Iran 2018 Teil 14: Von Iran nach Aserbaidschan

Hier geht’s zurück zum Teil 13 des Reisetagebuches.

Beluga-Stör, Kiwis, Gazellen, Schlammvulkane und Baku

5.6.2018:
Gestern Abend waren wir in Bandar Anzali lecker Essen. In Ghilan (so heißt die Provinz in der wir sind) genießt die Küche innerhalb des Iran einen hervorragenden Ruf und das können wir bestätigen.

Ansonsten ist für mich irgendwie die Luft heraußen, was den Iran betrifft. Seit wir das Visum für Aserbaidschan bekommen haben steht dieses Ziel im Vordergrund und solche Highlights wie im restlichen Iran bietet die Kaspische Region jetzt auch nicht mehr.

Wir besuchen noch den kleinen aber bunten, lebhaften Markt in Bandar Anzali:

Eingelegter Knoblauch ist äußerst beliebt …

… und wer ihn nicht fixfertig kaufen will, findet genügend Rohmaterial:

Leckere Kirschen gibt’s zum Spottpreis:
Auch ein junger Stör findet sich im Angebot:

Währenddessen wird unser WoMo wie immer sehr interessiert begutachtet:

Danach kaufen wir nochmal ordentlich Trockenfrüchte ein und ich suche uns zum Übernachten ein ruhiges Plätzchen am Kaspischen Meer.

6.6.2018:
Die paar Kilometer zur aserbaidschanischen Grenze sind schnell absolviert. Die Fahrt geht durch Reisfelder und Kiwiplantagen. Der flache Küstenbereich zwischen Meer und Bergen ist teilweise nur wenige Kilometer breit.

Manchmal erinnert mich die Landschaft an Indonesien, manchmal sogar an die Seychellen (ok, den Strand und das Meer nehmen wir jetzt mal aus dem Vergleich heraus!).

Dann reisen wir mit einem weinenden und einem lachenden Auge aus dem Iran aus.
Die Menschen sind wohl die gastfreundlichsten und hilfsbereitesten der Welt. Danke liebe Iranis! Ihr habt die Reise zu etwas ganz besonderem gemacht.
Manchmal war die Freundlichkeit fast zu groß, in den letzten Tagen waren wir manchmal froh, nicht angesprochen zu werden. Ich denke, damit ist es auch an der Zeit für uns zu Gehen.

Bei der Ausreise am Grenzübergang Astara (sehr ruhig, praktisch keine Privatautos, nur LKWs) dann eine Überraschung: Es muss für den exportierten Sprit Dieselsteuer gezahlt werden. Das war mir vorher nicht bekannt, auch nicht von Reiseforen.

Jedenfalls bekomme ich einen offiziell aussehenden, gedruckten Beleg und den muss ich bei der Endkontrolle auch vorweisen, also dürfte das schon seine Richtigkeit haben. Wäre ja auch das einzige Mal gewesen, dass mich im Iran jemand übers Ohr hauen wollte. (Nachbemerkung: Dies war nach Aussagen anderer Iranreisender ein Trick, eine Diesel-Exportsteuer gibt es nicht. Aber was willst machen?)
Jedenfalls kratze ich die umgerechnet 9 Euro auch noch irgendwie zusammen und etwas unübersichtlich geht’s durch Holzlagerplätze und staubige Schlaglöcher zur Passkontrolle. Auch hier alles paletti und nach einer halben Stunde sind wir aus dem Iran ausgereist.
Nach der kleinen Grenzbrücke erwartet uns ein ganz anderes Bild: Gepflegte Grenzgebäude, alles tiptop. Zöllner und Soldaten in an russische Uniformen erinnernder Kleidung und die Büros nüchtern, fast leer, aufgeräumt.

Wir können heute noch nicht einreisen, aber das war uns eh (fast) klar. Unsere Visumgültigkeit beginnt erst um Mitternacht und so vertrödeln wir die restlichen Stunden im No-Man’s Land.

7.6.2018:
Wir haben dann doch noch an der Grenze geschlafen, das mit den LKWs war nicht so tragisch. In der Nacht haben nur sehr wenige Brummis den Schlagbaum passiert. Nur heiß war es, kaum ein Lüfterl ging. Also erscheinen wir relativ ausgeschlafen im aserbaidschanischen Grenzgebäude und können die Formalitäten rasch hinter uns bringen.
Auf der „zivilen“ Seite der Grenze jede Menge nagelneuer Bauten am Meer, sehr gepflegt alles und: so gut wie kein Müll!
Die Frauen ohne Kopftuch, ohne Hijab, dafür mit kurzen Röcken!
Aserbaidschan (Azerbaijan) ist zwar auch islamisch, aber auch so etwas wie frei sichtbar aufgehängte Wäsche würde man im wesentlich konservativer islamischen Iran niemals sehen: 😉

Der erste Eindruck des Landes? Kommt mir vor wie Bosnien oder vielleicht Kroatien, die Leute sind aber freundlicher hier 🙂 Und es tut gut, die Schrift wieder halbwegs lesen zu können. Aserbaidschanisch ist mit der Türkischen Sprache stark verwandt und nur wenige Buchstaben muss man neu „lernen“.
Statt Peugeot-Khodras wie im Iran fährt man hier entweder einen alten Lada oder einen neuen Mercedes. Die LKWs sind fast alle russische Kamaz.

Erster Stop dann gleich bei einer für dieses öl- und erdgasreiche Land prototypischen Stelle: An dieser Quelle tritt „brennendes Wasser“ aus. Die Lösung des scheinbaren Widerspruchs: Das Wasser ist stark methanhaltig und man kann das Wasser entzünden, es brennt mit klarer Flamme! Wow.

Videoclip:

Es geht auf ziemlich ruppiger Asphaltstraße dahin, aber wir sind diesbezüglich vom Iran ja schon einiges gewöhnt. Die Dörfer sind sehr sauber, aber plötzlich sieht man keine Melonen mehr, die im Iran noch allgegenwärtig waren! Stattdessen werden am Straßenrand „nur“ noch Tomaten, Zwiebel, Kartoffeln und Kirschen angeboten. In den Supermärkten bekommt man aber natürlich alles: Auch z.B. Rauch-Fruchtsäfte und endlich (!!) wieder Tonic Water für unseren G&T. Im Iran haben wir uns mit Sprite ausgeholfen. Wir haben’s überlebt.

Im Allgemeinen ist (außer bei Importware) das Preisniveau um einiges günstiger als bei uns aber höher als im Iran.
Das war nicht immer so: Erst nach dem Ölpreisverfall 2015 war auch der Aserbaidschanische Manat gegenüber dem Euro plötzlich nur mehr die Hälfte wert. Das macht die Preise hier für uns attraktiv.

Nördlich von Lankaran biege ich ab zum Qizilağac Naturpark aber der gibt nicht wirklich viel her. Macht aber nix, der NP lag sowieso fast am Weg.

Die neue Autobahn von der Hauptstadt Baku nach Astara ist fast fertig, aber noch nicht ganz. Wir schummeln uns irgendwo trotzdem auf die popoglatte Asphaltbahn und genießen die schlaglochfreie Fahrt.

Dann versuche ich auf gut Glück und mit dem Motto „Frechheit siegt“ einen Besuch bei einer Stör-Farm. Einige Zeit vergeht bis ich sie nach den ungenauen Beschreibungen im Reiseführer gefunden habe, aber obwohl es schon spätnachmittags ist, treffe ich noch auf jemanden der „was zu sagen hat“ und wir können die Aufzuchtstation prompt besichtigen, bekommen sogar eine Führung. Jippee!
In dieser Aufzuchtstation werden die wegen der Kaviar-Nachfrage stark gefährdeten Beluga-Störe groß gezogen und danach ins Kaspische Meer entlassen. Einige Tiere bleiben hier, ihnen wird der Rogen bzw. der Samen entnommen und somit ist die nächste Generation gesichert.

Mini-Belugas sehen aus wie Kaulquappen:

Die größeren Exemplare werden in Betonbecken gehalten:

Wir sehen einige richtig mächtige Tiere. Diese hier haben mittlere Größe:

Nachdem wir uns überschwänglich bedankt haben, peile ich etwas an das mir schon bei der Hinfahrt aufgefallen war: Einen richtigen aserbaidschanischen Biergarten!

Nach dem alkoholfreien Iran – was für eine Freude! Eine wirklich leckere Halbe kostet umgerechnet 0,75 Euro. Zum Essen gibt’s leider nichts außer geräucherten Käse (genauso wie der den uns Robert mal aus seiner Heimat Slowakei mitgebracht hat), aber der ist im Preis inbegriffen. Ausserdem darf man „bräustüblmäßig“ seine eigene Jause mitnehmen.

Ich kann /will danach keinen Meter mehr fahren und wir übernachten direkt beim Biergarten, was den Hund in der Nacht ein paarmal aufregt. Blöder Köter!

8.6.2018:
Der Şirvan Nationalpark ist für das Vorkommen der einzigen europäischen Gazellenart bekannt (ja, sowas haben wir hier in Europa!), der Kropfgazelle.
Es sind gleich mehrere Rudel zu sehen. Leider sind die Tiere etwas „Leut-scheu“.

Gleich daneben ein paar Ölpumpen …

Außerdem ist der Park mit seinen Schilfgürteln um die vielen kleinen Seen ein Vogelparadies.

Auffallend vor allem die vielen Rötelfalken.

Den Großteil des Tages verbringen wir im Nationalpark, dann beschließen wir kurzerhand heute noch zu einem Schlammvulkan zu fahren.
Was das ist, ein Schlammvulkan? Ihr werdet sehen.

Erst geht es an einem Ölschlammfeld vorbei über eine wilde Piste (in Wirklichkeit viel schlimmer als es auf dem Bild aussieht) steil nach oben und dann stehen wir …

… oben auf dem Vulkan mit den aus getrocknetem Schlamm gebildeten kleinen Hügeln.

An der Küste erscheinen schon die ersten Lichter aber wir sind sofort fasziniert und machen gleich einen ersten Erkundungsgang.

Schwer zu beschreiben, aber es ist einfach cool, wie es überall aus einem guten Dutzend Mini-Kratern spuckt und gurgelt und blubbert.

9.6.2018:
Die Nacht war einsam und total ruhig, man hörte um uns herum nur das leise Blubbern der Schlammvulkane, hier oben in der mondartigen Landschaft.
Manche Vulkankegel haben ganz dickflüssigen Schlamm, andere dagegen eher dünnflüssigen…

… und manche bilden einen richtigen See aus deren Mitte ständig Methangas ausströmt wie in einem Jacuzzi:

Ich bin fasziniert. Vor vielen, vielen Jahren hatte ich mal in Kolumbien in einem Schlammvulkan gebadet, aber die hier sind nicht so fein warm wie der kolumbianische „Volcan Tatumo“, sondern eher zu kühl um darin zu Baden. Heute ist es ausnahmsweise bewölkt und es weht ein kühler Wind, darum komme ich gar nicht erst in Versuchung.
Stattdessen kann ich mich nicht sattsehen.





Nachdem am Vormittag dann immer mehr Besucher auftauchen (wir sind jetzt wieder bei den gewohnten Sa/So Wochenenden, nicht mehr Do/Fr wie im Iran), fahren wir los in Richtung der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku.
Zuvor versuche ich noch zwecks einer Besichtigung zum größten Öl- und Gasverladehafen des Landes zu kommen, stoße aber in der Halbwüste nur auf einen laaaangen Zug mit Ölwaggons, einer Gasabfackelung und auf relativ nervöse Militärs :).

Kurz darauf fahren wir in Baku ein. Ich komme mir schön langsam vor wie in einer Zeitmaschine: Vor wenigen Tagen noch im Iran, dann scheinbar am Mond und nun in der Zukunft! Ich bin ja sonst eher ein Architekturbanause. Aber was man hier sieht, beeindruckt mich durchaus. Aha, so kann man also auch bauen!
Ich biege gleich beim erstbesten Parkplatz ein: In fußläufiger Entfernung zur Innenstadt, an einem Park und an der Uferpromenade gelegen. Angenehm kühler Wind vom Kaspischen Meer her, herrlicher Blick auf das Wahrzeichen der Stadt, die „Flame Towers“. Dahinter die Baustelle der „Caspian Waterfront Mall“, die wohl nicht nur mich an das Opernhaus von Sydney erinnert.

(Hier sieht man wie die Mall aussehen soll wenn sie fertig ist: Klick)

Freies schnelles WLAN gibt’s hier und alles ist pipifein sauber. Anfangs habe ich sogar Skrupel den gepflegten, dicken Rasen zu betreten 🙂

Hier als weiteres Architekturbeispiel das Teppichmuseum gleich um die Ecke:

Und da die Flame Towers, die uns abends prächtige Farbenspiele vor den Nachthimmel zaubern:

Die Fußgängerzone schwirrt von gut gelaunten, bestens gekleideten Menschen zwischen Designershops, Restaurants und gediegenen Outlets.

Wir gehen wirklich sehr lecker essen, trotz bester Innenstadtlage kostet es nur 10 Euro pro Person, inklusive Getränke und service charge.
Dann noch ein Spaziergang durch die nicht minder attraktive Altstadt.

Das hätte ich mir nicht träumen lassen, dass Baku so toll ist! Wenn nur das Meer noch sauber wäre. Aber das ist der Pferdefuß an der ganzen Geschichte: Der Reichtum der Stadt gründet sich auf Öl und Gas. Die Natur leidet darunter, auch wenn man in der trüben Brühe hartnäckige Fische schwimmen sieht.

10.6.2018
Ein gemütlicher Tag klingt mit einem Spaziergang durch Baku aus: Wir wollen eigentlich nur ins Restaurant, machen dann aber ungeplant einen Abstecher in Richtung Flame Towers

…auf den Aussichtsberg Bakus, mit großer Plattform und internationalem Publikum über der Stadt…

… sowie mit einem Feuertempel.

Vor den Flame Towers angekommen erkenne ich, dass man hier sogar den Kanaldeckeln eine eigene Gußform spendiert hatte:

Wer mich kennt, ahnt schon was jetzt kommt: Nach dem Motto „Frechheit siegt“ spazieren wir einfach in einen der Flame Towers rein und ich steuere scheinbar zielbewußt auf die Fahrstühle zu. Mal schauen wie weit wir rauf kommen 🙂
Im vorletzten Stockwerk ist Schluß, eine kleine Lobby…

… erlaubt wunderbare und leicht Akrophobie-indizierende Ausblicke.

Dann endlich ab ins selbe Restaurant wie gestern, weil’s da soooo fein war, das Firuze.
Hab ich schon erwähnt, dass das lokale Bier sehr lecker ist? 😉

Abends am Jungfrauenturm vorbei…

… und dann im WoMo schlafen mit Blick durchs Fenster auf die erleuchteten Flame Towers, die ich soooo cool finde.
Gute Nacht!
Videoclip der Flame Towers:

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3 Antworten zu Iran 2018 Teil 14: Von Iran nach Aserbaidschan

  1. Heli sagt:

    Danke für die schöne Stunde mit euch in Gedanken zu Reisen! Ein Genuss euren Bericht zu lesen!

  2. max@maxblog.at sagt:

    Danke lieber Heli! Schee, daß’d dabei bist 🙂

  3. Anonymous sagt:

    Wahnsinn so schöne Fotos wann kommt ihr wieder lg Petra