Zurück zum vorigen Kapitel: Rückreise Teil 4 (Saudi-Arabien und Jordanien)
Immer noch 10. April 2024:
Mein erster Stop nach dem irakischen Grenztor ist die Tankstelle. Im Irak kostet der Diesel eigentlich zwar ähnlich wenig wie in Saudi-Arabien, also etwa 0,30 € pro Liter aber ein kleiner, verkraftbarer „Am-Ende-der-Welt“-Zuschlag wird hier verrechnet.
Dann geht’s weiter zum ersten Militärposten. Der West-Irak ist nach wie vor von Überfällen durch den IS gefährdet, auch die Grenze zu Syrien ist nah.Daher stellt das Militär den paar durchreisenden Touristen für diese Strecke von etwa 500 Kilometern eine Militärbegleitung zum Schutz.Damit es morgen früh gleich losgehen kann, möchte ich schon heute unseren Convoy anmelden. Der Münchner und die Schweizer schließen sich an.
„Ist in Ordnung“, sagen die schwer bewaffneten Soldaten. „Aber zu eurer Sicherheit müsst ihr die 2 Kilometer zurück zur Grenze fahren und dort übernachten.“Ich bedanke mich und vereinbare, dass wir morgen gegen 8 Uhr hier am Checkpoint starten.
Heute war ein langer Tag. Noch keinen einzigen Bissen hatte ich zu Essen und freue mich jetzt auf eine ordentliche Portion Pasta Aglio-Olio, da bemerke ich, dass die Schweizer mit ihrem LKW da sind aber der Münchner Othmar fehlt. Na gut, er kann sich ja kaum verirrt haben.Ich fahre ihn suchen und tatsächlich, auf halber Strecke vom Checkpoint steht ein armer 86jähriger mit Getriebeschaden auf der ansonsten leeren Autobahn.Weil Luxi hinten wegen des Wohnaufbaus keine Abschleppmöglichkeit hat, bitte ich einen Soldaten in seinem Humvee (das sind diese tonnenschwer gepanzerten, mit MP-Stand bewaffneten alten Militärjeeps der US-Armee) Othmars Landrover zu unserem Lagerplatz zu schleppen.Bei der Gelegenheit kann ich gleich einen ersten Blick in so einen Humvee werfen:
Der Landy hat beim Abschleppen ganz furchtbare Geräusche von sich gegeben und während der Schweizer Silvio den Schaden begutachtet esse ich erstmal was.Mittlerweile ist es 19 Uhr, windig und kalt.
Silvio hat festgestellt, dass die vordere Kardanwelle des Landrover Defender abgerissen ist. Ich hab‘ so meinen Verdacht warum das passiert ist, aber ich sage nichts. Nutzt ja eh nix.Zu allem Unglück hat der Besitzer Othmar kein passendes Werkzeug dabei. So ein britischer Landrover hat natürlich Schrauben im Zollmaß, keine metrischen.Nach langen vergeblichen Versuchen gibt Silvio auf und Othmar meint er wird wohl versuchen müssen, morgen einen Abschleppwagen zu organisieren der ihn huckepack nach Bagdad bringt.Über 500 Kilometer huckepack? Na viel Spaß mit der Rechnung!Mittlerweile bin ich gestärkt und mir kommt eine Idee: Auf dem Weg hierher habe ich ein achtlos weggeworfenes Rohr gesehen. Damit könnte man doch … aber erstmal das Rohr suchen gehen während Silvio den Durchmesser der Kardanwelle ermittelt.Ich kehre mit dem Rohr – es scheint aus Hartplastik zu sein, gut 5mm stark – sowie einem ebenfalls herumliegenden passenden Gummiring und einer halbvollen Flasche Getriebeöl zurück. Silvio schüttelt den Kopf: „Nein, die Kardanwelle ist zu dick.“ Aber ich lege mich unters Auto, ziehe mit einem kräftigen Ruck einfach den abgerissenen Schaft aus der Welle und – bingo! Passt wie angegossen.Jetzt wird das Rohr noch passend abgelängt, auf einer Seite ein Stück starke Plastikplane mit dem gefundenen Gummiring und Kabelbinder befestigt und fertig. Der permanent angetriebene Kardanstumpf kann jetzt in dem Plastikrohr rotieren, dieses wird mit einem Ratschengurt am Chassis befestigt und damit die Sache gut flutscht kippe ich das Getriebeöl oben rein.So sieht das dann aus…… und nach einer erfolgreich absolvierten kurzen Probefahrt ohne hörbare Proteste des Getriebes bin ich schon ein bisserl stolz auf diese simple Buschmechanikerlösung.Wir können morgen starten.11. April 2024:Ich hab‘ geschlafen wie ein Stein. Nach der gestern übersprungenen Bürokratiehürde an der Grenze kann’s jetzt losgehen.
Wir kommen wieder zum ersten Checkpoint, müssen natürlich trotzdem etwas warten aber bald erscheint unser Geleitschutz.
Das Wetter bessert sich langsam, die Autobahn ist fast leer und permanent durch Militärposten bewacht.Alle paar Kilometer schiebt eine kleine Mannschaft Dienst in ihrer schwer bewaffneten „Festung“:Die Brücken über die Autobahn wurden ebenfalls zu stark befestigten Stützpunkten ausgebaut.Manche wurden trotzdem vom IS gesprengt.Der gesamte Tag vergeht mit Fahren, Begleitschutz-Wechsel, Warten, Weiterfahren. Alles immer sehr relaxed und freundlich.Die Humvees haben aus heutiger Sicht ihren eigenen Charme, bei Gefechten ist das alles bestimmt viel weniger lustig.Die Glasscheiben sind etwa 1,5 cm stark und entsprechend schußsicher.Nanu, wenn da ein Helm 'rumliegt … dann probier‘ ich den doch gleich mal aus!Bei den Wechseln der Begleitfahrzeuge kommen die verschiedensten Fahrzeugtypen zum Einsatz: Mal mit bemanntem Maschinengewehr, manchmal ohne.Hier ein Video, wie so eine Ablöse meist abläuft:Am späten Nachmittag sind wir in einer ersten Kleinstadt namens Ramadi wo der Begleitschutz laut unseren Informationen endet. Freundlich erkläre ich dem Chef der Soldaten, dass wir uns sehr für den Service bedanken, dem irakischen Staat aber nicht weiter zur Last fallen möchten und jetzt in der Stadt etwas essen gehen werden.„Kein Problem“ sagt er, „ich bringe euch zu einem guten Restaurant.“„Nicht nötig“, entgegne ich. „Danke nochmals aber wir kommen gut zurecht.“„Wir begleiten euch.“Was willst du machen, der Typ hat entweder irgendeine eigene Agenda oder er mag es einfach sich wichtig zu fühlen.Das „gute Restaurant“ entpuppt sich als Kebabladen, dessen Koch es nicht mal fertigbringt, die Tomaten und Zwiebeln so zu grillen, daß sie außen nicht völlig verkohlt sind.Nochmals diskutiere ich danach freundlich – aber keine Chance. Ich sage dass wir uns jetzt einen ruhigen Nachtplatz suchen. Prompt will man uns auch dorthin begleiten.Es wird schnell dunkel. Nachts fahre ich höchst ungern, auch mit Begleitschutz. Die Schlaglöcher sind tief und deren gibt es viele.Die Umgebung böte sich gut zum Übernachten an, nach einer Weile bleibe ich auf der Autobahn stehen und sage: „Wir fahren da zu diesen Hügeln und schlafen dort.“ Keine Chance.Dann wird ein weiteres mal die Begleitmannschaft gewechselt. Ich habe genug und mach‘ das nicht mehr mit.Den Anweisungen rechts ranzufahren folge ich im Gegensatz zu den anderen beiden Fahrzeugen nicht und lasse es darauf ankommen. Nachschießen werden sie mir nicht und ich bin hundemüde von der Fahrerei. Ich brauche jetzt eine Mütze Schlaf. Dringend.Später erzählen mir die Schweizer, die Soldaten hätten ihnen gesagt ich würde gesucht und verhaftet werden. Aber so weit ist es noch nicht. Ich suche mir im Stockdunklen erstmal einen ruhigen Nachtplatz nahe einem Weizenfeld und verbringe hier eine ruhige Nacht.Was morgen sein wird, werden wir sehen.12. April 2024:
Die Temperaturen sind jetzt wieder sehr angenehm, die zwei kühlen Tage hinter mir.Zu allererst suche ich eine Tankstelle und ich werde dort so freudig begrüßt als wäre ich der sprichwörtliche verlorene Sohn. Sämtliche Angestellte hier versorgen mich mit unverbrüchlichen Freundschaftsbezeugungen, gratis Wasser, Cola (eh gut gemeint) und einem WLAN-Hotspot, machen unzählige Selfies mit mir und bestehen darauf ich müsste unbedingt zum Essen bleiben.Ich wette, die haben in ihrem ganzen Leben noch keinen Touristen zu Gesicht bekommen.Dann geht beim nächsten Checkpoint alles glatt.Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass ich wegen der Aktion gestern Abend hier länger angehalten würde (von der Ankündigung meines bevorstehenden Arrests weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts) und habe mir schon zurechtgelegt wie ich mich rausreden kann. Das ist aber nicht nötig. Zwar werde ich zum Kommandeur gerufen aber das scheint reine Routine zu sein. Eine kurze Prüfung des Visums, freundliches Geplauder, es werden mir Datteln und Kekse angeboten und ich bin durch.Der Weg nach Bagdad ist frei.Ach ja: Einer der Vorstädte Bagdads wo ich unbehelligt durchkomme ist Abu Ghraib – traurige Berühmtheit hat diese als Standort des größten Gefängnisses des Irak erlangt. Das ist dort wo die damaligen Gegner Saddam Husseins und später die Gefangenen der US-Amerikaner gefoltert wurden.
Die Straßen werden immer besser, die Umgebung ein wenig grüner und der Verkehr dichter.Da ich an einem Feiertag ankomme (Ende des Ramadan, Eid-al-Fitr) hält er sich in Grenzen.13.-15. April 2024:
Ich stromere durch Bagdad, seine Bazare, Teehäuser und Moscheen. Ich lasse die Stadt am Tigris mit all ihren Schönheiten, sehr gastfreundlichen Menschen aber auch Hässlichkeiten und Problemen auf mich wirken.Es ist tagsüber heiß, die Stadt liegt fast auf Meereshöhe.Hier einige Impressionen:Natürlich besuche ich wie schon vor eineinhalb Jahren das Irakische Nationalmuseum mit seinen beeindruckenden Exponaten aus verschiedenen Epochen……und mache eine nächtliche Stadtführung mit.Gut Essen gehen steht auch mal auf dem Programm.Geschlafen wird einfach in ruhigeren Seitenstraßen. Oft fragen mich die Nachbarn ob ich Wasser oder sonst irgendetwas brauche.Das wäre bei meinem ersten Besuch in Bagdad nicht so einfach gewesen. Ich finde, dass sich die Einstellung der Bewohner zu Fremden in den letzten 1 1/2 Jahren geändert hat. War so kurz nach dem Abzug der Amerikaner noch viel Misstrauen da und war man davon ausgegangen ich sei amerikanischer Soldat in Zivil, so hat sich das grundlegend gewandelt: Man freut sich mich zu sehen und die dem Iraker innewohnende Gastfreundschaft bricht sich ungehindert Bahn.Dann staue ich stundenlang aus dem Moloch Richtung Norden. Man kann sich als Mitteleuropäer kaum vorstellen wie hier gefahren wird. Regeln gibt es kaum, und wenn dann werden sie gern missachtet. So können – um nur ein Beispiel zu nennen – dir auch auf sechsspurigen Autobahnen auf der rechten Spur Fahrzeuge aller Art entgegenkommen. Es gilt das Recht des stärkeren, frecheren, todesmutigeren.Die Polizei steht meist hilf- und achtlos daneben. Aber wehe man hält kurz am Straßenrand: Dann blendet dich der Herr Polizist mit seinem grünen Laser in die Augen, dass es nur so blitzt!Nachdem der Bagdad-Verkehrswahnsinn ohne Kratzer und Dellen an Luxi überstanden ist beginne ich schön langsam daran zu zweifeln, daß es wirklich keinen Gott gibt 🙂Bei der Stadtausfahrt sehe ich ein unglaublich trauriges Bild: In einem Käfig, kaum länger als er selbst, bewegt sich ein junger Braunbär verzweifelt auf und ab.So ein Zorn packt mich auf diese barbarischen Tierhändler, ich könnte sie auf der Stelle eigenhändig erschießen.Abends stoppe ich nach einem einfachen Raststätten-Kebab (3,60 €) in Samarra und werde nach viel mühseligem hin- und her von Checkpointsoldaten auf einen riesigen, fast verlassenen Pilgerparkplatz gelotst.
16. April 2024:Ein außergewöhnliches Minarett hat mich hierher nach Samarra gelockt: Ein sprialförmiges nämlich.Um 850 n. Chr. erbaut, 52 Meter hoch, an der Basis 33 Meter breit sagt Wikipedia. Derzeit ist die Anlage wegen Restaurierungsarbeiten leider geschlossen und kann nicht besichtigt werden.Der Zaun drumherum ist wirklich unüberwindlich und der Eingang fest verbarrikadiert … Aber ich lasse mich davon natürlich nicht abhalten. Wer kann, der kann. :)Unverkennbar bin ich jetzt in Mesopotamien, dem Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris.
Letzterem folge ich nun nach Norden. Viele Vögel schießen zwischen den Bäumen und Wasserlilien hin und her. Der Dreck ist überall gleich schlimm.Ein paar Kilometer vom Spiralminarett entfernt steht ein Palast vom selben Bauherrn, dem Kalifen von Samarra: Der mystische, sogenannte ‚Lovers Palace‘.Auch hier bin ich völlig alleine. Auf der weiteren Fahrt über Tikrit begrüßen mich besonders viele Autofahrer begeistert.Auch als ich in der Stadt stehenbleibe um ein paar Dollars zu irakische Dinar zu wechseln ist Luxi der bewunderte Star – und ich darf nicht mal im Supermarkt meinen Einkauf bezahlen!Nächster Stop auf dem Weg – mit nur 20 km Umweg – ist das Weltkulturerbe Hatra.Ich habe durch eine Internetbekanntschaft die Möglichkeit direkt hierher zu fahren. Normalerweise muss man seine Tickets im 100km nördlich gelegenen Mossul kaufen und ohne Tickets kommt man nicht durch die 4 Checkpoints zwischen der Autobahn und dieser archäologischen Stätte.That’s crazy, you say? That’s Iraq! :)Ich kann den leidlich englisch sprechenden Manager dazu überreden, mich am Gelände übernachten zu lassen. Dann kommt aber so ein Militärheini und meint, das ginge doch nicht. Das sei alles Militärgelände.Ich entgegne, die irakische Armee die hier heldenhaft den IS besiegt hat (sein Ego streicheln!), hätte doch bestimmt keine Angst vor einem einzelnen Touristen in seinem Auto.Eine gute halbe Stunde und viele Diskussionen des halben Dutzend Offiziere und des Managers später wird der gemeinsame Beschluss gefasst, die Soldaten würden alle kurz in die andere Richtung schauen während ich durchs Tor in die Ausgrabungsstätte fahre.Dort verbringe ich eine ruhige Nacht, die halbzahmen Hasen am Gelände futtern fleißig Grünzeug bis sie wohl im Kochtopf des Generals landen.Das mit dem „IS hier besiegt“ ist übrigens die Wahrheit. Aufgrund seiner Lage war Hatra immer schon von großer strategischer Bedeutung und vor wenigen Jahren noch heftigst umkämpft. Der sogenannte Islamische Staat hatte 2015 außerdem in seinem Wahn mit Bulldozern und Sprengstoff viele der archäologischen Werke zerstört. Statuen und Reliefs an den Fassaden der Tempel wurden mit Vorschlaghämmern zerstört oder als Zielscheibe für Schießübungen verwendet.Die Kampfspuren der Wiedereroberung durch irakische und US-Verbände sieht man heute noch, in der Ausgrabung selbst und im weitem Umkreis.Noch heute liegen auf dem Boden im Tempelbereich viele Geschosshülsen rum. Teilweise stecken Kugeln in den Wänden. Ein paar Hülsen kommen als Souvenir mit.
17. April 2024:Kurz nach Sonnenaufgang bin ich auf den Beinen um das Morgenlicht das auf die Mauern und Säulen fällt auszunutzen und mein Privileg des hier-sein-dürfens zu genießen.Dann geht’s nach einer artigen Dankesbekundung an den Manager zurück zur Autobahn und entlang von Ölfeldern und Melonenständen weiter nach Norden. Es wird immer grüner, am Mittelstreifen wachsen schon Oleanderbüsche.Die zweitgrößte Stadt des Irak, Mossul, liegt gut 100 km nördlich von Hatra.Es war hier, wo der IS 2014 sein Hauptquartier im Irak hatte und wo es von 2016 bis Mitte 2017 den irakischen Streitkräften (gemeinsam mit kurdischen Peschmergas und Amerikanern) in erbitterten Schlachten gelang die Stadt wieder von den Islamisten zu befreien.Das sieht man schon bei der Parkplatzsuche.Die für irakische Verhältnisse sauber wirkende Stadt hat einen großen überdachten Bazar und natürlich werde ich überall freudig begrüßt. Man ist froh dass schön langsam wieder Touristen kommen.Natürlich lasse ich mir um wenig Geld einen frischen Granatapfelsaft pressen. Ein Stück weiter drehen sich die Sesammühlen und produzieren die Tahina-Paste, Grundlage und Zutat für viele arabische Gerichte wie z.B. Hummus.In vielen oft winzig kleinen Werkstätten hingegen wird gesägt, gehämmert oder geschweißt.In vielen anderen Teilen der Altstadt nahe dem Tigris ist die Kriegszeit noch hautnah spürbar.Sie ist zwar weitgehend von Minen und Sprengsätzen befreit und dort mit „safe“ gekennzeichnet, sodass man gefahrlos herumstromern kann – das Gefühl ist aber sehr bedrückend und ich halte mich hier nicht allzu lange auf.50 Kilometer nördlich beginnt die autonome Provinz Kurdistan. Davor tanke ich nochmal billigen irakischen Diesel um 0,30 Euro. In Kurdistan kostet er fast doppelt so viel.Nach der Grenzkontrolle bin ich hungrig und biege kurzentschlossen auf eine schmale, holprige Straße zu einem nahe gelegenem Dorf ab.Am Checkpoint muß ich meinen Pass abgeben, der anschließende Ort mit seinen engen Gassen ist wie ausgestorben.„Na, da bekomme ich wahrscheinlich nichts zu essen.“ denke ich. „Aber da vorne scheint es ein wenig breiter zu sein, da kann ich wenigstens umdrehen.“Dieser Platz entpuppt sich eine Ecke weiter als riesiger Dorfplatz in dem ein unglaubliches Remmidemmi vor sich geht! Kinder vergnügen sich in Hüpfburgen, viele hunderte Menschen stehen herum und machen große Augen als wir plötzlich mitten unter ihnen stehen.Wieder mal eine Luxi-das-UFO-ist-gelandet Aktion, die natürlich zur Folge hat, dass ich binnen Sekunden so dicht von Leuten umringt bin, dass es kein Weiterkommen gibt.Aber wenn man schon mal unverhofft in ein Fest geplatzt ist, dann kann man das auch genau so gut genießen!Es stellt sich heraus, dass die Bewohner des Ortes Khatarah kurdische Jesiden sind.Diese nicht-Muslime wurden vom IS besonders grausam verfolgt und viele ihrer Frauen und Mädchen versklavt.Heute ist der zweite Tag des jesidischen Neujahrsfestes und ähnlich wie in im Dorf Lalish wo ich vor eineinhalb Jahren sein durfte, kommen auch hier viele Jesiden aus der Umgebung aber auch aus Europa zusammen um hier gemeinsam zu feiern.Es herrscht eine ungemein positive Stimmung, die ansteckt.Lustigerweise kann das halbe Dorf Deutsch, viele kommen aus Düsseldorf, Bielefeld, etc. Ein junger Mann begleitet mich und erklärt alles, man bietet mir zu Essen und ein Bier an.Bezahlen darf ich trotz meiner heftigen Gegenwehr nicht.Gerade noch rechtzeitig bevor ich mittanzen muss mache ich mich aus dem Staub, hole mir am Checkpoint meinen Pass ab und fahre zum riesigen Tigris-Stausee um dort zu schlafen.Eine idyllische Landschaft. Weizenfelder so weit das Auge reicht, in der Ferne blöken Schafe und von den umliegenden Bauernhöfen dringt nur leises Hundegebell herüber.Was für ein Kontrast zu den letzten Wochen.Was sich nicht geändert hat ist die Freundlichkeit der Bewohner. Ich bekomme frischen Bauernjoghurt und einen großen Block Schafskäse geschenkt.Aber leider auch das Hier darfst du nicht übernachten Problem ist geblieben.Angeblich sei ich zu nahe an der Provinzgrenze und es sei zu gefährlich hier, zeitweise würde der IS hier Attacken durchführen.Ich ahne, dass das nur ein Vorwand ist.Mit Müh‘ und Not kann ich die Soldaten mittels englisch sprechendem Kontaktmann am Telefon dazu bringen zu akzeptieren, dass ich selbst jede Verantwortung für meine Sicherheit übernehme. Dann endlich läßt man mich in Frieden.18.+19. April 2024:Eigentlich wollte ich noch ein wenig in Kurdistan bleiben aber angesichts der ständigen, nervenaufreibenden Standplatzproblematik fahre ich am Morgen des 19. April an die türkische Grenze.Alles ist gut organisiert hier. Das letzte Mal noch ein bissl zittern ob die kurdisch-Irakis hier mein abgelaufenes Carnet eh wohl akzeptieren aber ich hab’s beim Zoll gleich so vorgelegt, dass der Beamte nur abzustempeln braucht – und fertig!Auch die Einreise in die Türkei geht relativ zügig, das System wundert sich nur, dass ich so lange unterwegs war und man möchte meinen alten, abgelaufenen Pass sehen den ich für solche Fälle mit habe.Die große grüne Versicherungskarte wird auch als digitale Version am Handy akzeptiert und schon nach zwei Stunden bin ich in der Türkei eingereist.