Transafrika – Teil 2: Türkei zwischen Euphrat und Tigris.

26.10.2022:
Ich bin also in Gaziantep und das Mosaikmuseum hier ist wirklich großartig. Die allermeisten Exponate kommen aus der Stadt Zeugma, knapp 60 km östlich von Gaziantep.

Weitere Details und Bilder der Mosaike findet man im Web, u.a. auf der Wikipedia-Seite des Museums und unter Zeugma. Es macht daher wenig Sinn dass ich hier alle meine eigenen Bilder ebenfalls hochlade.

Ich bin übrigens wieder mal auf der antiken Seidenstraße unterwegs. Hier der Beweis: 🙂

Gegessen wird downtown in einem besseren Kebabrestaurant, sehr üppig mit vielen Meze und Salaten, dazu als Getränk Ayran. Das Ganze kommt p.P. auf lediglich 130 TL ~ 8 €!

Burg von Gaziantep

Die Burg von Gaziantep am Abend

Leo und ich übernachten in einem nagelneuen, sehr gepflegten Caravanpark etwas außerhalb der Stadt. Hier kann man gratis stehen und für die Benutzung der Waschmaschinen und Trockner fällt auch keine Gebühr an. Das nutzen wir gerne und weidlich aus.

27.10.2022:
Nach einer Runde Büroarbeit und Blogupdates verabschiede ich mich von Leo, der als Couchsurfer weitermacht …

Leo

Leo: Metallkünstler, Autostopper und Couchsurfer aus der Steiermark

… und ich starte Richtung Nemrut Dağ, das ist einer der höchsten Berge hier und an seinem Gipfel gibt’s ein UNESCO-Weltkulturerbe zu bewundern. Aber zuerst noch – direkt an meinem einsamen Nachtplatz wo in der Schlucht die Wölfe heulen – eine großartige, 120m lange und 7m breite römische Brücke:

Severus-Brücke

Septimus-Severus-Brücke bei Nacht …

Severus-Brücke

Septimus-Severus-Brücke bei Tag

28.10.2022:
Gestern Abend hat mir ein lieber iranischer Freund, den wir auf der ersten Iranreise kennengelernt haben, angesichts der Entwicklungen dort dringend davon abgeraten, auch nur einen Fuß in sein Land zu setzen! Er hat wirklich Angst um meine Sicherheit. Wir haben uns schon beide sehr auf ein Wiedersehen gefreut aber nach reiflicher Überlegung und Studium der Twitter-Nachrichten zu den aktuellsten Geschehnissen im Iran (was man da z.T. zu sehen bekommt ist echt nix für schwache Nerven) entscheide ich mich schweren Herzens dazu, den Iran auszulassen. Jetzt muss ich überlegen wie es mit meiner Reise weitergeht.

Aber erstmal bei Sonnenaufgang los auf den Nemrut Dağ!
Eine monumentale Kombination aus Heiligtum und Grabstätte von und für den späthellenistischen König Antiochos I. (69–36 v. Chr.) erwartet mich, nachdem sich Luxi brav auf 1800m hochgeschnauft hat. Den Rest zum 2150m hohen Nemrut Dağ wandere ich bei starkem Wind hoch. Das Heiligtum sollte Zentrum einer neuen Religion sein, die persische und griechische Mythologie vereinte. Was blieb sind beeindruckende, große Götterstatuen, die König Antiochos in Gesellschaft von griechisch-persischen Göttern darstellen. Um Platz für die Errichtung des Heiligtums zu schaffen, wurden damals rund 300.000 m³ massiver Fels bewegt. Irre!
Im Laufe der Zeit haben Erdbeben, Unwetter und (vermutlich) Ikonoklasmus dazu beigetragen, dass ein großer Teil der Reliefs zerstört und die einstmals 8–10 m hohen Statuen heute kopflos sind. Die Häupter sind jetzt vor den Statuen aufgestellt.

Ich bin praktisch mutterseelenalleine hier, was den tollen Eindruck dieses sehr ungewöhnlichen Monuments verstärkt. Zu Sonnenauf- und -untergang sind wohl dutzende türkische Touristen hier, nach den Kleinbussen zu urteilen, die mir heute entgegengekommen sind. In der Hochsaison will ich mir das gar nicht vorstellen.
Beim Abstieg treffe ich noch einen sehr sympathischen Malaysier der sich gar nicht mehr einkriegt, als ich ihn in seiner Muttersprache anrede :). Wir unterhalten uns noch ein bisserl und tauschen unsere WoMo-Erfahrungen aus. Er hat nämlich auch mehrere Wohnmobile in Malaysia. Ein Russe der hier oben ebenfalls parkt, komplettiert das ungewöhnliche Treffen.

Ich aber muß überlegen wie ich jetzt mit meiner Route weitermache.

Niemals hätte ich gedacht, dass ich jemals einen solchen Satz sagen würde:
„Ich denke, ich fahre über den Irak. Das ist wohl sicherer!“

Am Abend schlafe ich schon nahe des Euphrat. Hier kommt er zum ersten Mal in den Blick:

Euphrat

Der erste Blick auf den Euphrat

Euphrat

Durstiges Pferd säuft den halben Euphrat leer

29.10.2022:
Vom Euphrat und Tigris, dem Zweistromland und der Wiege der Zivilisationen habe ich vor 40 Jahren mal was im Geschichtsunterricht gehört. Das war für mich damals und noch bis vor kurzem wahnsinnig weit weg, auch wenn ich auf früheren Reisen schon an der Gegend „gekratzt“ habe. Nie hätte ich aber gedacht, dass ich jetzt live in dieser geschichtsträchtigen Gegend ‚rumkurven kann.

Was ich auch nicht gedacht hätte: Was für ein unglaublich desperates, karges Land das hier ist. Zwischen Euphrat und Tigris sollen doch die Menschen das erste Mal so richtig sesshaft geworden sein, erste Städte gegründet und Infrastrukturen entwickelt haben? So zumindest hat mir das damals mein Geschichtsprofessor erzählt. Na, der kann nie hier gewesen sein: Die Landschaft, die ich heute durchquere ist eine einzige Steinwüste. Über hunderte Kilometer buchstäblich nichts als kopf- bis koffergroße Steine, dazwischen nur ausgedorrte Disteln an denen ab und zu ein paar verzweifelte Ziegen knabbern. Na gut: Das besagte, sagenhafte Zweistromland Mesopotamien war wohl weiter südlich gelegen, im heutigen Irak. Hier jedenfalls war’s bestimmt nicht – oder haben sich seit damals die fruchtbaren Zonen so weit verschoben? Hmmmm …. wenn man bedenkt, dass vor wenigen tausenden Jahren auch die Sahara grün war, mit Rinderherden, Flusspferden und Giraffen … Na ja, das wird’s wohl sein.

Wenn man stundenlang durch diese Einöde zockelt, durch archaische Landschaften in der die moderne türkische Infrastruktur wie ein aus der Zeit gefallener Fremdkörper wirkt, dann hat man halt Zeit sich so seine Gedanken über Geschichte und Zukunft der Menschheit zu machen …

Wenige Kilometer vor der Stadt Diyarbakir werden die Steinbrocken plötzlich weniger, die Disteln von landwirtschaftlich produktiven Feldern abgelöst und ich rolle in die „Hauptstadt der türkischen Kurden“ ein. Ziemlich schnell wird mir das angesichts der Militär-Checkpoints bewusst, an denen ich meist durchgewunken werde. Sobald die Soldaten merken, dass ich Ausländer bin, will man den zuerst verlangten „Passport!“ gar nicht mehr sehen. So oder so ist die Situation sehr entspannt, die Soldaten sind meist bis an die Zähne bewaffnet und sehen in ihren gepanzerten Wagen recht martialisch aus, geben sich aber relaxed. Ich denke mir: „Wenn die relaxed sind, kann ich es auch sein!“ und parke einfach irgendwo nahe der von einer massiven Stadtmauer umgebenen Altstadt (die weltweit zweitgrößte Mauer nach der chinesischen!!!) und lasse mich von der Samstag-abendlich wurligen Stadt einfangen.
Man sieht hier alles: von älteren Damen im schwarzen Tschador bis zu jungen Mädels im Minirock. In den Lokalen ist einiges los, aber ich ergattere noch einen guten Platz in einem der besseren Restaurants, das in einer ehemaligen Karawanserai (Seidenstraße!) untergebracht ist. Seeehr gutes Essen, spottbillig. Danach ein kurzer Stadtbummel: Die Lokalszene ist anregend, es wird viel live-Musik gemacht und gerne auch mal spontan auf den Straßen getanzt. Trotz des kurdisch-relaxten Zugangs zu Religiosität ist bei Alkoholausschank Fehlanzeige – oder (und das ist sehr viel wahrscheinlicher) ich war nicht zur richtigen Zeit an den richtigen Orten. Na ja, macht ja nix.

30.10.2022:
Die Nacht war richtig frisch, knapp 8 Grad draußen, drinnen im Auto morgens 15°C. Zum ersten mal kommt die Standheizung zum Einsatz. Die strahlende Sonne wärmt aber auch Ende Oktober noch immer gut und ab 9 Uhr kann man schon wieder im T-Shirt draußen unterwegs sein.
Ich treffe ein Schweizer Pärchen (für mich die ersten Mitteleuropäer seit langem) und wir plaudern ein wenig. Sie kommen vom Vansee und fahren weiter in Richtung Westen. Schade, ich hätte eigentlich für die kommenden Tage ganz gerne ein zweites Auto, damit man an den Grenzen gegenseitig ein bisserl aufeinander aufpassen kann. Die Grenze ‚rüber in den Irak ist berüchtigt …

Der Stadtbummel fällt relativ kurz aus. Diyarbakir gibt – so wie viele Städte der Osttürkei – jetzt nicht wahnsinnig viel her. Die große Moschee schau ich mir an…

Ula Cami

Ula Cami, die große Moschee Diyarbakirs

Ula Cami

Ula Cami, die große Moschee Diyarbakirs

… komme mit ein paar Einheimischen ins Gespräch, spaziere die in Renovierung befindliche Stadtmauer entlang und fotografiere eine Ziegenherde die das große Los gezogen hat: Saftiges Gras mitten in der Stadt.

Ziegen

Man kann Gras auch fressen. Wenn man eine Ziege ist.

Stadtmauer

Einer der vielen wuchtigen Verteidigungstürme der Stadt.

Als ich ein kitschig-verkleidetes Hochzeitspärchen sehe, flüchte ich aus Diyarbakir.

Hochzeitspaar

Kann man schön finden, muß man aber nicht.

Es geht den Tigris entlang, und jetzt dominieren Baumwollfelder. Baumwolle sprichwörtlich so weit das Auge reicht. Diese Pflanze benötigt viel Wasser und jetzt weiß ich auch warum der einst mächtige Tigris bei Diyarbakir nur mehr ein müdes, ausgelaugtes Flüsschen ist.
Unvermutet stoße ich kurz vor Hasankeyf auf einen Stausee wo ich gut stehen kann. Nachdem eh ein wenig Vorbereitungsarbeit ansteht, mach‘ ich für heute Schluß. Eine Fischerfamilie (5 Kinder!) kommt vorbei, mit Google Translate kommt eine zwar stockende, aber dank Händ‘ und Füß‘ sehr freundliche Unterhaltung zustande. Der Fischer erzählt mir, dass er jeden Tag so 2-5 kg Fische aus dem trüben Tigriswasser holen kann. Dann lädt er mich noch zum Abendessen ein was ich dankend ablehne und ich bin alleine. Endlich.

Am Tigris

Standplatz am Tigris-Stausee.

Ich mach’s mir gemütlich, hol‘ ein Bier aus dem Kühlschrank und ein Gin-Tonic hat auch noch Platz. Kochen muß ich heute nicht, ein paar Nudeln sind kürzlich übriggeblieben 🙂

31.10.2022:
Seit langem wieder mal ein bewölkter Tag. Das passt mir gut, ich muß mir eh Gedanken machen über die weitere Route. Dadurch dass der Iran ja weggefallen ist, muß ich mich mit dem Irak viel früher beschäftigen als geplant. Da gibt’s eine Menge zu recherchieren was Ein- und Durchreise betrifft. Schließlich ist es nicht so als würde man schnell mal auf einen Kaffee nach Italien fahren.

Wen es interessiert, hier ein paar Fakten zu einer Irak-Reise anno 2022:
Das Land ist de facto zweigeteilt: Im Norden die „Autonome Region Kurdistan“, im Süden der eigentliche Irak.
Im Norden haben die Irakis so gut wie nichts zu melden. Irakisch-Kurdistan ist viel autonomer als z.B. Südtirol. Es hat eigenständiges Parlament mit Sitz in Erbil und unterhält vor allem eigene Militäreinheiten, die Peschmerga. Dieser Teil des Irak gilt dank der Peschmerga, die den IS verlust- aber erfolgreich aus dem Land geworfen haben und für Sicherheit sorgen als weitgehend stabil. Das hat der Region zu relativem Wohlstand verholfen, denn nur wo Ruhe herrscht, können die Öl- und Gasvorkommen auch ausgebeutet werden.

Für mich als Reisenden bedeutet das – neben einem an der Grenze zu erhaltenden Visum – einen entspannten Teil der Strecke durch den Nordirak.

Danach geht’s durch den „eigentlichen“ Irak weiter und da wird’s echt spannend oder schwierig, wie man’s halt sieht. Es ist nämlich NICHT möglich von Irakisch-Kurdistan einfach in den „eigentlichen“ Irak weiterzureisen. Dazu später mehr. In diesen eigentlichen Irak muß ich aber, wenn ich danach auf die arabische Halbinsel weiter will (siehe Teil 1).

Das knifflige ist die Sicherheitslage im Zentralirak. Es wird an jeder Ecke von Polizei, Armee oder irgendwelchen Securities kontrolliert, trotzdem sind einige Teile des Landes „off limits“, weil der IS oder irgendwelche Milizen die Gegend (zumindest nachts) immer noch beherrschen. Das heißt, der Zentralirak ist im wesentlichen eine unsichere Gegend, in die Militär und Polizei mit großen Aufwand sichere Korridore und Inseln „eingebaut“ haben. Die Korridore sind die Fernstraßen die nahezu lückenlos überwacht werden. Die Inseln sind sichere Städte wie Bagdad und Tigrit die man nur nach passieren von mehreren Checkpoints erreicht. Die Fernstraßen sind jedoch nur am Tag sicher, nachts sollte man in den sicheren Städten sein.

Im Südirak sollte es dann von der Sicherheitslage wieder etwas besser sein, aber lange noch nicht so wie in irakisch-Kurdistan.

Verwirrt?
Ich war’s anfangs auch 🙂

Na ja, und jetzt verbringe ich halt den Tag damit mir diese Informationen aus den verschiedensten Quellen herauszusuchen und die mittlerweile überholten Angaben von den aktuellen zu filtern.
Mein Dank gilt an dieser Stelle der Handvoll Reisenden, die diese Strecke vor mir schon geschafft und ihre Erfahrungen geteilt haben.

Außerdem gibt es – neben so Details wie „Wie bekomme ich eine irakische SIM-Karte“ oder „wie sind die Zollbedingungen“ noch einen richtigen Knackpunkt und der betrifft das Visum.

Das „Visa on Arrival“ (VoA) das man an der türkisch/kurdisch-irakischen Grenze bekommt gilt nämlich nicht für den gesamten Irak sondern nur für den kurdischen Teil. Das ist der erste Teil des Problems. Die irakischen Behörden stellen aber kein Visum vorab aus. Ich hab’s seit Tagen versucht, man kommt telefonisch bei keiner Botschaft (Istanbul, Wien, Berlin) durch. Auch von mehreren Visum-Servicestellen habe ich Absagen bekommen.

Nun ist letztes Jahr ein Reisender auf eine Idee gekommen: Man muss nach Bagdad fliegen, denn dort und nur dort gibt’s ein VoA.

Für mich heißt das: Den Luxi im kurdischen Teil des Irak stehen lassen, nach Bagdad fliegen, mir dort ein Visum on arrival holen, damit dann zurück nach Kurdistan und mit dem eigenen Fahrzeug dann erst in den „eigentlichen“ Irak einreisen. Völlig verrückt, wegen eines Stück Papiers fliegen zu müssen!

Dann gibt’s aber noch ein zweites Problem: Wenn man mit eigenem Fahrzeug einreist, wird an der türkisch/kurdisch-irakischen Grenze der Pass einbehalten. Den bekommt man erst wieder zurück, wenn man mit dem Fahrzeug hier im Norden auch wieder ausreist. DAS wird an diesem für seine chaotischen Abläufe und lang-dauernden Abfertigungen (es ist von 6-9 Stunden die Rede) berüchtigten Grenzübergang die eigentliche Challenge. Vor einigen Tagen haben’s Deutsche geschafft, den Pass behalten zu dürfen, es war nach ihren Aussagen ein Marathon. Mal schau’n ob auch ich fit genug bin.

Vielleicht hilft es, dass ich ein Carnet (Zollpapiere für’s Auto) habe und heute beantrage ich gleich ein Visum für Kuwait. Dann kann ich das schon mal als „Beweis“ vorlegen, dass ich weiter will.
Waaarte mal – vielleicht behaupte ich einfach, daß ich mir in Katar ein WM-Fußballspiel ansehen will. Stimmt – das ist DIE Idee! Die Fußballverrückten hier haben dafür bestimmt Verständnis. 🙂

Jedenfalls dürfte es spannend werden – haltet mir die Daumen.

01.11.2022:
Der November beginnt wie es sich gehört mit etwas Nebel, der sich aber bald verzieht. Ein Wiedehopf und zwei Schwarzstörche sind relativ nahe beim Auto. Die letzteren, sehr scheuen Vögel dürften hier wohl Zwischenstation auf der Migrationsroute nach Afrika machen. Kollegen, sozusagen.

Der November beginnt auch mit noch etwas positivem: Heute morgen ist das Kuwaitische e-Visum schon in meinem Posteingang.
Seht her, liebe Irakis und nehmt euch ein Beispiel. So geht das!
Kuwaitisches Visum
Auf der Fahrt Richtung Dreiländereck Türkei-Syrien-Irak komme ich an einem auffallend herausgeputzten Städtchen vorbei. Viele einheimische Touristen spazieren herum. Damit ich nicht womöglich was versäume, parke ich kurzerhand und marschiere in die Altstadt von Midyat. Es ist touristisch, ja. Aber auch eine wirklich schön erhaltene bzw. restaurierte Altstadt. Ich bin gerade richtig zum Sonnenuntergang hier, das Licht ist ganz gut.

Auffallend viele Weinhandlungen gibt es in der Altstadt (siehe letztes Galeriefoto). Das habe ich bisher in der Türkei in dieser Form noch nicht gesehen. Hier decken sich offensichtlich viele einheimische Touristen mit einem gutem Tröpfchen ein.

02.11.2022:
Gut geschlafen habe ich in dieser einsamen Gegend, aber morgens ist es jetzt schon ungemütlich kalt:

Außentemperatur ca. 10°C, drinnen hat es auch nur 16-17 Grad (auf 700müM).
Ich denke ich sollte jetzt wirklich in den Süden weiterfahren.

In der Grenzstadt Gizre – nur wenige hundert Meter von Syrien entfernt – bekomme ich ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann: Die beiden Vordersitze des Toyota bekommen neue maßgeschneiderte Sitzbezüge, um umgerechnet 32 €. Ein neuer Lenkradbezug wird dann auch noch aufgenäht.

Währenddessen sitze ich am Schreibtisch des Chefs und update den Blog.

Andere Nachrichten sind nicht so gut:
Offensichtlich versucht Teheran, von den innenpolitischen Problemen abzulenken.

Ich nehme jedenfalls schon mal die Sticker ab, die uns vor ein paar Jahren iranische Snowboarder geschenkt haben. In den Ländern in die ich jetzt fahre, ist der Iran nicht gut angeschrieben.

In einer Shoppingmall mit kleinerem Migros-Supermarkt gebe ich meine letzten türkischen Lira aus und dann geht es ein paar Kilometer unmittelbar an der stark gesicherten syrischen Grenze entlang. Checkposten gibt es hier keine, gestern bin ich bei 2 oder 3 vorbeigekommen, bin aber durchgewunken worden.
Dann ist es nicht mehr weit bis zur Grenze.

Schild Grenze

Die Spannung steigt 🙂

Der letzte Kilometer vor der Grenze hat’s dann in sich: Als ich mich nähere, gibt es praktisch keinen Individualverkehr, nur eine einzige 3spurige LKW-Kolonne. Ich muß dann auf der Autobahn wenden (Geisterfahrermodus) um Luxi zwischen zwei Betonabsperrblöcken durchzuquetschen, dann kann ich mich vorne einreihen.

Die Abfertigung auf der türkischen Seite geht ein bisserl mühsam, die Leute drängeln. ich habe auch noch 4,75 TL Mautgebühr nachzuzahlen, der Computer kennt da keinen Pardon. Das sind umgerechnet 30 Eurocent und die Höhe des Betrages erheitert die Umstehenden ungemein. Die haben alle hunderte Lira zu berappen. Anm.: Wenn man keine Mautkarte hat, ist es billiger hier an der Grenze nach zu zahlen, viele machen das scheinbar regelmäßig so.

Dann geht’s über eine Brücke auf die irakische Seite der Grenze.

Mein Plan war ja eigentlich, heute noch die türkische Seite zu machen um mich dann im Niemandsland aufs Ohr zu legen um morgen ausgeruht den schwierigeren irakischen Teil zu machen. Aber bisher geht’s ganz gut, mal schauen wie weit ich komme…

Nach einer ersten Pass- und Covid-Impfungskontrolle sollte ich eigentlich bei einem Schalter das Visum kaufen. Der Schalter ist aber verwaist und wohl für heute schon geschlossen. Ich frage nach (danke, Google Translate!) und man schickt mich ins Hauptgebäude.

Anstellen

Wir sind das in Europa schon gar nicht mehr gewöhnt: An der Grenze anstellen, Stempel holen etc.

Hier werden nun meine Daten ins Computersystem eingetragen und ich bekomme eine Plastikkarte die wohl meinen Datensatz gespeichert hat. Dann wieder an einer anderen Schlange anstellen und da ich hier der einzige Europäer bin merke ich erst als ich dran bin: Ich muss woanders hin, nämlich zum Chef. Der ist mir zuvor schon aufgefallen, weil er so viele Sterne an seiner Uniform hat und – als er mit dem Ablauf wohl nicht zufrieden war – seine Untergebenen scharf zurechtgewiesen hat.
„Na“, denke ich, „der hat heute wohl nicht seinen besten Tag“, als er dann auch noch diejenigen Leute in der Schlange drängeln ganz ans Ende zurückschickt.

Jedenfalls muß ich wohl bei ihm mein Visum kaufen (70 €). Ich hab mit ein paar höfliche Begrüßungsworte auf kurdisch zurechtgelegt und die wirken schon mal als Eisbrecher. Dann fragt er mich wohin ich will und ich erzähle ihm die Geschichte mit der Fußball-WM in Qatar die ja bald beginnt. Der Plan geht auf 😉
Er ist sehr freundlich, wir reden eine Viertelstunde lang über Gott und die Welt. Ich zeige ihm die verschiedenen Stempel in meinem Pass (Seychellen: „Looks like a woman’s arse, ha, ha!“) und er erzählt mir von seinem vergeblichen Versuch, mal als Tourist nach Europa zu fahren. Ein Visum sei ihm verweigert worden. „You know“, sagt er, „they think I would come to stay in Europe like so many others from Iraq. But I have a very good job here, earn 2000 US$ a month with free insurance, no taxes, even my food is being paid for by the government. Do they really think I would give that up for a miserable life in Europe, as a refugee or cleaning toilets for 1000 Euros a month? No way! Instead of taking my tourist money, you Europeans refuse me a visa. But you let all the no-haves from Iraq and Afghanistan come and you feed them!“

Tja, was soll man darauf antworten?

Mein Visum habe ich also, den Pass musste ich auch nicht da lassen – das war gar kein großes Thema so wie befürchtet.
Jetzt geht’s zum Zoll, wegen des Autos.

Auch hier sind ein paar Schalter abzuhaken aber es so gut wie nix los, die türkischen und einheimischen Fahrer können diesen Bereich wohl auslassen. Mein Auto wird nicht durchsucht, nur die Chassisnummer mit den Papieren abgeglichen. Kleines Problem dann, weil ich nicht die Original-Nummernschilder dran habe sondern nur Duplikate. Ich dachte, die würden hier doch nicht wissen wie ein österreichisches Nummernschild aussieht, aber denkste. Nach etwas hin- und her geht muß ich die Originale rauskramen, dann ist das auch erledigt.

Ein paar Papiere hab ich bekommen von denen ich erstmal rausbekommen muß, was wofür ist. Papiere Nach etwa 3 Stunden bin ich im Irak, in der Autonomen Kurdischen Republik. Wow, das ging ja viel leichter als befürchtet.

Welcome

Ich stelle mich dann auf einen Parkplatz nahe der Grenze, wechsle an der Tankstelle Geld (100 US$ zu 143.000 irakischen Dinar, ein minimal schlechterer Kurs als normalerweise aber Wechselstube habe ich hier keine gesehen), dusche und futtere erstmal was. Dinar

Fortsetzung im nächsten Kapitel: Im Irak

Die folgende Karte beinhaltet alle Fahrten (meist lt. GPS-Aufzeichnung).
Sie ist zoom- und verschiebbar.

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8 Antworten zu Transafrika – Teil 2: Türkei zwischen Euphrat und Tigris.

  1. Heidi sagt:

    Guten Morgen mein Abenteurer,
    wenn ich die Bilder der Mosaike und die Heiligtümer des Nemrut Dağ betrachte, beneide ich dich wirklich sehr. Das hätte ich echt auch gerne gesehen, das ist so unfassbar beeindruckend. Ich schick dir Grüße und Küsse aus der Heimat und alles Gute für die Weiterfahrt, Heidi.

  2. Bine sagt:

    Servus Max,
    wie immer wenn du auf Reisen bist, bedanke ich mich für deine Einträge, die ich gerne verfolge. Abgesehen davon, dass ich am Laufenden bin wie es dir und deinem Luxi 😀 geht, servierst du mir die Welt auf meinen Schreibtisch zu Hause. Deine Bilder und die spannenden Kommentare dazu sind immer wieder erfrischend. Ich wünsche dir eine schöne Zeit und freue mich auf deinen nächsten Eintrag. Wünsche dir einen schönen Sonntag und viele weitere, positive Erlebnisse.
    LG Bine

  3. Anonymous sagt:

    Servus Max,
    Das Einzig Beständige ist die Veränderung 😀
    Im Falle von „Verständigungsschwirigkeiten“ einfach auf Lungauer Mundart wechseln 😉
    Wünsche dir und uns noch eine spannende Reise mit vielen Eindrücken.
    Lg Joe Cool

    • Max sagt:

      Stimmt, Sepp. Die Veränderungen machen das Leben zu dem was sie sind. Hauptsach‘ man schwimmt obenauf und lässt sich nicht unterkriegen. So wie Du.
      LG Max

  4. Anonymous sagt:

    Ach Ja,
    das mit der Flucht vor oder von der Hochzeitsgesellschaft habe ich nicht verstanden 😉
    LG

  5. Bine sagt:

    Servus Max,
    hab mir gerade deine Einträge der letzten Tage durchgelesen und muss die Eindrücke und Bilder in meinem Kopf erst verarbeiten. Nachdem ich aber sicher bin, dass du dir die Weiterreise, wie auch immer deine Route verlaufen mag, gut überdenkst, bin ich positiv gestimmt.
    Bzgl. Brautpaar: falls du Heidi einmal heiraten solltest, wird das wohl im „Rad´l-Dress-Outfit“ irgendwo auf an Berg oder See stattfinden … oder so ähnlich :D:D:D (Spaß) aber du hast vollkommen recht: so steif, gekünstelt und übertrieben aufgetakelt ist auch nicht meins.
    Auf alle Fälle freue ich mich auf deinen nächsten Eintrag und wünsche dir bis dahin eine entspannte Zeit.

  6. Hélène sagt:

    Tes photos sont fantastiques ! Merci de partager ce voyage. Bises
    Hélène