mal nicht wieder selbst kochen. Der Tisch biegt sich unter den reichhaltigen Fischplatten, die wir mit großem Appetit verdrücken. Da wir Grisu mitten in der Stadt geparkt haben, schlafen wir schon mit der Erwartung ein, dass uns der Muezzin zur frühen Stunde aus den Federn holen wird.

26.2.2006:
Unsere Vorahnung trügte nicht, pünktlich um 5.00 Uhr morgens räuspert und hustet ein müder Muezzin ins Mikrofon. Ansonsten war die Nacht angenehm ruhig, wir haben nicht einmal bemerkt, das es am frühen Morgen geregnet haben muss. Max holt zum Frühstück einen Sack voll gefüllt mit Schokocroissants, die er dem Bäckermeister für umgerechnet 1 € direkt aus der Backstube abgekauft hat. Die Patisserie war eigentlich noch nicht geöffnet, aber ein paar freundliche Worte auf arabisch öffnen halt so manche verschlossene Türe.

Weiter in Richtung Süden kommen wir nach kurzer Fahrt an einem bemerkenswerten Naturschauspiel vorbei: Der ständig am afrikanischen Kontinent nagende Atlantik hat ein riesiges, ca. 30 m tiefes Loch in die Steilküste gefräst. Darunter donnern die Wellen an einen fast nie von der Sonne beschienenen Strand.

Landschaftlich ist die Gegend bis auf einige wenige Abschnitte nicht besonders reizvoll. Die ersten Dünen und Sandverwehungen tauchen auf. Abwechslung bringt nur eine 25 km lange Lagune, an der rosafärbige Flamingos mit ihren Krummschnäbeln nach Krebschen fischen. Auch andere Wasservögel finden sich hier angeblich ein. Wir können aber nur die Flamingos mit dem Fernglas ausmachen und wundern uns über den Unrat in diesem ausgewiesenen Naturschutzgebiet.

Wir haben nun das von Marokko 1975 annektierte Gebiet der Westsahara (früher: Rio d’Oro) erreicht. Ein Pluspunkt für uns ist, daß das Gebiet zoll- und steuerfrei ist und deshalb der Sprit mit 4,62 Dirham (etwa 0,60 €) um ein Drittel billiger ist als im eigentlichen Marokko.

Die gesamte Küste entlang reiht sich eine traurig wirkende, aus Treibgut zusammen-gezimmerte Behausung nach der anderen. Die Fischer, die hier ihr Glück mit der Angel versuchen,  sind oft -zig Kilometer vom nächsten Ort und jeglicher Infrastruktur entfernt. Ihre Mofas und Fahrräder sind die einzigen Wertgegenstände, die sie zu besitzen scheinen.

Kurz vor Tarfaya (dem ehemaligen Cap Juby, wo Antoine de Saint-Exupéry als Postflieger stationiert war) endet die Steilküste und wir stoppen heute früher als üblich, um einen Strandtag einzulegen. Kaum haben wir an diesem schönen beach die ersten Frisbee-Würfe gestartet, bietet uns ein junger Fischer seinen soeben aus dem knietiefen Wasser erbeuteten Fang zum Tausch an. Ein kleines Schnapsflascherl wechselt den Besitzer, alle Beteiligten ziehen zufrieden von dannen und es stellt sich später heraus (Heidi kocht allerdings wieder mal super), daß der Fisch vom allerfeinsten ist: Festes und sehr schmackhaftes Fleisch, wenige Gräten. Dazu zerlassene Butter und Petersilkartoffel – eine wahre Gaumenfreude!

Dies sollte heute nicht die einzige Begegnung mit einem Einheimischen sein. Wir liegen gemütlich am Strand, als uns jemand auf spanisch (Rio d’Oro war spanische Kolonie) anspricht. Mahjoub heißt der 26jährige sympathische Saharaoui, dessen selbsternannte Aufgabe es ist, uns möglichst viel über den Kampf der Frente Polisario (saharische Unabhängigkeitsbewegung zu erzählen. Wir fragen ihn auch über die Lebensumstände etc. seiner Familie aus und so erhalten wir einen ersten Eindruck von der Situation der Bewohner hier.
Übrigens wird in den Familien nicht mehr marrokanisch-arabisch gesprochen, sondern Hassayani, das uns noch bis Zentralmauretanien begleiten wird.

27.2.2006:
Bei einer Einladung zum Essen in Mahjoub’s Hütte am nächsten Tag staunen wir, daß die von außen desolat wirkende Bretterbude innen recht behaglich ist. Es sind halt schon auch die Plastikabdeckungen, die einen so improvisierten Eindruck erwecken. Dabei ist seine Hütte noch eine der besseren und sogar mit Estrich versehen! Er wohnt hier übrigens nicht ständig, wie wir anfangs gedacht hatten. Sie dient ihm lediglich untertags als getaway von der Familie und er genießt das süsse Leben am Strand.

Wir haben uns zwar auf einen längeren Besuch bei ihm eingestellt, aber daß das Essen (mit den Fingern, am Boden knieend aus einer gemeinsamen Schüssel) mit anschließender Teezeremonie dann doch gut 3 Stunden dauert, hätten wir nicht gedacht. Aber immer wieder werden dazwischen längere Plauderpausen eingelegt und so zieht sich die schon etwas anstrengend werdende Unterhaltung in die Länge. Dafür hat Max sein Spanisch wieder kräftig aufgefrischt. Heidi hat mit Händen und Füßen zur Unterhaltung beigetragen 

Wir fahren heute noch bis zur Garnisonsstadt Laayoune weiter. Eine angenehme, sehr modern wirkende Stadt. Wenn nur nicht soviel Militär und Polizei hier wäre! Nicht, daß wir damit unangenehme Erfahrungen gemacht hätten (von einem etwas präpotenten Typen in Zivil mal abgesehen), aber es dämpft doch etwas das Urlaubsfeeling, wenn sich hinter jeder zweiten Mauer eine Kaserne oder ein Hotel für UNO-Soldaten zu verbergen scheint. Jedenfalls gibt’s an jeder Ecke leckere Patisserien zu kaufen. Und das zu einem Preis, bei dem man gerne 2x zulangt!

28.2.2006:
Wir sind gestern abend ein kleines Stückerl aus Laayoune rausgefahren, da wir wegen der Militärpräsenz nicht in der Stadt nächtigen wollten. Heute starten wir relativ früh und kommen trotzdem nur langsam voran. Der stetige, zeitweise böige Wind bremst Grisu ordentlich ein und wir schaffen gerade mal 50-65 km/h. Öde und anstrengend!
Wir stoppen deshalb in Boujdour, etwa 200 km südlich von Laayoune, um wieder einmal unseren Obst- und Gemüsevorrat aufzufrischen. Es ist die letzte Möglichkeit dafür, wenn man den direkten Weg nach Mauretanien einschlägt und das weit draussen auf einer Halbinsel liegende Dakhla ausläßt.

Von der Stadt selbst gibt’s nicht zu berichten, außer daß der Wind uns den Sand zwischen die Zähne getrieben hat und Max ein Fax um sage und schreibe 4,50 Teuros verschickte. Das Skypen im Internetcafé funktionierte dagegen einwandfrei.

Wir lassen’s für heute gut sein und nächtigen etwas abseits der Straße. Am späteren Abend läßt der Wind dann gottseidank nach.

1.3.2006:
Da uns immer noch ca. 900 km von der mauretanischen Grenze trennen, heißt es auch heute vormittag: Bleifuß! Grisu feiert auf der Strecke seinen erst 70.000sten Kilometer…

Auf der Höhe von Dakhla ändert sich plötzlich die Landschaft: zuerst bietet die Lagune von Dakhla ein wunderbares Bild, mit den vorgelagerten Sandbänken, dann erscheinen immer wieder Tafelberge und Fata Morganas. Insgesamt wird es also interessanter zum Fahren.

In El Argoub, bei einem Militärkontrollposten, erbitten wir Wasser. Die jungen Soldaten sind sehr freundlich und verweisen uns 100 m weiter an eine Zapfstelle. Der dort Diensthabende stellt sich als überaus sympatisch und hilfsbereit heraus. Er spricht auch gutes Französisch und erlaubt uns nicht nur alle unsere Wasserbehälter nachzufüllen und hier Wäsche zu waschen (die Gelegenheit müssen wir beim Schopf packen). Auch Heidis Schopf selbst wird wieder einmal vom Staub der Reise befreit, während Max mit Mohamed viele interessante Gespräche über Gott, die Welt, das Soldatenleben usw. führt.
Unter anderem erzählt er, dass das Wasser hier aus grosser Tiefe durch Eigendruck – also ohne Pumpe – mit etwa 30° C an die Oberfläche gelangt. Zwischen Boujdour und 100 km südlich von El Argoub muss ein grosses fossiles Wasservorkommen existieren. Beim Trinken schmecken wir einen etwas erhöhten Mineralgehalt, dafür ist das Wasser garantiert keimfrei.

Nach einer herzlichen Verabschiedung ist es für uns Zeit, in der Nähe zu übernachten. Wir haben gleich doppeltes Glück: am Strand gibt’s einen relativ windstillen Stellplatz und ein in der Nähe lebender Fischer kommt gerade mit seinem Fang zurück. Ohne viele Worte werden wir mit einem großen Fisch beschenkt und sind wieder mal froh, uns mit leckeren Keksen und Früchtebrot von Max’ Mutter revanchieren zu können. Das kommt immer gut an, ist ja auch kein Wunder 
Heute Abend gibt’s nicht nur einfach Fisch mit Nudeln, o nein! wir ernten auch frische Miesmuscheln direkt am felsdurchsetzten Strand. Die Pasta al Pescatore ist somit geritzt und schmeckt hervorragend, lediglich der Sand so mancher Muschel knirscht zwischen unseren Zähnen.

2.3.2006:
Tanken, Ölwechsel, Kilometerfressen – das sind die heutigen Tagesordnungspunkte. Die Landschaft ist interessant und bietet neben Ausblicken aufs Meer, Wadis, verschiedenfarbiger Vegetation (auch hier gabs Regen) auch fast weisse Sanddünen, die als Kontrast zum tiefblauen Himmel beinahe kitschig erscheinen. Wir suchen uns eine davon aus, um in ihrem Windschatten Mittagsrast zu machen und ein wenig am steilen Dünenhang rumzublödeln. Zum Befahren mit unserer mitgebrachten Skiausrüstung ist die Düne zu klein, beim Runterrutschen bringen wir aber den Sand laut zum Brummen. Das erzeugt ein fast unheimliches, durch die halbe Düne gehendes vibrierendes Geräusch.

Etwa 140 km vor der mauretanischen Stadt Nouadibhou tanken wir gut 300 l günstigen Westsahara-Diesel und beenden den Tag an einem breiten, einsamen Sandstrand.

3.3.2006:
Heute ist der Tag, an dem wir Schwarzafrika entscheidend näherkommen: auf geht’s nach Mauretanien!

Die marokkanische Grenzabfertigung ist in etwa 45 min. erledigt. Zwischen hier und der mauretanischen Seite gibt’s 4 km Niemandsland und ziemlich miese Piste. Wir treffen  unerwarteterweise auf ein Auto mit ebenfalls Halleiner Kennzeichen. Die Oberalmer Reisenden sind in nur 5 Wochen von Tunesien über Algerien, den Niger, Mali und durch Mauretanien hierher gefahren (um nicht zu sagen gehetzt).

Die mauretanischen Militärs an der Grenze (es gibt seit dem Putsch im August 2005 keine Zivilbeamten!) sind freundlich, aber nicht herzlich. Na ja, was erwartet man auch… Jedenfalls überhaupt kein Problem, hier das Visum für 20 € p.P. zu bekommen. Später beim Zoll wird gegen weitere 10 € der Hanomag in Max’ Pass eingetragen. Wozu dann die Declaration d’honneur (Ehrenerklärung, das Fzg wieder auszuführen)? Egal, wir fragen nicht.

Die Soldaten hausen in ziemlich schäbigen Baracken. Auf einen Schlag gibt’s auch jede Menge Fliegen, die keinen Quadratzentimeter des am Boden herumstehenden Mittagsmahls in den „Amtsräumen“ auslassen. Das Mobiliar besteht aus einem wackeligen Tisch, einer Pritsche für den Chef (der Rest der Belegschaft schläft auf Matten am Boden) und einem zusammengezimmerten Stuhl, auf dem man sich lieber nur sehr vorsichtig niederlässt.
Unsere hinten am Fahrzeug befestigten Klappstühle erwecken deshalb auch die Begierde des Diensthabenden („Cadeau!?“), Max bleibt natürlich hart und ignoriert den Kerl.

Schöne Saharalandschaften und einige Kontrollen auf dem nun perfekten Asphalt für die etwa 50 km nach Nouadhibou, am Kap Blanc.

Mittagsrast auf halber Strecke an der Bucht Baie de l’Etoile. Hier könnte man ein paar Tage verbringen, aber wir müssen weiter in die Stadt zum Geldwechseln, etc. (an der Grenze gab’s dafür keinerlei Möglichkeit).

Nouadhibou schockiert ein wenig mit Staub, Lärm, und Dreck.
Am auffälligsten ist jedoch der plötzliche Übergang zur schwarzen Bevölkerung. Jetzt stechen wir als Touristen so richtig aus der Menge.

Zum ersten Mal auf dieser Reise checken wir an einem Campingplatz ein: Das Camp Baie du Lévrier ist mit 3000 Ougiya (10 €) nicht gerade billig, aber sauber, sehr günstig gelegen und es gibt sogar heiße Duschen. Wir machen die Bekanntschaft mit Gianni, einem sympathischen Italiener aus Lago Maggiore, der der einzige weitere Gast hier ist. Seit 4 Monaten in Scharzafrika mit Rucksack unterwegs, freut er sich, endlich wieder mal mit Max Italienisch parlieren zu können.
Später trifft noch ein netter Südtiroler aus dem Pustertal mit seiner vollbepackten Honda ein. Wir tauschen jede Menge Informationen untereinander aus.

Dann geht’s per Pedes auf in die Stadt. Geöffnete Bank finden wir keine, aber halbseidene Geldwechsler gibt’s mehr als genug. Ein paar Verhandlungsminuten später haben wir einen ganz guten Kurs fixiert und ziehen mit einem ziemlich dicken Packen Geldscheine von dannen.

Die nächsten Stops sind ein Internetcafé, wo uns die sehr langsame Verbindung einiges an Nerven raubt und ein Supermarkt, in dem’s so ziemlich alles gibt, was wir brauchen. Übrigens auch Kamelmilch, die wir mehr aus Interesse denn aus Notwen-digkeit kaufen.
Im Angebot sind auch mehr spanische Produkte als in Marokko, aber alles ist vom Preis her höher als dort und insgesamt sogar etwas teurer als in Österreich.
Auch am Obst- und Gemüsestand (eigentlich eher ein Gemüsekeller) setzt sich die Erfahrung fort, daß Marokko um einiges günstiger ist.

Auffallend im Straßen- bzw. Gehsteigbild sind die vielen Handybesitzer und
-wertkartenverkäufer. Es scheint, als ob jeder zweite Mauretanier im Telecombusiness tätig wäre.

Um ½ 9 Uhr abends zurück am Campingplatz – der Magen knurrt schon – taucht zu guter Letzt ein Versicherungsmensch auf. Na gut, wir kommen ja sowieso nicht umhin, eine Haftpflichtversicherung für Grisu abzuschließen. Auch wenn der Verkehr überland sehr dünn ist, ein lästiger Soldat an einem Kontrollpunkt könnte ja einen Vorwand für Schmiergeldzahlung finden. Die Chance wollen wir ihm nicht geben, außerdem fällt die Monatsprämie mit umgerechnet 24 € ziemlich moderat aus. Endlich um Mitternacht fallen wir müde in die Federn, wohl wissend, daß der Muezzin schon die Stimmbänder wetzt.

4.3.2006:
Weit gefehlt – heute morgen reißt uns nicht ein Muezzin aus dem Schlaf. O nein! Es sind deren mindestens fünf, die kurz hintereinander bzw. um die Wette rufen. Das Prozedere dauert über eine Stunde. Gottseidank nächtigen wir so selten in einer Stadt, geschweige denn nahe einer Moschee.

Der Vormittag wird zur weiteren Routenabklärung genützt, Wasser aufgefüllt (gutes Trinkwasser aus der Leitung!) und wir verabschieden uns in Richtung Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens. Zuvor wird aber noch Gianni an der Grenze abgesetzt. Für uns ist es ja kein großer Umweg.

Nouakchott liegt etwa 450 km südlich von Nouadhibou und der starke Wind aus Nordwesten treibt uns ein wenig voran. Sonst hatten wir ja meist den Wind von vorne.

Unterwegs sehen wir schon von weitem den längsten und schwersten Zug der Welt, den Eisenerzzug, der Material von einer Mine weit im Landesinneren zum Verschiffen in den Hafen von Nouadhibou bringt. Die längsten dieser Frachtzüge bringen es auf mehrere Kilometer Länge!

Dann zeitweise Sandverwehungen auf der Straße, viele Kamelherden in grüneren Bereichen und etliche Sanddünen.

In anderen Abschnitten völlige Leere: kilometerweite Landschaften mit irrsinnig viel Nichts!

Ein schönes Platzerl zum Übernachten finden wir unweit der Straße. Eine kleine Düne hat sich wie ein Lindwurm ins Gelände gelegt und bietet sich hervorragend an.

5.3.2006:
Das Müesli wird heute mit Kamelmilch angerührt, denn der Geschmack ist zwar nicht sooo anders als unsere Kuhmilch, aber irgendwie – wenn man beim Trinken so an die Kamele denkt …

Während wir noch im Bett liegen und im Radio über die Wetterkapriolen in Österreich hören, heizt die afrikanische Sonne uns Langschläfern (aber heute ist ja Sonntag) ziemlich ein. Überhaupt ist es trotz starkem Nordwind in den letzten drei Tagen spürbar heisser geworden. Die Nächte sind aber immer noch angenehm kühl und wir vertragen durchaus die Daunendecke.

Nach dem gestrigen Vorgeschmack auf Dünenfahrten wollen wir heute einmal sehen, ob Grisu das Sandfahren seit Algerien nicht schon verlernt hat. Seit dem letztenmal sind ja schon ein paar Jährchen vergangen.
Gut 30 km geht es durch teilweise tiefen Sand und über weiche Dünen. Wir haben auf 2 bar Reifenluftdruck reduziert. Das und die wiedererwachenden Instinkte des Pistenpiloten Max genügen, um uns an die Baie de Saint Jean – einer Bucht die zum Nationalpark Banc d’Arguin gehört – zu bringen. Sandbleche benötigen wir nicht ein einziges Mal obwohl es manchmal ganz schön knapp hergeht.

Wir wandern von unserem erhöhten, etwas versteckten Standplatz über den muschelübersäten Strand zum Meer. Das Wasser ist hier in der Bucht so warm, daß wir nicht lange zögern und ‚reinwaten. Zum Schwimmen ist die Lagune leider nicht tief genug, wir freuen uns dennoch über die willkommene Abkühlung.

6.3.2006:
Heute ist das Licht trüb, diffus. Viel Sand schwebt in der Luft und sogar über dem Wasser ist die Sichtweite eingeschränkt.

Weiter Richtung Süden, läßt die Piste kurzfristig 60 km/h zu, denn der Sand ist dicht gepresst und fast wie Asphalt. Plötzlich sehen wir etwa 200m vom Ufer entfernt große Watvögel im Wasser und der Blick durch den Feldstecher bestätigt: Flamingos! So gut es geht, pirschen wir uns an die langstelzigen, graziös wirkenden, rosa Vögel heran. Der Strand gibt aber leider keine Deckung und wir können sie nicht aus unmittelbarer Nähe betrachten. Schade, daß sie so scheu sind!

Beim Dorf Nouamghar ist die Nationalparkverwaltung untergebracht und hier machen wir erste Erfahrungen mit bettelnden Kindern. Max schenkt ihnen – nachdem die Formalitäten beim netten Ranger erledigt sind – jeweils einen Luftballon und schon geht die wilde Streiterei untereinander los. Die Größeren nehmen den Kleineren die „Beute“ ab – es gilt das Recht des Stärkeren …

Das wird uns wohl noch öfters so gehen hier in Mauretanien. Die Leute am Land sind bettelarm und die Kinder haben eben gelernt, auf Touristen „loszugehen“.

Der Nationalparkranger hat Max neben der Gezeitentabelle noch den Tipp auf den Weg mitgegeben, ans nahe Kap Tirhirist zu fahren. Dort würde es viele verschiedene Vogelkolonien geben.

Gut, wir also los, aber ausser jeder Menge Möven auf einer Sandbank sehen wir vorerst nichts Interessantes. Wir wandern ein paar Kilometer den muschelübersäten Strand entlang, rasten an einer Stelle mit hunderten Winkerkrabben und sonstigen „Zwacktieren“ und beobachten diese beim Fressen. Wieder mal bestätigt sich die alte Weisheit, daß man manchmal einfach ruhig sitzen bleiben soll, denn die Welt zieht von ganz alleine an einem vorbei: Es erscheinen Flamingos, Reiher, Seeschwalben, Löffler, Tölpel, usw. usf. und dann lassen Dutzende Pelikane unser Herz höher schlagen! Es gelingt uns – wie schon bei den Waldrappen in Marokko – uns nahe an sie heranzuschleichen, um sie aus nächster Nähe zu beobachten. Unglaublich, daß diese Trümmer von Vögeln überhaupt fliegen können, geschweige denn so elegant.

Da das Nächtigen im Nationalpark offiziell nur an bestimmten, ausgewiesenen Orten möglich ist (unter anderem gegenüber dem Office, bei den Kindern) und wir lieber unsere Ruhe haben, fahren wir ein paar Kilometer raus aus dem Park und sanden an einer flachen, aber butterweichen Düne ordentlich ein. Wir haben ja heute eh nicht mehr viel vor und nehmen das Ganze locker.

Heidi soll ja eh mal lernen, was es heißt, Sandbleche zu legen und vor allem, diese 1 ½ m langen Dinger durch die Gegend zu schleppen 

Wir müssen die morgendliche Ebbe abwarten, um den nächsten Abschnitt einiger-maßen trocken zu überstehen. Eigentlich hat Grisu zwar längst einmal eine Unter-bodenwäsche nötig, aber doch bitte nicht mit Salzwasser! Für morgen ist nämlich die Weiterfahrt den Strand entlang geplant. Diese sogenannte Atlantikroute war bis Ende 2005 die „Hauptverbindungsstraße“ zwischen Marokko und Westafrika: 165 km zwischen Wellen, Muschelbänken und Sanddünen …

7.3.2006:

Den heutigen Tag werden wir sicherlich gut in Erinnerung behalten, ist er doch gespickt mit zahlreichen Erlebnissen. Gleich zu Beginn unserer Fahrt zum Strand sanden wir auf den knapp 500 m einige Male ein und legen rasch die Bleche. Schaufeln ist aber nicht notwendig, es funktioniert auch ohne. Entlang des silbrig glänzenden Wassers geht’s relativ zügig voran und wir genießen das Vorwärts-kommen so knapp am Meeresrand. Wir müssen die Ebbe nutzen, um diesen Abschnitt zu bewältigen, da stellenweise nur wenige Meter Fahrbreite zur Verfügung stehen. Rechts das Meer und links wunderschöne Dünenlandschaft, es ist ja beinahe kitschig schön……Kurz vor El Mhaijrât, wo wir den Strand verlassen, um wieder auf die Asphaltstraße nach Nouakchott zu gelangen, sehen wir in der Ferne ein Zelt stehen.
Ein Fischer winkt uns zu und wir bleiben stehen. Da staunen wir nicht schlecht, als uns dieser ältere Herr auf österreichisch grüßt und uns in sein Zelt einlädt. Im Zuge des Gespräches erfahren wir, dass der sympatische Hans seit über 12 Jahren Entwicklungsdienst in Mauretanien leistet. Wir würden gerne mehr über ihn und seine Frau bzw. Freunde erfahren, müssen aber wegen der bald einsetzenden Flut rasch weiter und versprechen, sie in den nächsten Tagen in Nouakchott zu besuchen.

Nach einer kurzen, aber heftig-ruppigen Weiterfahrt auf sogenanntem „Wellblech“ sind wir froh, die Hauptstraße zu erreichen. Dort gibt’s auch wieder einmal eine Gendarmeriekontrolle. An dieser Stelle warten auch drei junge Deutsche auf Hilfe. Deren VW-Jetta hat zwar nicht den Geist aufgegeben aber die Kupplung ist hinüber und an eine Weiterfahrt nicht mehr zu denken. Das Abschleppseil ist rasch fixiert und die nächsten 100 km nehmen wir die drei jungen Leute im Schlepptau mit. Gottseidank ist die Straße ohne längere Steigung, sonst wärs wohl nicht so leicht möglich, mit unseren eigenen  4 Tonnen noch einen vollbepackten PKW zu ziehen. Auf diesem Abschnitt begegnen uns doch glatt auch noch die beiden Schwaben mit ihrem LKW, die wir auf der Fähre nach Tanger ja bereits getroffen haben. Nur kurz werden die Erlebnisse der letzten Wochen ausgetauscht.
In Nouakchott angelangt, laden wir die Deutschen in der Auberge Sahara ab und machen uns auf die Suche nach einem Internetcafé. Wer hätte aber gedacht, dass das in der Hauptstadt des Landes so schwierig ist. Auf der Suche bekommen wir einen ersten Eindruck von der Stadt und der ist nicht gerade positiv: Dreck, so weit das Auge reicht, in Indien ist es nirgendwo schlimmer. Kaum vorstellbar, in welchem scheinbar über Jahre angehäuften Unrat und Müll einige Stadtviertel liegen. Dazu der durch den starken Wind aufgewirbelte Sand, der die Sichtweite auf wenige hundert Meter einschränkt!

Einige bizarre Straßenszenen bieten sich rund um den Markt, wo wir Obst und Gemüse kaufen (u.a. Mangos aus Mali), es wirkt oft ein wenig wie nach einer Apokalypse. Die Menschen sind aber freundlich und nur wenige sind etwas aufdringlich beim Versuch, uns Uhren zu verkaufen oder Geldwechseln anzubieten.

 Besonders nett finden wir diese Marktfrau mit ihrem rotznasigen Nachwuchs.

Dann macht sich die Lichtmaschine im ärgsten Verkehrsgewühl wieder lautstark bemerkbar. Wie sich herausstellt, ist die vom marokkanischen Mechaniker montierte Verbindung abgebrochen. Max baut das Ding wieder mal am Strassenrand aus und wir flüchten in die Auberge Sahara, wo wir Duschen, Küche und Ruhe zum Reparieren finden. Hier bereitet Heidi die uns von Hans geschenkten Fische lecker zu.

8.3.2006:
Zum Frühstück gibt’s wieder einmal frische Baguettes, die Max beim Bäcker direkt vom Blech runternimmt. Sieht er doch zuvor viele dieser noch warmen Brotstangen am dreckigen Boden liegen. Ja, die afrikanischen Verhältnisse machen auch vor Küche und  Backstube nicht halt.
Der Vormittag wird genutzt, um im Zentrum der Stadt eine Reparaturwerkstatt ausfindig zu machen. Wir finden einen wirklich talentiert scheinenden Burschen, der sich später ans Werk machen wird.
Da uns trotz der hier brütenden Hitze und Staub der Hunger plagt, genießen wir währenddessen unsere erste Pizza in Mauretanien. Mit dem algerischen Besitzer führen wir sehr interessante Gespräche. Er kommt aus einer wohlhabenden Familie in Constantine und hat es nicht leicht, in Nouakchott sein Lokal zu führen. Alleine die Probleme mit den Behörden (die ja sehen, daß Geld im Spiel ist) oder die schiere Unmöglichkeit, adäquate Mitarbeiter zu finden!
Dabei zählt die Pizzeria durch gehobene Qualität und bemerkenswerte Sauberkeit sicherlich zu den Besten in der Stadt.
Nach diesem kulinarischen Erlebnis geht’s auf zum Kunstschlosser, der von seiner Arbeit wirklich was zu verstehen scheint. Werkzeug haben wir selbst ja sehr viel dabei, was auch zeitweise zum Einsatz kommt. In der Zwischenzeit „vergnügt“ sich Heidi in den umliegenden Gassen und Strassen. Die Anzahl der Fotomotive ist so groß, dass ihr Finger ständig am Auslöser bleibt. Besonders gerne posieren Kinder, versuchen sie ja auch, dafür eine Kleinigkeit als „Cadeau“ zu bekommen. Da finden unsere Luftballons reissenden Absatz.

Es dunkelt bereits, als der Schlosser endlich die tief im Gewinde abgerissene Schraube herausgefuzzelt hat. Die Lichtmaschine baut Max erst morgen ein. Das ist aber auch kein wirklich grosses Problem, fährt doch Grisu auch ohne. So machen wir uns wieder einmal auf den Weg in die Auberge Sahara und fahren halt nur mit Standlicht. Selbst am Straßenrand stehende Polizisten kümmern sich nicht darum, ob unser Licht funktioniert. Ist uns auch ganz recht, irgendwelche Scherereien können wir auch wirklich nicht brauchen.
Beim Duschen merken wir, wieviel Dreck sich am heutigen Tag angesammelt hat. Daheim würden wir wahrscheinlich erst nach zwei Wochen Aufenthalt in einer Schottergrube soviel Staub in Lungen und Haaren haben (von wegen Feinstaub-belastung!)
Wieder einmal sind wir sehr froh, in unserem Grisu unser eigenes Bett vorzufinden und schlafen um 23.30 Uhr bei immer noch 28° C ein. Aber das ist noch kühl im Vergleich zur gestrigen Nacht, als um 11 Uhr nachts das Thermometer 32 Grad angezeigt hat.

9.3.2006:
Die Sicht ist heute in der Früh ein wenig besser als in den letzten Tagen. Der blaue Himmel ist zu sehen, was gestern nicht der Fall war.
Am Vormittag baut Max die Lichtmaschine wieder ein und hofft, dass es das letzte Mal in seinem Leben sei. Wirklich Spass macht die Arbeit bei dieser Hitze nicht, aber was nützt es? Der Hanomag hat zwar eine Handkurbel zum Starten, aber mehrmals täglich solche Anstrengungen möchten wir dann doch lieber vermeiden.
Heidi ist wieder einmal mit einem ihrer Hobbies beschäftigt: sie kocht. Nicht, weil sie Hunger hat, sondern das eingekaufte Gemüse vom Markt muss schleunigst verarbeitet werden: Tomaten, Karotten, Kartoffeln und Paprika halten sich durch die Wärme und staubtrockene Luft nicht sonderlich lange.

Als dann Grisu wieder heil ist, nehmen wir mit den Deutschen ein Taxi zum Fischmarkt am etwa 5 km entfernten Strand. Es ist dort nicht so viel los, wie wir erwartet hätten. Dennoch bietet sich uns ein farbenfrohes und lebhaftes Bild, als Fischerboote anlanden und ihren Fang ausladen. Die Frauen teilen die Fische und sonstigen Meeresfrüchte untereinander auf.

Darunter finden sich auch einige kleine Rochen und Haie (wohl unerwünschter Beifang) sowie Muscheln bis zur Größe einer Wassermelone! Diese haben sehr festes Fleisch und sind z.T. farbig getupft. Ein Fischer erklärt uns, daß so eine Muschel Mahlzeit für 2 Tage bedeutet.

Auch riesige Fische von schätzungsweise 50-60 Kilo werden gehandelt, geschuppt, filetiert und verkauft. Das alles in der Hitze, unter tropischer Sonne, ohne Kühlung! Trotzdem riecht es nicht so streng, wie man das vermuten könnte. Liegt das an der Frische des Fangs oder haben sich unsere Nasen schon so an die verschiedensten „Düfte“ gewöhnt?

Der Tag klingt erneut beim algerischen Pizzabäcker aus – die Deutschen revanchieren sich damit für unsere Abschleppaktion – und wir suchen uns unweit davon eine ruhige Seitenstraße. Diese stellt sich am Morgen danach als ziemliche „Gstätt’n“ heraus, aber einen blumenduftenden Park haben wir ja in Nouakchott sowieso nicht erwartet.

10.3.2006:
Der Vormittag wird mit Fotos-auf-CD-Brennen im Internetcafé verbracht (irgendwie ist das USB Kabel zuhause liegengeblieben), erst für den Nachmittag haben wir uns bei Hans verabredet. So strawanzen wir noch ein bissl in der Stadt umher, mit der wir uns mittlerweile versöhnt haben. Wenn nicht gerade ein Sandwind durch die Straßen fegt, ist es ganz ok hier. Bizarr? Ja, definitiv! Schön? Nein! Ok eben.

Während wir bei Hans und Sylvie zum Essen eingeladen sind (Erwin, Hans2 und Sarah sind auch Gäste bzw. Volunteers) und leckere hausgemachte Vollkornpizza verspeisen, dürfen wir die Waschmaschine benutzen. Die Luft ist so staubtrocken hier, daß innerhalb von 3 Stunden zwei Ladungen gewaschen und auch trocken sind! Ein Wäschetrocknervertreter hätte in Mauretanien wohl einen schweren Stand 

Alle in diesem Haus sind unheimlich nett und gastfreundlich. Im Zuge der Gespräche erfahren wir viel Interessantes über die Arbeit in der Adventisten„mission“. Es wird neben Gemeindearbeit auch etliches für die Menschen in diesem Land getan (Schulausstattung, Milchpulverversorgung, etc.). Nach 30 Jahren Leben in Afrika wurden unserem Eindruck nach natürlich auch einige Illusionen über die Möglichkeiten einer substantiellen ökonomischen Weiterentwicklung der hiesigen Bevölkerung über Bord geworfen. Aber Hand aufs Herz – wen wundert’s?

11.3.2006:
Nach einem reichhaltigen Frühstück mit selbstgebackenem Brot, Joghurt und Hirsebrei verabschieden wir uns von Sylvie, Hans und ihren Gästen.
Wieder mal werden am Markt Lebensmittelvorräte aufgefüllt und Heidi läßt sich in einem (diesmal wirklich europäischem Standard entsprechenden) Salon die Haare schneiden und färben. Das Resultat kann sich wirklich sehen lassen!

Dann nix wie raus aus der Stadt. Keinerlei Wegweiser – man scheint Richtungspfeile hier nicht für nötig zu halten – aber mittels Kompass finden wir auch so die Ausfallstraße nach Nordosten, Richtung Atar.

Es ist furchtbar heiß, an die 40 Grad im Schatten und Heidi kühlt die Fußsohlen im Fahrtwind …

… nachdem sie Grisu das erste Mal gelenkt hat.

Eine Zeitlang begleiten uns kleinere weiße Dünen entlang der Straße, dann wird’s eintönig und wir suchen uns bald einen Platz, an dem wir Grisu mal wieder so richtig vom Stadtdreck säubern können und unsere heilige Ruhe haben: Kein Minarett samt Muezzin, keine nachts bellenden Hunde weit und breit.
Lediglich zwei halbwilde Esel besuchen uns bei Nachtanbruch. Sie sind aber sogar zu scheu, unseren Bio-Abfall anzunehmen.

Das Aufheizen des Duschwassers können wir uns heute zum erstenmal sparen, das Wasser im Tank hat locker Badetemperatur.

12.3.2006:
Es macht sich für ein luftiges Frühstück und angenehme Nachttemperaturen bezahlt, dass Grisu in seinem früheren Leben als Feuerwehrauto fungierte. Die Rolläden lassen sich blitzschnell aufrollen und so ist nicht nur frische Luft, sondern zudem auch noch eine optimale Aussicht gewährleistet. Wir hören grad in den Wetter-nachrichten, daß in unserer Heimat erneut Schneefall eingesetzt hat. Kaum zu glauben, zeigt unser Thermometer doch bereits in der Früh 25 °C – so ist halt der Unterschied zwischen Salzburg und Mauretanien …

Auf der Fahrt bis Akjoujt, einem kleinen Nest mit Kupfermine, begegnen uns nur diese beiden weissen Kamele. Die Mutter stupst immer wieder ihr Junges weg von Max, um sich zwischen ihn und das Kleine zu drängen. Nur einmal gelingt ein Schnappschuss mit den beiden besonders Schönen.
30 km nach Akjoujt verlassen wir die asphaltierte Strasse, begeben uns weg von der Zivilisation und gelangen auf meist sehr gut fahrbarem Reg (Sand mit Kiesauflage) in eine wunderbare Dünenlandschaft. Erst sind es nur kleine, einzelne Dünen mit dazwischen aufragenden Sodomsapfelbüschen, dann gelangen wir an den Erg Amatlîch, einen riesigen Dünenzug, der sich über fast 100 km quer zu unserer Route legt.

Diese Sandberge müssen wir irgendwie durchqueren und es stellt sich als richtig heraus, dass es – wie beim Kartenstudium zuvor vermutet – einen kleinen Durchlass gibt. Bei glühender Hitze erkunden wir diese Möglichkeit erst per Pedes, dann wird ordentlich Luft aus den Reifen gelassen und Max steuert Grisu durch den weichen Sand. Einige Male ist es nötig, die Sandbleche prophylaktisch zu legen. Der Schweiss rinnt in Strömen und die Trinkwasservorräte reduzieren sich radikal.

Dafür werden wir nach der Passage mit einem traumhaft kitschigen Nachtplatz belohnt.

Mit einer Dünenkletterei bei Sonnenuntergang beschliessen wir den Tag und Heidi kann nun besser nachempfinden, weshalb es Max immer wieder in die Wüste zieht……

13.3.2006:
Wir machen am Vormittag noch eine kleine Wanderung am Fusse der Dünen und kommen erst um ½ 11 Uhr weiter. Es geht gut voran, bis sich uns nach wenigen Kilometern die nächste Dünenkette quer stellt. Oops…. damit haben wir nun nicht gerechnet. Die Karte zeigt auch nix davon. Es stellt sich heraus, dass hier der schwierigste Teil erst beginnt! Die Luft flimmert nicht – sie kocht. Das Wasser in unseren Trinkflaschen hat etwa 35° C. Es beginnt ein nicht endenwollender Kampf gegen weiche Dünen, steile Aufstiege und Brandblasen vom glühenden Sand und heissen Sandblechen.

Schaufeln, Bleche legen, Schaufeln ………………. so vergeht der ganze Tag und zu guter Letzt haben wir uns auch noch ziemlich verfranst. Spuren sind nämlich längst keine mehr erkennbar, nur zeitweise können wir alte Reifenabdrücke ausmachen, aber die ständig wandernden Dünen machen ein Weiterkommen entlang dieser Spuren unmöglich. Das GPS bietet ebenfalls nur wenig Hilfestellung, da der nächste Wegpunkt kilometerweit entfernt ist.
Wir gehen immer wieder viel zu Fuß, um eine fahrbare Passage zu finden und diese mit Markierungen zu versehen. Am Abend finden wir uns jedenfalls in einem Sandmeer wieder, durch das wir uns tagelang kämpfen mussten. Also kehren wir um und bei einbrechender Dunkelheit geht Max nochmal auf Wegsuche.

Wir sind von der ungewohnten Anstrengung und der unglaublichen Hitze fix und fertig!

14.3.2006:
Wir stehen extra frühzeitig auf, um die etwas kühleren Morgenstunden zu nutzen, um endlich aus den Dünen rauszukommen. Doch bevor es so weit ist, heisst es noch stundenlang schaufeln, Bleche legen, schaufeln. Die Archillesferse auf dieser Reise bleibt die Lichtmaschine: Diesmal ist es nicht die Halterung, sondern die Schrauben der Mitnehmerscheibe reissen tief im Gewinde ab. Ab jetzt heisst es Strom sparen, denn die Solarzelle am Dach von Grisu liefert nicht genug, um auch noch die Starterbatterie mit zu versorgen.

Trotz all der Anstrengungen bietet die Wüste immer wieder sensationelle Ausblicke und wir werden mit Panoramen wie aus einem Bildband belohnt.

Endlich, nach Mittag, erreichen wir nach einem langgezogenen Sandfeld ein festes Reg. Wir haben’s geschafft – der Erg Amlatîch ist durchquert! Für die nächsten 30 km brauchen wir nur eine gute halbe Stunde – was für ein Unterschied zur selben Distanz, die jetzt hinter uns liegt. Auch nach dem Reg geht es einigermassen zügig voran und wir wollen nur noch über einen kleinen Hügel, um uns ein Plätzchen zu suchen. Die Überraschung ist groß, als dahinter Hütten sichtbar werden. In Tenemrurit, so heißt das Dorf,  werden wir von den Bewohnern mit großem Hallo begrüsst. Scheinbar ist es selten der Fall, dass sich hierher ein Auto verirrt (die Tage davor sind wir ja auch keiner Menschenseele begegnet).
Freundlich-zurückhaltende Menschen, von denen zwei Erwachsene Französisch sprechen, breiten sofort verschiedenste Handarbeiten vor uns aus und wir kaufen ihnen steinzeitliche Beile und eine Holzschale sowie ein bemaltes Stück Kamelleder ab. Die Begeisterung ist groß, als wir einige Fotos mit der digitalen Kamera schiessen und ihnen dann diese Bilder zeigen. Eine Einladung zum Tee schlagen wir aus. Zu groß ist unsere Müdigkeit und auch der Hunger macht sich bemerkbar. Nachdem wir am Dorfbrunnen Wasser geholt haben (man füllt unseren Kübel netterweise schneller, als wir schauen können), schlagen wir einige Kilometer vom Dorf entfernt unser Nachtlager auf, was aber nicht heißt, daß wir damit unsere Ruhe hätten. Man ist uns gefolgt und beschließt spontan, uns einen Tanz vorzuführen. Gegen Gebühr, versteht sich. Wir lehnen dankend ab und fallen müde in die Kiste.

15.3.2006:
Obwohl wir auch in dieser Nacht wegen der Hitze nicht gut schlafen, werden wir zeitig wach, denn Stimmen nähern sich. Bereits um 7 Uhr morgens finden sich Kinder und Frauen sitzend vor Grisu, die wieder versuchen, uns einige ihrer Handarbeiten zu verkaufen und eine Schüssel Ziegenmilch anbieten. Wir werden auch um Medikamente gebeten, sei es gegen Kopfschmerzen, Hautausschläge oder Trachome. Wir tun, was wir können und Heidi träufelt einem protestierenden Säugling Augentropfen ein. Wir fühlen uns wie Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen!

Zu guter Letzt spielen wir für Vater und Sohn auch noch Taxi zum nächsten Dorf El Meddah und die beiden eignen sich hervorragend als Sandblechschlepper 🙂

Die Einladung zum Essen in ihrer Hütte nehmen wir gerne an und bis es endlich soweit ist, vergehen einige Stunden, die mit Teetrinken und Palavern verkürzt werden. Dann wird Reis und Gemüse serviert und wir verbringen die heißesten Stunden im Schatten, wo’s ja immerhin auch noch gut 40 Grad hat.

Auf der Weiterfahrt mit wieder reduziertem Reifenluftdruck gibt es kaum Probleme, nur ein Ventil beim Reifen gibt langsam den Geist auf. Zum Reifen wechseln haben wir allerdings keine große Lust und hoffen, daß wir es mit Allahs Hilfe noch bis Atar schaffen, wenn wir immer wieder Luft nachpumpen.

Je weiter wir uns Atar nähern, desto aufdringlicher werden die Versuche, uns was zu verkaufen oder zu betteln und schön langsam reicht’s uns. Das Kraut ausgeschüttet haben aber 3 Burschen, die uns nachts – nachdem wir ihre Forderungen abgelehnt haben – Steine nachwerfen und den armen Grisu auch treffen. Gottseidank entsteht außer einer kleinen Delle kein größerer Schaden.

16.3.2006:
Heute liegt ein etwas steiniger Abschnitt vor uns. Die Piste zwingt zu langsamer Fahrweise. Um unser nächstes Etappenziel, die Oase Terjit zu erreichen, müssen wir eine steile, befestigte Abfahrt bewältigen und kurz danach stehen wir im angenehmen Schatten einer großen Felswand, wo wir 2 Franzosen treffen. Auch ein müder, beinmaroder Esel steht hier, der zwar mit Genuß unsere trockenen Brotreste frißt, seltsamerweise aber das ihm dazu gereichte Wasser ignoriert. Das wunderschön von Felsen und Dünen eingerahmte Wadi El Abiod, dem wir nun folgen, wird weichsandig. Trotzdem bleiben wir nicht mehr stecken und erreichen in einem weiteren Seitental die Schlucht von E-n-Toûrfîne-El-Beida. Hier geht’s dramatisch zwischen Felswand und Düne bergauf, es bleibt gerade eine Fahrzeugbreite Platz. Ausgerechnet hier hören wir aus dem Motorraum plötzlich ein beunruhigendes Geräusch: Der Lüfterkeilriemen ist gerissen. Wie immer bei unseren Pannen, ist aber auch das kein grosses Problem, findet sich doch in der riesigen Ersatzteillagerkiste auch ein neuer Riemen. Er ist zwar etwas länger als das Original, wird aber für eine Weiterfahrt halten (insh’allah!). In Atar werden wir nach einem besser Passenden Ausschau halten.

Die Nachtplatzsuche erübrigt sich heute, da wir gleich nach 100m stehenbleiben können bzw. müssen (das Kühlerwasser kocht fast augenblicklich). Das kann uns kaum aus der Ruhe bringen und recht viel schöner kann’s sowieso nicht mehr werden.

Leider bleibt die Suche nach einem Brunnen erfolglos – schön langsam wird das Wasser knapp.

17.3.2006:

Der noch einigermaßen erträglich kühle Morgen wird genutzt, um den Keilriemen zu wechseln. Dann ist nicht nur beim defekten Reifen Luft nachpumpen notwendig, denn Grisu muss zu Beginn ziemlich steinige Anstiege bewältigen.
Dadurch läuft der Motor längere Zeit im Leerlauf und stirbt dann ab. Eigentlich ist das kein Problem, das hat er öfters. Heute will und will er aber nicht anspringen und auch die seit Tagen nicht mehr nachgeladene Batterie zeigt erste Anzeichen eines Streiks. Erst nach einigen Griffen in die Trickkiste hören wir das vertraute Nageln des kalten Diesels. Noch mal gutgegangen!

Die sogenannte Piste schlängelt sich jetzt durch ein Bachbett auf ein Plateau hinauf und zeitweise sind wir gezwungen, Steine aus dem Weg zu räumen oder tiefe Löcher in der Piste mit Steinen aufzufüllen. Dafür belohnt uns die Berglandschaft mit atem-beraubender Schönheit.
Oben auf dem Plateau sind wir zum ersten Mal seit Tagen auf einer deutlich sichtbaren Hauptpiste. Dieser folgen wir bergab und nach wenigen Kilometern durch herrlichste Saharalandschaften stehen wir vor der Oase Terjit. Am oberen Ende einer engen Schlucht bietet sich uns ein paradiesisches Bild: kühles Wasser tropft direkt aus den Felswänden, das dichte Blätterdach der Dattelpalmen schützt vor der sengenden Sonne, Vögel zwitschern und ein kleiner Bach findet im sandigen Boden seinen Lauf. Es herrscht eine solch angenehme Temperatur, daß wir spontan beschließen, einen vollen Ruhetag einzulegen. Das haben wir uns nach den Strapazen der letzten Tage redlich verdient.

Hier gibt es ein kleines Camp und sogar ein gemauertes Schwimmbecken, in dem wir uns räkeln und unserer ausgetrockneten Haut eine ordentliche Portion Feuchtigkeit gönnen.

Das erste Mal seit unserer Abreise tauschen wir unser Bett im Grisu gegen ein Nomadenzelt.

18.3.2006:
Am Morgen machen wir eine kleine Wanderung und erforschen die herrliche Umgebung der Oase, bis es zu heiß wird und wir wieder in die feine Kühle unter den Palmen flüchten. Wir treffen auf eine kleine Karawane, die in 6 Tagen aus Chinguetti hierhergewandert ist.

Der Großteil des Tages wird dann mit süßem Nichtstun, Lesen, Schlafen und Baden verbracht. Schön langsam füllen sich unsere Energiespeicher wieder.

Am späten Nachmittag brechen wir unser Lager ab. Die 15 km Wellblech-Pistenfahrt bis zur von Nouakchott kommenden Asphaltstraße führen durch kleinräumige Bilderbuchlandschaften mit in Schluchten und Berghänge eingewehten Dünen. Dann, auf den restlichen 35 km bis Atar (o herrlicher Asphalt!), sind es dann weite, sandlose Canyons, die an Colorado oder Utah erinnern und das Auge schweifen lassen.

Dann sind wir endlich in der kleinen Stadt Atar. Der erste Weg führt zur Tankstelle (mehr wegen dem Wasser als dem Sprit), der zweite zum Reifenflicker, der den Schlauch ratzfatz wechselt (Reserve hatten wir natürlich dabei) und der dritte in ein kleines Restaurant. Aber für uns Fleischverweigerer gibt’s herzlich wenig Auswahl und so landen wir bei Omelett mit Pommes Frites. Wir hatten uns das zwar ein wenig anders vorgestellt (wie haben wir in den letzten Tagen von Atar geschwärmt!), aber zum Selberkochen haben wir heute keine Lust mehr.
Der nette Besitzer des Restaurants hat übrigens 8 Jahre lang in Frankfurt gearbeitet und begrüßt uns auf Deutsch …

20.3.2006:
Wir haben etwas außerhalb übernachtet und bringen das Fahrzeuginnere erstmal auf Vordermann. Dann zum schön angelegten und sauberen Camping Bab Sahara. Heidi übernimmt (klassische Rollenverteilung!) das Wäschewaschen und Max kümmert sich um Grisu’s Wehwehchen. Die Mitnehmerscheibe der Lichtmaschine wird ausgebaut um die abgerissene Schraube rauskitzeln zu können und die Keilriemen so lange hin- und hergetauscht, bis an jeder Stelle ein passender Riemen sitzt.
Mal schau’n wie lang das ganze hält!

Dazwischen immer wieder Plaudereien mit Reisenden am Campingplatz und mit einem besonders netten spanisch-venezuelanischen Pärchen veranstalten wir ein spontanes Tapa-Happening, an dem dann der halbe Campingplatz teilnimmt.

Günter und Gundi aus München kommen dafür leider zu spät, die beiden haben einen speziell wüstentauglichen Unimog, bei dessem Anblick Max das Wasser im Mund zusammenläuft …

Leider fährt niemand in Richtung Tidjikja, unserem nächsten Ziel. Wir hätten für diese lange Strecke gern ein Begleitfahrzeug an unserer Seite.

21.3.2006:
Gestern abend kam noch ein Spezialist vorbei, um unseren nicht mehr ordentlich funktionierenden Kühlschrank zu inspizieren. Eine ordentliche Reinigung des Gasabluftbereichs wurde dem Patienten verordnet – gewusst wie! Ob er dann besser kühlt, wird sich noch herausstellen.

Ärgerlich ist kurz vor unserer Abreise nach Chinguetti die Abrechnung des Camping-platzbesitzers: Es werden uns 2.000 Ouguiya (6 Euro) für Strom verrechnet. Angeblich hätte unser Laptop soviel gebraucht, einfach lächerlich!

Die Planung unserer Route erfordert wieder einmal, für einige Tage Lebensmittel zu bunkern. Am Markt gibt es nach langer Suche brauchbares Obst und Gemüse. Sogar Mangos werden in den kommenden Tagen unseren Speiseplan bereichern.
Die Fleischhauereien in Mauretanien spotten übrigens jeder Beschreibung. Da würde auch der eingefleischteste Steakesser freiwillig zum Vegetarier!

Dann geht’s auf 85 km guter Piste Richtung Chinguetti. Der steile Anstieg auf ein Plateau (Pass von Amogjar) ist sogar asphaltiert und so können wir in Ruhe unsere Blicke schweifen lassen.

In der Oasenstadt Chinguetti führt uns ein Einheimischer zu einem Privathaus, in dem wunderbare, teilweise 2000 Jahre alte Schriften aufbewahrt werden. Einige Bücher sind auf Gazellenhaut geschrieben!

Der Ort war früher nicht nur Karawanentreffpunkt, sondern auch eine Hochburg des Wissens. Davon zeugen bis heute die vielen Privatbibliotheken, die wir in gut erhaltenen Häusern besichtigen können. Diese sind mit Palmholztüren und gefinkelten Türschlössern gesichert.

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die nur aus Natursteinen erbaute Moschee …

Wir fahren dann noch ein paar Kilometer aus dem Ort raus, immer entlang des weichsandigen Oued Chinguetti, und übernachten.

22.3.2006:
Diese Nacht war wie die beiden vorherigen wieder relativ kühl. Ein Nordwind bringt angenehmere Temperaturen mit sich und hat die drückende Hitze vertrieben.

Nach dem fast schon obligaten Nomadenbesuch am Morgen (der Kamelhirte wurde von einem ganz besonders anhänglichen Fliegenschwarm begleitet) genießen wir unser Müesli dann unbelästigt und starten schon relativ früh los. Wir haben ja auch einiges vor. Auch ein Teil der heutigen Route ist Etappe der Dakar-Rallye, aber bei uns geht’s nicht so sportlich-rasant zu. Es wäre ja auch wohl das Ende von Grisu, wenn wir ihn mit hundert Sachen über Stock und Stein jagen würden. Ganz abgesehen davon, daß die Höchstgeschwindigkeit des Hanomag auf gerader, ebener Fahrbahn (!) ja auch nur heisse 76 km/h beträgt …

Die Piste bleibt weich, bis wir einen kleinen Pass über den Jebel Zerga überwinden. Kurz danach kommen wir zu einem Krater mit einem Durchmesser von ca. 700 m, der von schön gefärbtem Sandstein eingerahmt und von einigen Büschen bewachsen ist. Wir machen eine kleine Wanderung ins Zentrum des Kraters.

Die Piste wird jetzt immer steiniger und bei einer steilen Plateauauffahrt geradezu ruppig. Kaum zu glauben, dass diese einsame Strecke als Route Nationale Nr. 4 in den Karten bezeichnet wird. Grisu muss wieder einmal all seine Kletterkünste beweisen.

Danach geht’s zeitweise flotter weiter und endlich darf auch wieder mal der 3. Gang mitmischen. Das ständige Geholpere zuvor hat ganz schön an unseren Nerven gezehrt.

Landschaftlich bietet der heutige Tag keine besonderen Highlights. Für dieses sorgen wir selbst, und zwar mit einem leckeren Abendessen in völliger Pisteneinsamkeit (von den vielen Fliegen mal abgesehen).

23.3.2006:
Die Piste ist nichts für zart besaitete Gemüter, aber heute bietet die Landschaft mehr fürs Auge als gestern. Barchandünen auf dunklem Untergrund wechseln sich mit bizarren Felsen ab. Ausserdem laufen uns mehrere Skinke über den Weg, die durchaus wohlgenährt scheinen. Auch ein kleiner Fennek (Wüstenfuchs) flüchtet vor dem Grisumobil. Wir können ihn dabei gut beobachten.

Unterwegs begegnen wir auch einigen Nomaden, die steinzeitliche Pfeilspitzen und Beile zum Kauf anbieten. Es kommt zu Verhandlungsgesprächen auf Hassaniya und danach sind beide Seiten zufrieden.

Für die gut 100 km sind wir über acht Stunden unterwegs, denn mehrmals müssen wir wegen des wechselnden Untergrundes den Luftdruck in den Reifen erhöhen bzw. reduzieren. Kein Vergleich zur Dakar-Rallye 

24.3.2006:
Auch heute scheuchen wir einen Fennek auf. Leider ist er viel zu flink, um ihn fotografieren zu können.

Der Untergrund ist sandig, aber meist gut zu fahren und wir kommen einigermaßen flott voran. Einige Dünen umkurven wir wieder und manchmal geht es sehr ruppig von einem Tal ins nächste. Bei einem dieser Übergänge stoßen wir auf einen liegengebliebenen Pajero einer Dakar-Rallye.

Viel ist vom Auto nicht mehr übriggeblieben. Schade – so richtig schöne Schalensitze z.B. hätten gut ins Grisu gepaßt …

Immer wieder begegnen wir in den grüneren Wadis Nomaden. Diese zwei jungen Schönheiten kennen keine Zurückhaltung und sind blitzschnell an Max’ Autofenster dran. Und das ausgerechnet heute, wo er ausnahmsweise oben ohne unterwegs ist. Gut, daß Heidi dabei ist! 

Der Wind dreht auf Ost und die Hitze steigt wieder, nachdem in den letzten Tagen das Thermometer kaum über die 40° Marke gestiegen ist. Es sind die Tage, in denen wir ohne Hitzezufuhr problemlos Joghurt produzieren können (dazu braucht’s eben diese 40 Grad) und die Nächte, in denen wir nur mit nassen Handtüchern bedeckt schlafen. Das kühlt schön.

Heute machen wir schon bald Feierabend, denn wir sind an einem besonders schönen Platz angelangt: das Guelta (Wasserloch) von Taoujafet, das von dunklen Granitfelsen und sattrotem Sand eingerahmt ist, bietet den Bewohnern Lebensgrundlage für Palmgärten, Gemüse- und Viehzucht.

Der Dorfälteste führt uns zu Felsmalereien oberhalb des Oueds und wir kommen gerade recht, um Kamelen beim Wassersaufen zusehen zu können.

25.3.2006:
Der Tag beginnt mit der Bezwingung einer relativ hohen Düne und dann trennen uns nur noch etwa 80 km von Tidjikja. Diese sind die schönsten der gesamten 450 Pistenkilometer. Wir fahren über weite Strecken im Oued Rachid, das farbig und kontrastreich durch schönste Saharalandschaften führt.

Immer wieder fliehen Ziegen- und Kamelherden vor Grisu, der sich lautstark durch den teilweise tiefen, manchmal rötlichen, dann wieder fast weißen Sand kämpft.

Auf der gesamten Route von Chinguetti bis Tidjikja ist uns nur ein einziges Auto begegnet – in 4 Tagen!

Unser Erlebnis mit Steine werfenden Kindern vor einigen Tagen sollte nicht das Einzige dieser Art sein. Auch bei der Ortseinfahrt nach Tidjikja kriegen wir einen Stein ab. Diesesmal hat es Folgen. Max springt aus dem Auto und nimmt sich den Kleinen kräftig zur Brust. Er kriegt ein paar hinter die Löffel und wird ins Auto verfrachtet, um ihn zur nächsten Polizeiwache zu bringen. Jetzt herrscht grosse Aufregung bei den Erwachsenen (was beim Steinewurf nicht der Fall war)! Nach einigem Palaver rücken wir den Schreihals wieder heraus und melden den Vorfall der Gendarmerie.

Als wir gerade an der Tankstelle sind, kommt eine  Meute Erwachsener und blockiert unseren Weg. Es wird verlangt, dass wir zur Polizei mitkommen, wo wir knapp zwei Stunden verbringen. Der Lausbub ist der Neffe eines Gendarmeriebeamten, deshalb wird versucht, aus der „gsund’n Watschn“ ein Problem zu machen. Die Rangobersten verhalten sich jedoch neutral und wir können gehen.

Kurzer Einkauf am schlecht sortierten Markt, dann fahren wir einige Kilometer raus zum übernachten.

26.3.2006:
Nach 100 km Asphalt (welche Wonne) haben wir eine Reifenpanne. Also wird das Reserverad doch noch zum Einsatz gebracht.

Der kaputte Reifen (leider ist die Karkasse beschädigt) wird im nächsten Ort notdürftig repariert. Von dieser Ortschaft (Nbeika) haben wir schon in Taoujafet gehört. In einem nahen Guelta sollen noch einige der letzten Saharakrokodile leben – das können wir uns natürlich nicht entgehen lassen! Wir finden das Guelta auf der 1:200.000er Karte und das GPS lotst uns auf die richtige Piste, die ca. 20 km teilweise tiefsandig durch zunehmend dichtes Buschwerk führt.

27.3.2006:
Am Morgen machen wir uns zu Fuß auf den Weg an einigen Häusern vorbei und durch Palmgärten. So idyllisch das klingt – es ist verdammt heiss und die nächsten zwei Stunden werden wir ordentlich schwitzen. Ein Palmbauer ist schnell überredet, uns zu begleiten und seine Arbeit liegen und stehen zu lassen. Die Einheimischen hier wissen natürlich alle, wo genau man die Krokodile finden kann. Wir wandern das verblockte Oued immer weiter bergauf und je höher wir kommen, desto mehr Wasserlöcher tauchen auf.

Wir beobachten sogar Fischer, wie sie Welse von einer Größe von bis zu 3 kg aus einem scheinbar flachen Guelta holen und vermuten, dass diese Fische auch die Nahrungsgrundlage der Krokodile bilden könnten.

Die Sonne prügelt von einem wolkenlosen Himmel und wir machen mehrmals Halt.

Die Piste wird jetzt immer steiniger und bei einer steilen Endlich erreichen wir die Stelle, an der laut unserem Guide Mohammed Krokodile leben. Aber wo sind sie? Sie lassen sich nicht blicken. Angeblich kämen sie erst am späteren Nachmittag aus dem Wasser, um sich zu sonnen. Wir entlohnen Mohammed und schicken ihn wieder zurück zu seinen Palmen, während wir uns ein schattiges Fleckchen oberhalb des Gueltas suchen, um gute Sicht auf die Uferbereiche zu haben. Dort haben wir unglaubliches Glück, denn tief in einer Felsspalte finden wir auch ein Rinnsal, das unsere Wasserprobleme löst. Wir hatten nämlich nicht mit einer so langen Wartezeit gerechnet.

Das Warten lohnt sich aber, denn während einer Kraxelpartie kann Max durch den Feldstecher zwei dieser ca. 2 ½  m langen urzeitlichen Reptilien ausmachen. Eines davon räkelt sich am Ufer, das andere ist im flachen Wasser zu sehen. Schnell wird Heidi geweckt (sie macht ihren wohlverdienten Mittagsschlaf) und gemeinsam versuchen wir, uns über den derzeit trockenliegenden Wasserfall näher heran zu pirschen. Leider haben sich bis dahin beide ins Wasser zurückgezogen und obwohl wir noch lange mit gezückter Kamera warten, kommen sie nicht mehr ans Ufer. Durchs Fernglas können wir sie aber noch weiterhin gut beobachten.

Es ist wissenschaftlich noch nicht erwiesen, dass es sich bei den Saharakrokodilen um eine eigene Spezies handelt. Sicher scheint, dass es sich um Reste einer Population handelt, die durch die zunehmende Ausbreitung der Wüste vor tausenden Jahren isoliert wurde. Eine mögliche genetische Verwandtschaft mit den Nilkrokodilen oder denen Zentralafrikas wäre interessant zu erforschen. Wir haben aber andere Probleme, müssen in der Nachmittagshitze zurückmarschieren und erreichen ziemlich erschöpft den brav auf uns wartenden Grisu.

Die folgende Nacht wird die heisseste bisher: in der Nacht kommt ein starker Wind auf, der die Temperatur auch um 3 Uhr morgens nicht unter 33 Grad sinken lässt.

28.3.2006:
Der Wind wird immer stärker und treibt einiges an Sand vor sich her. Es ist noch kein ausgewachsener Sandsturm, aber uns langts auch so. Die Sichtweite beträgt zeitweise keine 50 m und wir sind froh im Grisu zu sitzen und nicht in einem Nomadenzelt.

Nach Erreichen der Asphaltstrasse werden ordentlich Kilometer gemacht. Bei Aleg erreichen wir – nahe des Senegalflusses – den südlichsten Punkt unserer Reise und das Thermometer kratzt an der 45 Grad Marke im – nicht vorhandenen – Schatten. Jetzt geht’s zurück nach Marokko, insh’allah!

29.3.2006:
Kurz vor Nouakchott steigt Max auf die Bremse – wir haben links der Straße einen Viehmarkt entdeckt und dieses lebhafte Treiben wollen wir uns natürlich genauer anschauen. Es wird von Hühnern über Ziegen, Schafen und Zeburindern bis hin zu Kamelen alles angeboten, was vier Beine hat, eßbar ist und die mauretanische Wüstensonne erträgt.
Max schüttelt wieder einmal -zig Hände (er wird nicht für einen Handelspartner in Bezug auf Heidis Eintauschwert gehalten, sondern eher für einen potentiellen Kamelersteigerer) Der Anblick eines soeben auf der Ladefläche eines Pickups angekommenen jungen Kamels verdirbt uns beinahe den Appetit aufs Mittagessen und wir verschwinden wieder.. Dem Kamel ist nämlich während der Fahrt schlecht geworden und wir ersparen uns jetzt die detaillierte Beschreibung der darauffolgenden Aktionen …

20 km weiter sind wir mitten in Nouakchott. Verkehrsgewühl, Hupen, jede Menge Menschen – wir sind das gar nicht mehr gewöhnt!
Wir lassen Grisu bei Sylvie stehen (Hans ist auf Tour in Bogué), werden herzlich mit einem Essen empfangen und dürfen noch mal die Waschmaschine benutzen. Dann marschieren wir ins Internetcafé, wo wir 2 Stunden verbringen: Es gibt jede Menge aufzuarbeiten und wir freuen uns besonders über das positive Feedback zu den Reiseberichten.

Länger wollen wir uns nicht mehr in dieser Stadt aufhalten. Wir kaufen noch jede Menge Obst ein (endlich gibt’s wieder alles in Hülle und Fülle, außerdem ist in Mali gerade Mangoernte!) und fahren im Dunkeln noch gut 100 km nach Norden. Die Nacht an der Küste ist angenehm frisch, etwa 10 Grad kühler als im Landesinneren.

30.3.2006:
Kilometerfresstag.

Wir treffen Grisu’s 3 Jahre jüngeren Bruder! Ein Hanomag AL28 kommt uns auf einsamer Landstraße entgegen und beide Fahrer hüpfen auf die Bremse. Marion und Frank aus Gießen sind ebenfalls seit 2 Monaten unterwegs und es wird ein wenig gefachsimpelt.

Ohne Nouadhibou nochmal anzufahren, steuern wir gleich die Grenze an und in einer halben Stunde sind alle Formalitäten auf mauretanischer (auf dem Foto die Hütte des mauretanischen Zolls) und auf marokkanischer Seite erledigt. Super!

Wir sind zurück in Marokko und freuen uns auf die hoffentlich etwas entspannteren Wochen, die vor uns liegen. Vor allem aber auf Menschen, die nicht zuerst mal die Hand aufhalten und uns die Ohren mit „Cadeau! Cadeau!“-Rufen vollsingen.

31.3.2006:

Die Sehnsucht nach Erfrischung ist groß und als die Straße ans Meer führt, baden wir an einem völlig einsamen, flachen Strand. Das durch die Wellen aufgewühlte und trübe Wasser hat vielleicht 19° C, aber es ist eine willkommene Abkühlung.

Fürs Schwimmen müssten wir weit raus waten, das wird uns aber durch den felsigen Untergrund verleidet.

300 km nach der Grenze besuchen wir an der Wasserstelle von El Argoub unseren alten Freund Mohammed, der uns mit großer Wiedersehensfreude begrüßt. Wir erzählen ihm in Kürze, wie es uns in Mauretanien ergangen ist und bleiben noch zum Tee.

Als wir um die große Bucht von Dakhla fahren und die Stadt erreichen, beginnt es bereits zu dämmern. Dakhla ist blitzsauber, die Menschen gut gekleidet und ein großer Triumphbogen empfängt uns bei der Einfahrt. Der Unterschied zu den Städten Mauretaniens könnte kaum größer sein.
Wir brauchen unbedingt marokkanische Dirhams, denn an der Grenze gab es keine Wechselstube (bei der Tankstelle im Süden konnten wir mit Euros bezahlen). Beim dritten Anlauf an einem Bankomaten klappt es endlich. Max muss sich eine gute halbe Stunde in der Menschenschlange anstellen, denn es ist Freitag Abend und halb Dakhla scheint Geld fürs Wochenende zu brauchen.
Im Reiseführer wird ein gutes Fischrestaurant empfohlen und wir finden, sowas haben wir uns redlich verdient. Tatsächlich werden im „Samarkand“ unsere Erwartungen erfüllt: Eine nicht zu schaffende Fischplatte und die vielleicht besten Tintenfischringe unseres Lebens verdrücken wir mit großem Genuss.

1.4.2006:

Frühstück im Lavazza-Café mit Schokocroissants und Cafè latte – wir fühlen uns wie in Italien! Dann intensives Surfen im Internet, die Zivilisation hat uns wieder.

Die Markthalle bietet eine überbordende Fülle an Obst und Gemüse. Es macht Spaß, Oliven und Datteln zu verkosten, frische Gewürze wie Koriander und Petersilie zu bekommen und nach Herzenslust einzukaufen.

Wir beschliessen spontan, ein paar Tage am Strand ausserhalb von Dakhla auszuspannen, unsere inneren Batterien wieder aufzuladen, kurz gesagt: Urlaub zu machen.

Die Lagune bietet dazu einige wunderschöne Plätze. Das Wasser ist hier um einige Grad wärmer als an der ungeschützten Atlantiküste und wegen des geringen Wellengangs auch glasklar.

Der erste richtige Urlaubstag endet damit, dass Max mit Schüttelfrost und grippe-ähnlichen Symptomen im Bett landet. Das Nachlassen der Anspannung der vergangenen Wochen fordert seinen Tribut. Seinem Humor schadet das aber nicht, wie man sieht.

2.4.2006:

Ausgiebiger Sonnentag und weil Sonntag ist, teilen wir den Beach mit vielen marok-kanischen Familien. Wir ziehen es vor, den Einheimischen den Strand zu überlassen und genießen den Tag nicht direkt am Meer. So vertreiben wir uns die Stunden mit Lesen und so richtigem Faulenzen.

3.4.2006:
Zwei ruhige Tage liegen hinter uns und das genügt Max, er ist wieder gut erholt. Grisu’s Reifen werden unter die Lupe genommen und da kommt einiges zum Vorschein. Die steinigen Pisten der vergangenen Wochen haben einem Reifen ganz besonders zugesetzt. Ein Teil des Profils fehlt völlig. Nun wird wieder einmal der Reservereifen vom Dach geholt und der lädierte Reifen mittels Universalkleber und eines Gummistückes, das von einem am Strassenrand liegenden kaputten Autoreifens stammt, provisorisch ausgebessert. Heidi zweifelt anfangs, ob dies funktionieren kann …
Es besteht aber keine andere Möglichkeit – hier gibt’s diese Reifengröße nicht zu kaufen.

4.4.2006:
Nun heisst’s hoffen, dass die Weiterfahrt mit dem Reservereifen keine grösseren Probleme bereitet. Dieser wurde nämlich in den letzten 40 Jahren nicht benutzt und der Gummi ist dementsprechend brüchig. Aber da wir ja mehrere Kartuschen unseres Klebers mitführen, dürfte auch das kein Kopfzerbrechen bereiten. Mittlerweile sind wir ja schon geübt, was das Reifenwechseln betrifft …

Wir stoppen einige Kilometer vor Boujdour. Die Strecke bietet keine wirklich besonders schöne Landschaften, einzig die Steilküsten geben hin und wieder einen schönen Blick auf Sandstrände frei. Die Zufahrt zu solchen Stränden ist nur an wenigen Stellen möglich; bei einer solchen machen wir einen ausgedehnten Strand-spaziergang. Auch hier liegen einige gestrandete Schiffe und zahlreiche, besonders große Muscheln säumen das Meeresufer.

Wir nächtigen wieder einmal völlig einsam und ungestört.

5.4.2006:

Am Vormittag sitzen wir bei sommerlichen Temperaturen gemütlich beim Frühstück und können es kaum glauben, dass daheim der Frühling noch immer nicht Einzug halten will, wie wir im Radio hören. Das kleine Städtchen Boujdour wirkt sehr gepflegt und wir sehen seit langer Zeit auch wieder Parks und Grünflächen. Ein ausgiebiger Marktbesuch steht am Programm und danach freuen wir uns, Emails zu lesen und natürlich auch beantworten zu können.

Später erledigt Max eine bereits länger anstehende Arbeit: Grisu hat tausende von Kilometern abgespult, erwartet sich frisches Getriebeöl und das kriegt er auch. Auch der ausgebesserte Reifen ist wieder einsatzfähig, das Reserverad wird erneut aufs Dach gepackt und wie schon so oft wechselt ein Reifen den anderen ab. Aber damit ist’s noch nicht getan: Feuchter Sand unterm Auto und ein Blick unter die Motorhaube genügt, um zu sehen, dass da noch weitere Arbeit ansteht. Die Analyse: die Wasserpumpe ist undicht. Auch das noch! Aber zum Glück sind wir knapp vor Laâyoune und in dieser modernen Stadt werden wir wohl auch eine passende Werkstätte finden. Zuvor stoppen wir aber noch in Laâyoune Port und wollen in dieser fischreichen Gegend für unser Abendessen einkaufen. Um diese Zeit gibt’s leider keinen frischen Fisch mehr und so wählen wir eine kleine Fisch-Imbiss-Bude. Ein junger Marokkaner, Rachid, hat uns zuvor sehr freundlich angesprochen und begleitet uns. Im Zuge des Gespräches bietet er an, uns am nächsten Tag in Laâyoune eine passende Werkstatt zu zeigen. Er wirkt sehr nett und wir willigen ein, ihn in der Früh abzuholen.

6.4.2006:
Pünktlich wie vereinbart, treffen wir Rachid und fahren gemeinsam nach Laâyoune. Ein wenig unpassend finden wir, dass dieser junge Mann bereits am Morgen nach Whisky riecht. Er erklärt uns, er hätte grosse Probleme mit seiner Freundin und so ginge es ihm besser. Na ja, er muss es ja wissen.
Nach zahlreichen fehlgeschlagenen Versuchen eine Agentur zu finden, um eine Autoversicherung abzuschließen, landen wir endlich in der Werkstatt. Der ganze Nachmittag und der Abend gehen mit Aus-, Einbau und Reparatur der Wasserpumpe auf. Rachid mischt bei allen Reparaturen mit und bleibt selbstverständlich auch zum Essen. Zuvor hat Heidi wieder einen Markt gestürmt, auf dem frischer Fisch, Melonen und zuckersüsse Erdbeeren erhältlich waren. Rachid hat mittlerweile sein mitgebrachtes Fläschchen geleert und quatscht Heidi die Ohren voll. Unser Begleiter verhandelt mit den Mechanikern und verlangt 650 Dirham von uns. Das ist uns sehr suspekt. Aus seinem Vorhaben, uns übers Ohr hauen zu wollen, wird aber nichts. Max erledigt die Bezahlung (500 Dh) selbst und die Verabschiedung von Rachid erfolgt auf der Stelle. Endlich um 22.00 Uhr können wir losfahren. Wir stellen am Stadtrand unseren Problemhaufen Grisu ab und fallen ziemlich müde ins Bett.

7.4.2006:
Max schreckt Heidi damit, dass wir noch einmal in die Werkstatt müssen. Die Reparatur muss wiederholt werden, da die Wasserpumpe nicht dicht ist. Eigentlich wäre es jetzt höchste Zeit, eine nervliche Krise zu bekommen. Wir haben uns jedoch schon gut an unsere Umgebung angepasst und nehmen’s einigermaßen gelassen. Es nützt sowieso nichts und wenn es Allah’s Wille ist …

Heidi verschlingt im Wohnbereich ihren begonnenen Krimi (uns geht bald der Lesestoff aus!) während Max den Meistern (andere als die gestrigen Pfuscher) der Werkstatt über die Schulter blickt und auch mithilft. Er freut sich immer wieder etwas dazuzulernen und wie uns die Vergangenheit zeigte, gibt es ja oft genug die Möglichkeit, solcherart erworbene Kenntnisse anzuwenden.

Heute mittag wird nicht gekocht, denn wir sind zur Jause in der Werkstatt eingeladen. Für die Marokkaner sicherlich eine Seltenheit, dass eine Frau in Shorts mit ihnen das Mittagsmahl teilt. Mittlerweile nehmen wir das mit dem Anpassen-an-die-Gepflogenheiten-des-Landes ein wenig lockerer als zu Beginn unserer Reise.

Am frühen Abend passt dann endlich alles. Wir bezahlen (15 € für den ganzen Tag in der Werkstatt), verabschieden uns in Richtung Norden und schaffen noch ein paar Kilometer, bevor es dunkel ist.

8.4.2006:
Am Vormittag stoppen wir an einem Salzsee (Sebhka Oum D’ba) und wandern einen Steilabbruch hinunter, um die Sebhka aus der Nähe zu betrachten. Ein faszinierendes Erlebnis zu sehen, wie in Richtung Seemitte die Salzkruste immer
fester und stärker wird. Die Kristalle schieben sich teilweise in Platten übereinander.

Am Rand des Sees haben sich alte Fussabdrücke mit Sole gefüllt und diese ist auskristallisiert.
In Tarfaya wollen wir das auf einem Schild angekündigte Musee de Antoine de Saint Exupéry besichtigen. Im Ort weiß aber kein Mensch bescheid, die Nennung des Namens stösst auf verständnislose Gesichter. Der weltbekannte Schriftsteller und Postflieger war hier schließlich lange stationiert. Das wäre ja so, als wenn in Salzburg jemand Mozarts Geburtshaus nicht kennen würde. Jedenfalls scheint das Museum nur auf irgendwelchen Plänen im Bürgermeisteramt zu existieren!

Am Abend richten wir es uns gemütlich an einer Sanddüne ein, essen fein im Licht des Sonnenuntergangs und hören beim Abtrocknen plötzlich ein Zischen: ja, ja, ein (in Mauretanien geflickter) Reifen hat soeben das Zeitliche gesegnet.
An dieser Stelle besteht Max auf einer Klarstellung zu Grisus Ehrenrettung: die Anhäufung der Pannen auf dieser Reise hat alles bisher dagewesene längst über-schritten. Auf monate- und jahrelangen Fahrten in der Sahara mit Grisu hatte Max insgesamt weniger Pannen, als in den bisherigen zwei Monaten Marokko und Mauretanien. Wir hatten auch noch nie so viele Email-Wünsche von besorgten Freunden erhalten, die uns eine pannenfreie Fahrt wünschen. Lieb gemeint, aber bitte in Zukunft unterlassen – diese gut gemeinten Wünsche scheinen das Gegenteil zu bewirken!!! 

9.4.2006:

Der Tag beginnt natürlich mit Reifenwechsel und im nächsten Ort Akhfennir wird auch Sonntags ein Ungetüm von Kompressor mit Zweitaktmotor angeworfen.

Die Sache ist schnell erledigt und 10 km weiter füllen wir sämtliche Vorratsbehälter an der letzten steuerfreien Tankstelle der Westsahara.

In Tan-Tan wird das wichtigste erledigt: Internetcafé, Markt und Patisserien. Letztere in der Mehrzahl, denn nach der ersten, die leckeres Mürbteiggebäck hat, stolpern wir noch über eine weitere mit besonders feinem Marzipankonfekt. Mjamm!

Am Abend dann der erste richtige Regenguß seit Wochen: ein Gewitter entlädt sich, es regnet aber nicht lange.

10.4.2006:
Restbewölkung, es ist angenehm kühl (ca. 25 °C). Nur nebenbei soll Erwähnung finden, daß sich die Lichtmaschinenverbindung (diesmal wieder ein anderer Teil, der noch nie Kummer bereitete) heute morgen geräuschvoll vertschüßt.
Weiterer Kommentar überflüssig.

Ansonsten beginnen wir den Tag angenehm im Café mit Croissants und fahren dann los in Richtung Osten, in Richtung der Berge. Wir freuen uns schon auf ein wenig abwechslungsreicheres Panorama als in der Westsahara und vor allem auch darauf, daß wir den ständigen Wind an der Küste hinter uns lassen.

Nach Guelmim, wo wir eine Autoversicherung für das nächste Monat abschließen können (wir sind optimistisch, daß Grisu so lange durchhält und investieren in diese Hoffnung) geht’s bergauf.

Die ersten wirklichen Gräser, Büsche und Bäume tauchen auf, die Gegend wird deutlich fruchtbarer. Am Nachmittag durchfahren wir die Palmoase Tarhjijt und finden einige Kilometer weiter ein schönes Plätzchen an einem Oued.
Wir nutzen die Gelegenheit zu einem Spaziergang entlang des ausgetrockneten Flussbettes, das nur wenige Pfützen aufweist. Am Ufer ragen bizarre Lehmhügel in die Höhe und an deren Fuß finden wir Eßbares: wilder Rucola wuchert aus der feuchten Erde und wir pflücken eine ganze Schüssel voll für unseren Kartoffelsalat. Es handelt sich übrigens um die selbe Sorte, die Max schon in den Dünen Algeriens nach Regenfällen geerntet hat und die unserer heimischen Rauke im Geschmack um nichts nachsteht.

Heidi pflanzt ein paar Rucolastöcke in eine leere Keksdose, um uns auch in den nächsten Tagen mit dieser Köstlichkeit verwöhnen zu können.

Abendessen im Freien, herrlicher Sonnenuntergang und Windstille: Herz, was willst Du mehr?

11.4.2006:

Auf schmaler, aber guter Asphaltstrasse geht’s weiter nach Nordosten. Die Landschaft wird wieder wüstenhafter, die Berge sind völlig kahl. Markant sind die Felsbänder, die, in Wellenform, mit verschiedenen Ockertönen die Landschaft dominieren.
Wir passieren zahlreiche Oasenorte, die ihr Wasser von den Berghängen des Mittleren Atlas nutzen. Unweit, im Süden, verläuft die – leider verminte und deshalb unpassierbare – algerische Grenze.

Aït Rahal ist eine dieser besonders reizvollen Oasen und wir stoppen direkt am Platz vor der Moschee, um die Palmhaine zu Fuss zu besuchen. Ein paar Kinder sind schnell abgeschüttelt (die Erwachsenen begrüssen uns sehr freundlich) und wir können in Ruhe dieses kleine Paradies mitten in der Wüste erforschen. Unter den Dattelpalmen sind Gemüse- und Getreidefelder angelegt, die vom Teilschatten der hohen Bäume profitieren. Als Farbkleckse dazwischen blühen rosa Oleander und Granatäpfelbüsche.

Wir folgen dem Bewässerungskanal zu seinem Ursprung und erreichen mehrere schilfgesäumte Teiche. Hier haben Frösche, Fische, Graureiher, Ibisse und jede Menge andere Vögel sowie zahlreiche Insektenarten wie rote Libellen ihr Habitat gefunden. Unsere Lust ein Bad zu nehmen, hält sich allerdings in Grenzen: zu viele Algen und Wasserpflanzen wachsen in diesen Naturteichen.

Die Häuser am Rande dieser Oasen sind in alter Lehmbauweise gefertigt und stehen eng aneinander gereiht. Dies bringt optimalen Schatten und Schutz vor heissen Wüstenwinden.

Unweit von Aït Rahal finden sich auf einem Berg in einsamer Wüstenlandschaft Felsgravuren aus längst vergangener Zeit. Vor ca. 8.000 Jahren haben Künstler Bilder von Gnus, Giraffen, Elefanten und Gazellen in Steine geritzt.

Am Fusse dieses Berges geniessen wir einen warmen Abend im Vollmondlicht.

12.4.2006:
Die Palmgärten des nächsten größeren Ortes Tata ziehen sich über viele Kilometer die Strasse entlang. Grisu protestiert auf seine Art und Weise dagegen, dass es wieder Richtung Wüste geht: ein lauter Knall und wieder mal ist das linke hintere Beinchen platt. Nett von ihm allerdings, dass er seine Protestaktionen immer kurz vor größeren Ortschaften unternimmt. So führt uns der erste Weg in Tata zum Reifenflicker und diese Bezeichnung darf wörtlich genommen werden: Weil das Loch so gross ist, näht Mohammed den Schlauch mit Nadel und Zwirn, bevor er den Flicken aufklebt.
In der Zwischenzeit setzt Max eine zündende Idee um, wie das ständige Lichtmaschinenproblem endgültig gelöst werden kann. Alles hängt nun von der Qualität zweier Schlauchbinder ab. Warten wir’s ab …

Obst und Gemüse sind in Tata extrem günstig: z.B. kosten ein Kilo herrlicher Cocktailtomaten und eine Honigmelone nur 55 Cent. Von solchen Preisen werden wir zu Hause nur träumen können.

Bei der Ortsausfahrt winkt uns ein „Häuslbauer“ von der oberen Etage seines Rohbaues freundlich zu und spritzt mit seinem Wasserschlauch in unsere Richtung.
Dies verstehen wir natürlich sofort als Aufforderung, bei ihm unseren fast leeren Wassertank zu füllen. Er freut sich über unsere Stippvisite wie ein kleines Kind. Der Ministerialbeamte lädt uns ein, den Bau zu besichtigen (halsbrecherische Leiterkletterei!) und schenkt Max in seinem Überschwang seinen Turban. Eine kurze, aber um so herzlichere Begegnung, die diesen Tag beschließt!

13.4.2006:
Heidis Nachtruhe litt beträchtlich unter dem starken Wind, der ab Mitternacht aufkam, während Max wie immer seelenruhig seinen Träumen nachging. Zum Ausgleich darf er gleich in der Früh den reparierten Reifen montieren – ein Rekord im Reifen wechseln rückt in greifbare Nähe 

Wir durchfahren wiederholt Oasenorte, die sich kaum voneinander unterscheiden, bis wir Tissint erreichen. Hier hat der gleichnamige Oued einen kleinen Badesee entstehen lassen. Die Dorfjugend macht ausgiebig Gebrauch davon, während wir etwas unterhalb unseren Waschtag abhalten. Zum Schwimmen ist uns auch hier das Wasser nicht sauber genug. Das ist an einer anderen, einige Kilometer entfernten Stelle, anders. Ausserdem sind wir dort völlig ungestört.

Ungelogen: Während wir hier die letzten nassen Wäschestücke aufhängen, sind sie am anderen Ende der Leine bereits wieder trocken!

Nach der Mittagsjause mit frischem Baguette, Cocktailtomaten, Oliven, Knoblauch und Arganöl gehen wir im leicht salzigen, wohltempertierten Wasser des Oued Melha ein wenig plantschen. Das tut bei 40° C Lufttemperatur echt gut. Wir beschliessen, jetzt endgültig in Richtung Berge zu fahren, denn besonders Heidi setzt die Hitze sehr zu.

In Foum Zguid gönnen wir uns im Cafe einen kühlen, frisch gepressten Orangensaft und dann geht’s auf nach Norden.

14.4.2006:
Nach einigen Kilometern entlang Oueds und Schluchten biegen wir nach Osten ab, um nach Agzd zu gelangen. Das Sträßchen zwängt sich zwischen einem trockenen Bachbett und Felswänden nach oben.
Zwei fotogene Berber-Autostopperinnen nehmen wir bis Bou Azzer mit, wo sich eine Kobalt-, Nickel- und Kupfermine befindet.

Nach einem kleinen Paß wird die Straße besser und breiter. Mit viel Schwung nehmen wir die Kurven und bei Tasla kommt schon der nächste Reifenplatzer. Nur 270 km hat der Pneu durchgehalten. Na ja, eigentlich kein Wunder – schließlich kann man schon locker ein paar Finger durch die Karkasse stecken!

Binnen weniger Minuten sind wir von vielen Kindern umringt und wieder ist ein hilfsbereiter marokkanischer Erwachsener zur Stelle. Er lädt uns in sein nahes Elternhaus ein und bietet an, mit seinem PKW zur Mine zurückzufahren, wo er arbeitet. Dort will er fragen, ab ein passender Reifen für uns zu finden sei. In der Zwischenzeit werden wir von Papa mit Tee bewirtet und er bietet uns Teppiche an, mit denen er schwunghaften Handel treibt. Wir haben allerdings kein Interesse, da uns Farben und Muster nicht wirklich zusagen. Er nimmt’s gelassen und so warten wir vor dem Fernseher mit arabischen Nachrichten gemeinsam auf die Rückkehr Mustafas.
Dessen Versuch, uns zu helfen ist leider nicht von Erfolg gekrönt und so müssen wir weiter bis Ouarzazate durchhalten, wo wir hoffen, endlich Ersatz zu bekommen.

Nahe dem kleinen Ort Agdz findet sich am Oued Draa bei Tamnougalte eine alte Kasbah (hier wurde ein Teil von Bernardo Bertoluccis Film „Himmel über der Wüste“ gedreht) sowie ein gut erhaltenes bzw. renoviertes Ksar aus dem 15. Jhdt.
Letzteres gefällt uns besser, da es zwischen den verschachtelten Lehmmauern jede Menge zu entdecken gibt. Wir haben nach einigem Preisverhandeln einen sehr netten, kompetenten Führer engagiert und diese Ausgabe rentiert sich wirklich. Er kann uns viel über das Leben in diesem fast verlassenen, dreistöckigen Komplex erzählen, aus dem die meisten Bewohner in die neu gebaute Siedlung abgewandert sind.

Ksour (Ez: Ksar) sind übrigens verschachtelte Dörfer aus Lehm, mit vielen Wohnhäusern Mauer an Mauer. Kasbahs dienten den Landesfürsten und deren Entourage als prachtvolle Unterkunft und wurden in kriegerischeren Zeiten von der ganzen Dorfgemeinschaft verteidigt.

15.4.2006:
In der Nacht hat es ein bissl geregnet und jede Menge Staub aus der Luft hat sich auf Grisus blauen Lack gelegt. Er sieht aus, als wäre er soeben von der Finnlandrallye zurückgekehrt.

Unsere Route führt uns auf guter Asphaltstraße durch wild zerklüftete Canyonlandschaft auf den 1660 m hohen Tizi-n-Tinififft Pass. Leider ist wegen des „schlechten“ Wetters (stark bewölkt, diesig) die Fernsicht stark eingeschränkt. Nach der Abfahrt vom Paß und kurz vor Ouarzazate ist es so weit: Wir haben wieder einen Patschen. Jeder weiss sofort, was er zu tun hat, mittlerweile sind wir ja schon ein eingespieltes Team in Sachen Reifenwechsel.
Da es auch in Ouarzazate nicht möglich ist, bei Händlern einen passenden Reifen zu bekommen, fragen wir auch noch bei Militär und Gendarmerie nach. Aber auch hier kann man uns nicht weiterhelfen. So werden wir halt morgen den Reifen zum wir-wissen-nicht-wievielten-Male ausbessern (Es ist immer derselbe Reifen links hinten).

In dieser größeren Stadt gibt es gute Versorgungsmöglichkeiten und wir können bei einem kleinen Supermarché endlich wieder mal eine Flasche (marokkanischen) Wein kaufen.
Die Pizzeria in der Nähe enttäuscht uns dagegen: kleine Portionen, nicht so lecker und dann auch noch relativ teuer – wenn wir nicht die Unmengen an bleichgesichtigen Ostertouristen sehen würden, hätten wir spätestens jetzt begriffen, daß wir in einer Touristenhochburg sind.

16.4.2006 (Ostersonntag):
Max hat bei seinem allmorgendlichen Spaziergang in einem Oued nahe der Stadt ein Drahtgitter gefunden und das soll mit einem zusätzlichen Stück LKW-Karkasse als Verstärkung dienen.

Wir fahren von unserem Übernachtungsplatz zurück nach Ouarzazate, frühstücken in einer kleinen Patisserie und danach nimmt Max die Ausbesserungsarbeiten am Reifen selbst in die Hand. Mal sehen, wie lange die Sache diesmal halten wird.

Danach geht’s Richtung Nordosten, am türkis schimmernden Stausee vorbei, entlang der sogenannten „Straße der Kasbahs“. Die Oasenorte mit ihren Palmhainen am Flussbett des Oued Dades gleichen einander ziemlich. Viele der sich hier befindenden Kasbahs wurden in Hotels und Gästehäuser umgewandelt, ansonsten sind sie oft dem Verfall preisgegeben.

Die Straße bietet oft schöne Ausblicke, es geht fast immer den Fluß entlang. Manchmal sind die Felsen rotgefärbt und weil’s Wetter heute viel besser ist als in den letzten 2,3 Tagen, sehen wir bis zu den Bergen des Hohen Atlas. Nur deren oberste Spitzen sind schneebedeckt – viel zu wenig zum Schitourengehen. Ehrlich gesagt, hätten wir jetzt sicherlich auch nicht die nötige Kondition für einen 4000er!

Rechtzeitig vor dem nächsten touristischen „Highlight“, der Todraschlucht, suchen wir uns in der sehr trockenen Landschaft ein einsames Plätzchen. Einsam bleibt es aber nicht, denn wie aus dem Nichts tauchen zuerst ein paar Kinder und dann auch noch zwei Frauen auf. Sie betteln um Geschenke und lassen sich erst nach sehr energischen Worten abwimmeln.

Während der starke Westwind an Grisu rüttelt, spielen wir drinnen gemütlich Schach.
Abends wird es schnell kühl. Kein Wunder, schließlich sind wir auf über 1200 m Seehöhe. Das Duschen wird so zum erstenmal seit langem zu einer sehr erfrischenden Angelegenheit …

17.4.2006:
Beim Städtchen Tinerhir biegen wir ab in Richtung Todraschlucht. Die hohen, roten Felsen bilden einen starken Kontrast zu den grünen Dattelpalmgärten im Tal und dem blitzblauen Himmel. Es geht etwa 15 km entlang des Baches nach Norden, bevor wir Grisu abstellen und zu Fuß weitergehen. Wir wollen entlang von Bach und Bewässerungsgräben nach oben, nicht im Auto wie alle anderen.

Diese Entscheidung war goldrichtig, denn in den schattigen Gärten hören wir jede Menge Vögel in voller Lautstärke zwitschern, können das angebaute Obst und Gemüse bewundern und kommen auch noch zu etwas Bewegung.

Am Fluß scheint heute allgemeiner Waschtag zu sein: während hoch über ihren Köpfen europäische Kletterer in den senkrechten Wänden kleben, klopfen Berberinnen ihre Wäsche auf den Steinen sauber. Der Kontrast könnte auch hier kaum größer sein.

An der engsten Stelle ist die Schlucht nur wenige Meter breit und läßt kaum Platz für das einspurige Sträßchen. Schon lange haben wir nicht mehr so viele Touristen (hauptsächlich Spanier und Franzosen) gesehen. Für uns, denen die heimatlichen Berge jede Menge Naturschauplätze ähnlicher Art zu bieten haben, ist das nichts soooo besonderes. Außerdem ist uns all der Rummel mit Hotels, Restaurants, Souvenirständen, Reisebussen, etc. bald einmal zuviel. Wir jausnen an einem ruhigen Platz im Schatten einiger Palmen oberhalb der Engstelle und wandern dann durch die Gärten und Terrassen mit Mandel-, Birnen-, Granatapfel-, Feigen-, Oliven- und Marillenbäumen, Weinreben, Oleander, sowie verschiedensten Gemüse- und Getreidesorten zurück.
Abends schrecken wir (unabsichtlich) einen kleinen Skorpion auf, der verzweifelt versucht, sich unter Steinen vor uns zu verstecken. Dabei tun wir dem kleinen Burschen doch gar nix!

18.4.2006:
Wir bleiben nach wie vor auf über 1000 Höhenmetern und erreichen bei Er Rachidia das Ende der „Strasse der Kasbahs“. Grisu hat einen Ölwechsel bitter nötig, wir dagegen brauchen frische Oliven. Am Markt hier ist die Auswahl gross und wir kosten uns durchs Angebot. Bei 1,40 € pro Kilo kann man gut zugreifen.

An einem Stausee inmitten kahler Berge vorbei, windet sich die Strasse sehr schön entlang dem Oued Ziz und führt durch den sogenannten „Tunnel der Legionäre“, den die Fremdenlegion einst in den Fels sprengte.

Am späteren Nachmittag kommen wir zufällig an einem Moussem vorbei, was dem örtlichen Äquivalent eines Kirchtags entspricht. Es scheint, als hätte man uns 50 Jahre zurück versetzt. Alles was die Berber der umliegenden Bergdörfer erzeugen und benötigen, wird hier angeboten: Vom Maulesel über Teppiche bis zur Spitzhacke. Die Attraktionen für die Einheimischen bestehen u.a. aus einfachsten Luftdruck-schiesständen (aus einem Meter Entfernung wird auf eine leere Marlboroschachtel geschossen, die auf einem grindigen Puppenkopf steht), „Hau den Lukas“, Hütchenspiel und Märchenerzählern, um die sich Trauben von Menschen drängen. Es wird gehandelt was das Zeug hält und so nebei dienen diese Moussems auch als Heiratsmarkt. Besonders auffällig geschminkte Mädchen und Frauen machen auf sich aufmerksam und versuchen auf einem solchen Markt den „Zukünftigen“ zu finden.
Auch Max wird lachend zugezwinkert, während Heidi nach einer handgewebten Decke Ausschau hält. Eine gefällt ihr ganz gut und nachdem wir den Preis auf ein Viertel des ursprünglich verlangten gedrückt haben, sind wir handelseinig.

Am Abend ist es kalt und windig und wir frieren bei 17 Grad wie die Schneider.

19.4.2006:
Die Fahrt geht im Osten um den 4000 m hohen Jebel Ayachi herum, dessen Bergspitzen und Rinnen schneebedeckt sind. Für eine Skitour ist das eindeutig zu wenig – wir müssten die Skier bis auf etwa 3500 m tragen und dazu haben wir keine Lust. Niedrigere Berge in der Umgebung sind praktisch schneefrei. Ausserdem sind die höheren Berge mit dichten Wolken und Nebel verhangen.

In Midelt bekommt Grisu auch noch eine gründliche Wäsche verpasst. Die beiden Betreiber waschen und polieren 1 ½ Stunden lang, was das Zeug hält und nehmen ihre Aufgabe sichtlich ernst. Grisu glänzt wie frisch lackiert. Blöd ist nur, dass eine Stunde danach ein kurzer Regenschauer niedergeht.

Die Landschaft wird ab hier schlagartig grüner, die Wüste haben wir nun endgültig hinter uns gelassen. Zeitweise erinnert die Vegetation an mediterrane Gegenden mit Zypressen, Steineichen, Kieferwäldern und Marillenbäumen. Auch die Berghänge weisen jetzt vereinzelt Bewuchs auf. Es geht auf guter Strasse hoch zum 2187 m hohen Pass Col du Zad, dessen Umgebung von Zedern geprägt ist. Kurz nach der Passhöhe biegen wir zu einem einsamen See ab, der in einer Hochebene mit grünen Wiesen und sich schlängelnden kleinen Bächen liegt.

Es ist frisch hier oben und unser Bewegungsdrang lockt uns auf einen der umliegenden Gipfel, dessen Rinnen noch ein paar Schneereste aufweisen. Wir beschliessen, morgen die Gelegenheit am Schopf zu packen und endlich unsere Skier anzuschnallen. Auch wenn es sich nicht wirklich auszahlt,  wollen wir sie nicht ganz umsonst quer durch halb Afrika geschleppt haben.

20.4.2006:
Ein strahlend schöner Morgen nach einer bitterkalten, sternenklaren Nacht. Wir setzen unsere verrückte Idee wirklich um und holen die Skiausrüstung vom Dach. Gott sei Dank hat die Wüstensonne in Mauretanien weder den Skiern, noch unseren Fellen geschadet (wir hatten schon das Bild von zerlaufenem Fellkleber vor Augen).

Wir packen eine Jause ein und stapfen in Sandalen durch die eher wüstenhafte Hoch-ebene zum Fuss des Berghanges. Ziemlich eigenartig kommen wir uns schon vor und sind froh, keine Zuschauer zu haben 

Nach einer Stunde ist der Aufstieg bewältigt und wir können’s kaum erwarten, endlich echten Afrikafirn unter den Skiern zu spüren …
Damit sich diese „Skitour“ auch wirklich lohnt, stapfen wir ein paar Mal die drei Schneefelder zurück nach oben und nutzen auch die letzten Meter, wie man sieht.
Der Firn in Afrika hält tatsächlich, was er verspricht: er bleibt auch in der Nachmittagshitze unverändert gführig.

Und wie es sich nach einer „richtigen“ Skitour gehört, wartet in Grisu ein kühles Bier. Da es ziemlich windig ist, brechen wir danach auf und fahren nach Azrou weiter.

Die Landschaft wird immer grüner und wirkt beinahe alpenländisch. Bei einem gemauerten Brunnen füllen wir unsere Trinkwasserkanister mit frischem Gebirgsquellwasser auf.

In der sauberen Kleinstadt Azrou (viele Studenten und Schüler auf den Strassen) hat das Brauchtum trotz des westlichen Erscheinungsbilds seinen Platz, wie wir gleich bei unserer Ankunft erleben können: Am Hauptplatz vor der Moschee ist ein kleines Fest im Gang, bei dem weissgekleidete Berber den traditionellen Schreittanz mit Trommelbegleitung aufführen.

Unser erstes Ziel ist wieder einmal eine der vielen Patisserien und Cafehäuser hier. Es gibt ein grosses Angebot an Torten und Gebäck. Wir haben gerne die Qual der Wahl.

Dadurch, dass in Azrou wenig Tourismus herrscht, ist ein Bummel durch die Strassen und am Souk möglich, ohne dauernd von aufdringlichen Händlern angesprochen zu werden. Sehr angenehm.

Zum erstenmal seit unserer Abreise aus Österreich steht Grisu über Nacht auf einer saftig grünen Wiese! So wird der Speiseplan von heute der fast heimatlichen Umgebung angepasst:
Steirischer Käferbohnensalat mit Kernöl an wildem marokkanischen Rucola mit Kartoffelgröstl à la Maison, der Weltoffenheit wegen gewürzt mit rotem Marsalacurry aus Bangkok.

21.4.2006:
Das Frühstück im Freien ist ein wahrer Genuss: Wir sitzen in der Sonne und schauen Kühen und Schafen beim Weiden zu. Was für eine friedliche Szenerie: Grün, so weit das Auge reicht und ab und zu winken uns freundliche Bauern von weitem zu oder begrüssen uns per Handschlag.

Auf der Einkaufsliste für den Markt stehen heute u.a. wieder einmal herrlich rote Erdbeeren (70 Cent das Kilo). Am appetitlich wirkenden Metzgerstand bekommt Heidi so richtig Lust, endlich wieder einmal Fleisch einzukaufen. Nach zwei Monaten fleischloser Kost (problemlos!) ist’s an der Zeit. Der Metzger holt für sie extra ein ganzes Schaf aus der Kühlung und schneidet drei Lammkoteletts heraus.

Wir verlassen die Stadt in Richtung Fes und Meknes, die Gegend wird ab Ifrane steiniger und unfruchtbarer. Es geht auf einem schmalen und manchmal schlaglochübersätem, ausgefransten Asphaltsträsschen bergauf zu mehreren Vulkanseen, die z.T. völlig einsam und sehr idyllisch liegen.
Im Großen und Ganzen haben wir uns von diesem Nationalpark landschaftlich mehr erwartet, dennoch bleiben wir an einem dieser auf über 1500 m liegenden Seen über Nacht.

Angeblich sind die Gewässer hier heroben fischreich und so bastelt Max an einer Angelschnur. Seine Bemühungen bleiben aber – wie nicht anders erwartet – frucht- bzw. fischlos.

22.4.2006:
Der Morgen erwartet uns mit bewölktem Himmel. So ist es wirklich nicht einladend, eine Bergtour zu unternehmen! Wir beschliessen, daß dies das ideale Wetter für einen Stadtbesuch ist und brechen nach Fès auf.

Trotz des steinigen, wenig fruchtbaren Landes schaffen es hier die Menschen mit großem Einsatz, Obstplantagen anzulegen. Die Bäumchen stehen wegen der Höhenlage erst jetzt in Blüte. Auf den angrenzenden Äckern leuchtet von weitem der rote Klatschmohn malerisch durch die Getreideähren.

Hinter einem kleinen Paß beginnt es zu nieseln. Richtiges Schmuddelwetter auf der Fahrt bergab nach Fès! Kurz vor der Stadt hört der Regen aber auf und es ist auch von der Temperatur her sehr angenehm, als wir von einem Parkplatz nahe der Medina unseren Stadtbummel beginnen.

Fès ist die älteste der vier Königsstädte Marokkos und wir fühlen uns hier gleich wohl. Keinerlei Streß durch aufdringliche Führer oder dergleichen – wir können nach Lust und Laune in den engen Gäßchen herumstreunern.

Transporte sind wegen dieser Enge in der belebten Altstadt nur per Pferd oder Esel möglich. Auch der Coca-Cola- Lieferant muß sich mit 1 PS begnügen.

Die Medina ist in zahlreiche Handwerksviertel unterteilt: Töpfer, Kesselmacher, Schneider, Schmiede, Kalligraphen, Messerschleifer, Tischler, Brokat- und Teppichweber, Wollfärber, etc. etc. gehen ihrem Tagwerk in manchmal winzigsten Werkstätten nach. Diese weisen oft nicht mal die Größe einer halben Kleinwagengarage auf.

Die Handwerker sind allesamt freundlich und lassen sich von uns gerne über die Schulter schauen.

Für uns bei weitem am beeindruckendsten ist das Gerberviertel: Hier wird das Rohleder gewaschen, gegerbt und gefärbt wie vor Jahrhunderten. In vielen gemauerten Bottichen verrichten junge Männer barfuß und ohne jede Schutzbekleidung diese enorm anstrengende und übelriechende Arbeit.
Für diese Prozedur wird jede Menge Wasser verbraucht und die graubraune Brühe landet ungeklärt mit all dem restlichen Müll in einem Bach. Uäääh!

Das Endprodukt der Lederproduktion liegt dann auf kleinen öffentlichen Plätzen zum Trocknen auf oder hängt von Hauswänden.

Des öfteren verirren wir uns in dem Gassenwirrwarr, eine Orientierung ist sehr schwierig. Letztendlich finden wir einen der Ausgänge von der Medina und lassen uns von einem Taxi zurück zu Grisu chauffieren.

23.4.2006:
Wir haben auf halber Strecke zwischen Fès und Meknes auf einem Feldweg übernachtet, wo uns ein kräftiger Regenguss die Nacht verkürzt: Durch die grosse Trockenheit in Mauretanien hatte sich die Abdichtung zwischen Führerhaus und Wohnkabine aus der Befestigung gelöst und jetzt schiesst das Wasser ungebremst in den Küchenblock. Dank Heidi’s seichtem Schlaf können wir Gröberes verhindern. Max hätte ja von all dem nichts mitbekommen, ihn könnte man in der Nacht davontragen.

Bei unserer Ankunft im 50 km entfernten Meknes tröpfelt es nur mehr. Ein optimaler Tag für einen Stadt- und Soukbummel.

Wir stellen Grisu am Place Lalla Aouda ab, der günstig zwischen Medina und dem Bereich des Königspalastes liegt.

Unser erster Besuch gilt dem reich verzierten Mausoleum des Alawidenherrschers Mulay Ismail, der sich einen riesigen Harem mit 500 Frauen hielt. Auch heute noch wird er von der Bevölkerung (deswegen???) verehrt, das Grabmal ist ein beliebtes Pilgerziel.
Unser Durst auf Kultur ist vorerst damit befriedigt, der Rest des Tages wird in den Souks mit Shopping, Schauen und Staunen verbracht. Meknes gefällt uns um einiges besser als Fès, denn hier kann man sich weniger leicht verlaufen, die Preise sind niedriger und die Stadt wirkt authentischer. Wir beschliessen, direkt am Parkplatz zu nächtigen und noch einen halben Tag in dieser Königsstadt zu verbringen.

24.4.2006:
Am Vormittag wird u.a. die Medersa (ehemalige Koranschule) Bou Inania aus dem 14. Jahrhundert besichtigt, die zu einem der bedeutendsten islamischen Bauwerke der Stadt zählt.

In der Medina sind, wie in Fès, die verschiedensten Handwerker in ihren winzigen Werkstätten tätig und auffällig stark ist in Meknes das Schneiderhandwerk vertreten. Bis zu vier Männer sitzen mit Nadel und Faden über ihren Stoffen gebeugt. Selbst Kordeln, Stickereien und Bordüren werden in mühsamer Handarbeit hergestellt. Vor allem in dieser Region werden Verzierungen und Reliefstickereien mit schräg senk-rechtem doppelseitigem Stich gefertigt.

Im Lebensmittelsouk reiht sich ein Patisseriestand an den nächsten, wir Schleckermäuler können hier natürlich nicht widerstehen. Charlottes Kekse – immerhin zwei grosse Dosen – haben wir ja bereits bis Mauretanien verdrückt. Um die Kalorien wieder zu verbrennen, steht als nächstes die Besichtigung der grössten römischen Ausgrabungsstätte Marokkos, Volubilis, auf dem Programm.

Diese liegt 30 km nördlich von Meknes und erstreckt sich über etwa 2,5 km²  inmitten fruchtbarer Hügellandschaft. Zur Blütezeit um ca. 300 n.Chr. lebten hier an die 10.000 Menschen.
Sofort fallen uns die vielen Störche auf, die ihre Nester zuoberst einiger Säulen gebaut haben, um darin ihre Jungen gross zu ziehen. Oft sieht man sie hoch über den Ruinen kreisen, die Landeanflüge sind besonders spektakulär und lustig.

Viele der Mosaikböden, welche Symbole und Figuren der griechischen und römischen Mythologie darstellen, sind zwischen den Ruinen ausserordentlich gut erhalten.
Die dabei verwendeten bunten Steinchen kamen aus allen Ecken des damaligen Römischen Reiches und haben bis heute ihre Farben nicht verloren.

Am Abend ist Grisu am Parkplatz das einzig verbliebene Wohnmobil. Im Gegensatz zur Nacht davor verspricht diese eigentlich sehr ruhig zu werden, aber da haben wir die Rechnung ohne den Nachtwächter gemacht. Dieser erklärt uns freundlich, aber bestimmt, dass wir am Parkplatz nicht nächtigen dürfen. So muss nach einiger Debatte in der Dunkelheit ein Feldweg gefunden werden. Ächz!

25.4.2006:
Die Fahrt geht bei Nieselwetter durchs Rifgebirge weiter Richtung Norden. Diese Gegend ist für den Hanfanbau berühmt – von hier kommt der „Grüne Marokkaner“ und an geflüsterten, verschwörerischen Angeboten hinter vorgehaltener Hand mangelt es wahrlich nicht!

Das kleine Städtchen Ouezzane lassen wir liegen und unser nächstes Ziel ist der malerische Ort Chefchaouen, der den Beinamen „die Brunnenstadt“ trägt. Seine blauen verschachtelten Gassen geben der Stadt ein ganz eigenwilliges Flair. Nach einer Wanderung auf den Hausberg stillen wir unseren Hunger in einem der gemütlichen Restaurants am Marktplatz.  Anstelle eines Campingplatzes wählen wir einen Platz am Oued unterhalb des Ortes, direkt bei einer Schottergrube, die uns guten Sichtschutz bietet.

26.4.2006:
Der Tag beginnt mit Sonnenschein und herrlichen Temperaturen. Wir frühstücken neben dem plätschernden Oued Laou und spielen bereits in der Früh zwei Partien Schach.

An einem Stausee vorbei folgen wir dem Oued auf einer Nebenstrasse, die sich spektakulär durch die Schluchten windet. Bergauf und -ab geht’s durch die Berge, Grisu schnauft ganz schön, aber Heidi und Max geniessen die Aussicht.

Bei Tarha ist das Mittelmeer erreicht!
Ein schöner graufarbiger Sandstrand und die Berge des Rifgebirges im Hintergrund machen diesen Ort recht einladend und wir platzieren uns direkt am Strand. Ein paar lästige Kinder belagern uns, während wir essen und Schach spielen, erst nach etwa einer Stunde wird es ihnen mit uns zu langweilig und sie verschwinden.

Wir machen eine Wanderung durch thymian- und lavendelbewachsene Steilhänge hinauf zu den Getreidefeldern hoch am Berg. Von hier haben wir eine traumhafte Aussicht auf das unter uns liegende, blau schimmernde Meer.

Nach einer Rast stossen wir auf eine Bauernfamilie, die mit der Getreideernte beschäftigt ist. Mit Sicheln wird hier noch Halm für Halm händisch abgeschnitten und zu Garben gebunden.

Schnell wird auch uns eine Sichel in die Hand gedrückt und zum großen Gaudium der Berber versuchen auch wir ein wenig mitzuhelfen. Die Effizienz unserer Ernteversuche hält sich in Grenzen, es wird mehr getratscht als gearbeitet und mit ein paar Brocken arabisch und spanisch gelingt auch die Verständigung. Sie würden alle gerne in Spanien arbeiten und immer wieder werden wir nach einem „Kontrakt“ gefragt.
Unser Vorhaben, an diesem Strand auch zu nächtigen, wird durch die hiesige Gendarmerie vereitelt (wegen der vielen Afrikaner, die von dieser Küste die Überfahrt nach Spanien wagen). Bei Nachtanbruch verscheuchen sie uns in Richtung Campingplatz, den wir natürlich nicht ansteuern. Vielmehr suchen wir uns wieder einmal einen ruhigen Platz im Gelände.
Wir kommen uns ganz schön hin- und hergeschubst vor und haben schön langsam die Nase voll von den Marokkanern – ob gross oder klein! Eine vorzeitige Heimreise scheitert leider daran, dass ausgerechnet die nächste Fähre nach Genua storniert wurde und wir unseren ursprünglichen Termin am 8. Mai wahrnehmen müssen. Wir werden uns aber die gute Laune nicht verderben lassen und auch noch die restlichen Tage geniessen.

27.4.2006:
Wir verlassen die ungastliche Gegend und fahren weiter nach Norden, der Küste entlang. Die Strasse klebt an den Hängen über dem Meer und an einer Aussichtsstelle frühstücken wir, herrliches Panorama inclusive. Die unter uns liegenden Buchten sind schwer zugänglich und auch nicht so schön wie jene von Tarha und so steuern wir 50 km entfernt Tetouan, die Hauptstadt des Rifgebirges, an.

Ein Bummel in der Medina zeigt, dass die Menschen hier gerne Süsses essen. Noch nie haben wir so viele Patisserien, Süssigkeitenstände und Bäckereien so dicht aneinander gesehen! Max, der ebenfalls einen süssen Zahn hat, tut sich bei diesen vielen Verlockungen besonders schwer zu widerstehen. Dies ist aber nicht der Grund, dass wir einen weiteren Tag hierbleiben möchten. Die Stadt lohnt wegen ihrer Sehenswürdigkeiten, etwas genauer erforscht zu werden. Der bewachte Parkplatz im Zentrum bietet sich auch für eine Übernachtung gut an. Den Weckruf der vielen Muezzine werden wir schon überstehen.

Besonders gut gefällt uns der Platz vor dem Königspalast, um den viele Cafés gruppiert sind. Hier ist der Treffpunkt Tetouans Bürger, von hier aus gehen Wege sowohl in die Medina, das Judenviertel Mellah, als auch zur Neustadt mit der Fußgängerzone (!).

In der Stadt wird viel Spanisch gesprochen, der Einfluß der ehemaligen Kolonie ist bei den Straßen- und Geschäftsschildern deutlich: die Patisserien heißen Pastelerias und die alten Leute reden sowieso eher spanisch als französisch.

28.4.2006:
Im Internetcafé erfahren wir, daß sich in Tanger wegen der stornierten Fähre am 1. Mai nach Genua tumultartige Szenen abspielen sollen. Mal sehen, ob wir wenigstens am 8. mitkommen, da ja viele Passagiere auf das nächste Schiff umgebucht werden. Die Bordkarte kriegen wir lt. unserem Münchener Reisebüro erst am Abreisetag und wir nehmen uns deshalb vor, schon am Vorabend in der Schlange zu stehen.

Während sich Max heute wieder mal um die Lichtmaschine kümmert, bummelt Heidi im Souk, kauft ein wenig ein und dann gehen wir nochmal gemeinsam los.Wir finden ein gut sortiertes Geschäft, in dem die verschiedensten Dattelarten, Nüsse und Getreide appetitlich angeboten werden und schlagen ordentlich zu. Schön langsam wird es Zeit, unsere Schlusseinkäufe zu tätigen.

Den Entschluss, es doch noch einmal am ruhigeren Mittelmeer (im Vergleich zum Atlantik) mit dem Übernachten zu versuchen, bereuen wir nicht: in unmittelbarer Nähe zur Marina von Smir finden wir einen schönen Strand mit ruhigem Stellplatz für Grisu. Da es nicht direkt am Strand ist sondern an einer nicht mehr genutzten Zufahrt zur Mole, können die Soldaten auch nichts gegen unser Übernachten haben. Sie sind ausgesprochen freundlich und sichtlich davon angetan, daß wir zuvor mit dem Diensthabenden sprechen, der uns seinen Sanktus gibt. Wasser können wir bei der Soldatenbaracke bekommen und sogar einen Sonnenschirm stellt man uns zur Verfügung!

Bei so viel Gastfreundschaft beschliessen wir, bis zu unserer Abreise zu bleiben. Feiner können wir’s nicht haben.

29.4. – 2.5.2006:
Die Tage am Strand schlagen wir mit Lesen, Schachspielen, Muscheln suchen und Dösen in der Sonne tot. Das Wasser ist hier schon warm genug zum Schwimmen, der sanfte Wind macht das Frisbeespielen zum Vergnügen.
Dazwischen fahren wir ins 10 km Richtung Tetouan entfernte Städtchen Mdiq zum Einkaufen. Hier gibt’s vom frischen Fisch bis zu gemütlichen Cafés und Internetzugang alles was wir brauchen. Überall wird heftig renoviert, gepflastert und verschönert. Scheinbar will sich der Ort zu einem Seebad mausern …

Abends kommt dann der am Markt gekaufte Fisch lecker gegrillt auf den Teller. Abwechslung muss sein!

3.5.2006:
Beim heutigen Internetcafébesuch in Mdiq erfahren wir eine Hiobsbotschaft: auch unsere gebuchte Fähre am 8. Mai ist storniert, die Alternative nach Sète (Frankreich) ausgebucht und die einzige verbleibende Möglichkeit ist, über Algeciras bei Gibraltar auszureisen!

Das würden die Reifen nie und nimmer durchhalten, von Polizeikontrollen auf den 2.600 km bis Salzburg ganz abgesehen! Was tun? Auf direktem Weg nach Tanger, nix wie hin zum Fährbüro. Vom Reisebüro haben wir den Namen des Ansprechpartners der Reederei COMANAV bekommen: ein gewisser Monsieur Taousi sei dort zuständig.

Die knapp 100 km via Tetouan nach Tanger führen durch hügelige Landschaft, an einem Stausee vorbei. Wir haben dafür kaum ein Auge übrig, zu sehr beschäftigt uns das Problem mit der Fähre. Den Grund haben wir per Internet-Telefonat erfahren: Die ursprünglich vorgesehene „Ouzoud“ war zum Überholen in der Werft und für diese Zeit (6 Wochen)
wurde eine amerikanische Fähre gechartert. Da die Ouzoud aber nicht rechtzeitig fertig wird, wollte man die amer. Fähre noch länger buchen, aber die hat neue Verpflichtungen und muss wieder zurück. Für die Übergangszeit gibt es angeblich nichts Verfügbares.

Am Nachmittag werden wir von Pontius zu Pilatus geschickt und erfahren in Direktion und Hafenbüros nur, daß M. Taousi nicht erreichbar sei und wir bekommen einen Termin für morgen spätvormittags. Ob wir am 6. Mai evtl. nach Sète mitkommen könnten, sei möglich, aber zweifelhaft. Wir klammern uns an diese Hoffnung und bekämpfen unseren Frust in einer Patisserie mit leckeren Süssigkeiten. Schön langsam legen wir wieder einiges an in Mauretanien verlorenem Gewicht zu.
Übernachtet wird in einer einigermassen ruhigen Seitenstrasse mitten in Tanger.
Blöderweise haben wir in Mdiq vor dem Internetcafé Fisch gekauft. Den müssen wir jetzt in Grisus Bordküche schuppen und ausnehmen. Eine ziemliche Sauerei –  noch Tage später finden wir eingetrocknete Fischschuppen in versteckten Winkeln und Ecken!

4.5.2006:
Unseren Nachtplatz in der Nähe einer Patisserie nutzt Max, um frisches Gebäck fürs Frühstück zu holen.
Überpünktlich sind wir im Hafen, werden wieder herumgeschickt und jetzt platzt Max endgültig der Kragen. Seinen Geburtstag hat er sich anders vorgestellt. Ein unsymphatischer und wenig hilfsbereiter Angestellter muss herhalten, ruft aber schliesslich M. Taousi herbei. Dieser strahlt freundliche Kompetenz aus, macht uns aber wenig Hoffnung auf eines der begehrten Tickets. Erst als Heidi mit frustrierten Tränen kämpft, bittet er uns ins Büro am anderen Ende des Hafens.
Dort wird endlich der Reservierungscomputer bemüht und siehe da – es geht ja doch! Wir bekommen für Samstag einen der letzten Plätze auf dem Schiff nach Frankreich. Scheinbar gibt es eine Notfallquota und wir sind offensichtlich ein solcher.

Dann wird noch über die Ausgleichszahlung zäh verhandelt. Wir schlagen mit Hinweis auf Grisus großen Durst und 500 km Mehrstrecke das Doppelte des normalerweise ausgezahlten Differenzbetrages heraus. Immerhin 100 Euro – besser als nichts!

Nach kurzem Shoppingbummel in der Altstadt fahren wir an der Nordküste entlang raus zum Kap Malabata und parken am ersten passablen Sandstrand in der Straße von Gibraltar. Es ist ziemlich windig, aber sonnig. Die Regenwolken der vergangenen Nacht haben sich längst verzogen.

Klarerweise können wir hier nicht übernachten, aber 100 m oberhalb des Strandes findet sich eine Blumenwiese, in der wir erschöpft ins Bett fallen.

5.5.2006:
Ein letzter ganzer Tag am Meer – wir faulenzen und montieren die Sandbleche von Grisus Seite ab. Nichts soll die Aufmerksamkeit französischer Strassenpolizisten noch mehr erregen, als es bei dem alten Hanomag sowieso immer der Fall ist.

6.5.2006:
Nach einem letzten Sonnenbad mit Schachspiel samt Blick auf Gibraltar und das spanische Festland machen wir uns zu Mittag auf nach Tanger. Die Stunden bis zur Abfahrt verbringen wir in der Stadt, tanken voll (0,70 €/l) und tauschen unsere Gasflasche gegen eine neue. 3 Monate lang kochen und Duschwasser erhitzen für 4 Euro – das nennen wir günstige Betriebskosten!

Das Einchecken dauert Stunden. Erst um 20 Uhr kriegen wir unseren Platz im Bauch der Fähre. Max hatte schon nicht mehr daran geglaubt, weil zur geplanten Abfahrtszeit um 18 Uhr das Schiff schon fast voll schien, aber noch viele, viele Autos und Wohnmobile in der Schlange standen. Irgendwie passen aber trotzdem alle ‚rein – jeder Zentimeter Platz scheint gefüllt – und sehr, sehr erleichtert beziehen wir unsere Aussenkabine.

Abfahrt gegen ½ 9 Uhr abends …

7.5.-8.5.2006:
Ruhige Überfahrt. Nur im Löwengolf (Golfe de Lion) kommt starker Wind auf. Wir kommen aber ohne Seekrankheits-Tabletten aus. Das Essen auszulassen wäre aber kein großer Verlust gewesen: es wird genauso zerkochtes und lieblosest zubereitetes Futter serviert wie bei der Hinfahrt. Wir sind froh, daß wir das Schiff in Sète endlich verlassen können.

Im Hafen nur oberflächliche Kontrolle der Fahrzeuge und keiner achtet auf die Reifen. Wir sind so ausgeruht, daß bis kurz vor zwei Uhr früh fahren. Auf Bundesstraßen quer durch Provence und Camargue Richtung Osten, Richtung italienische Grenze. Die Autobahngebühr in Frankreich ist enorm teuer, aber die zweitrangigen Straßen gut ausgebaut und beschildert.

9.5.2006:
In der Früh muß die Lichtmaschine auf dem Parkplatz eines Supermarkts nahe Aix en Provence wieder raus. Erneut ist die Halterungsschraube im Gewinde gerissen und die Vibrationen wurden immer stärker. Wir werden’s aber ohne LiMa bis nach Hause schaffen, insh’allah.

Bei wunderbarem Wetter Fahrt über Cannes nach Nizza. Hier klettern wir auf der Autobahn über die Küste bei Monaco und Monte Carlo. Schöne Ausblicke auf die Häfen aber wir haben keine Lust mehr auf Erkundungen, wollen nur noch nach Hause.

Kurz vor Genua dann endlich nach Norden. Der Verkehr hält sich in Grenzen, sonst wären ein Verkehrshindernis. Wegen der Reifen fahren wir ja nach wie vor maximal 60 km/h. Das nützt aber nur bis kurz vor Ovada. Bei einem Pipistop sieht Max nach dem Uraltreifen rechts hinten und wird blaß: das Profil hat sich in einem großen Bereich vertschüßt, wir fahren auf dem Karkassengeflecht! Auch der Rest läßt sich mit den Fingern vom Gewebe abheben. Das heißt nix wie ‚runter von der Autobahn! Die langen, manchmal schlecht beleuchteten Tunnels ohne Pannenstreifen wären kein guter Ort um den berüchtigten Loch-Reifen aufzuziehen … Wir bereiten trotzdem alles vor: vom Pannendreieck bis zum Wagenheber liegt alles griffbereit. Der Beschluß, noch so weit wie möglich so weiterzufahren fällt einstimmig aus. Wir müssen’s riskieren. Auf der Bundesstraße bis Casteggio hält noch alles, als wir auf Schlafplatzsuche das offene Tor bei der Zufahrt zu einem Reifenhändler sehen. Kurz entschlossen biegt Max dorthin ab. Morgen wollen wir uns auf dem Gelände umsehen. Die Dusche auf dem geschotterten Platz ist ungestört – niemand läßt sich blicken, obwohl im der Werkstatt angeschlossenen Wohnhaus noch Licht brennt.

10.5.2006:
Während Heidi Frühstück macht, schildert Max den Angestellten das Problem. Ein Altreifen in passender Größe kann unter den Stapeln Gebrauchter nicht gefunden werden, ein Neuer kostet 360 Euro. Aber mit ein wenig Geduld und Suche wird der Werkstattleiter dann doch noch fündig und nach einigen Verhandlungen einigen wir uns auf 50 € inklusive Montage. Wir sind gerettet! Der Reifen hat zwar kaum noch Profil, aber er ist wenigstens noch ganz und so fahren wir viel beruhigter weiter.

Um 15 Uhr sind wir schon am südlichen Gardasee, die Pizza und der Rotwein in Torbole schmecken herrlich. Kleiner Einkaufsbummel dort und bei Einbruch der Dunkelheit Übernachtung in der Nähe von Brixen.

11.5.2006:
Durchs Pustertal an die italienisch-österreichische Grenze und ein letztes Mal Aufatmen, als ein Carabinieri unsere Pässe genauestens inspiziert. Der Hanomag ist aber auch ihm keinen zweiten Blick wert. Schon wieder Glück gehabt!

Felbertauern, kleines deutsches Eck und dann Salzburg! Nach 11000 Kilometern und gut 3 Monaten sind wir wieder zuhause. Herrliches Frühsommerwetter begrüßt uns, die Berge sind noch voller Schnee und überall blüht und grünt es.

Ein schönes Gefühl!

(Ende)

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