Iran 2018 Teil 9: Yazd bis Saadat Shahr

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Kalouts, Granatäpfel, farbige Berge und: Eingesumpft! (Yazd bis Saadat Shahr)

Nach Yazd geht’s für uns weiter nach Kerman, wo wir lange vergeblich versuchen, eine Simkarte eines besseren Mobilfunkproviders zu bekommen. Irancell ist zwar in den Städten gut, aber am Land bekommen wir damit keinen Empfang. Trotz der großartigen Hilfsbereitschaft der Einheimischen gelingt es uns nicht, eine MCI-Simkarte zu bekommen. Ja, wenn wir hier arbeiten würden… aber so, als Nomaden ohne festen Wohnsitz? Nein, leider, die MCI-Mitarbeiter müssen bedauernd abwinken.
Auch bis wir einen kleinen Ersatzteil für unseren Toyota bekommen, vergehen Stunden. Aber so ist das halt im Iran. Man braucht für alles sehr viel Zeit und/oder Geduld.

Begegnungen in Kerman:

Nachdem wir uns in einer Konditorei mit einem kleinen Vorrat der örtlichen Leckerei „Kolompeh“ (mit Dattelmus gefüllte Reismehlkekse, mmmmh!) versorgt haben, starten wir in die Wüste Lut. Es ist zwar schon extrem heiß dort unten auf 250m Meereshöhe …

… aber was sein muss, muss sein 🙂 Außerdem ist das noch weit von den Rekordtemperaturen entfernt, die ein NASA-Satellit im Jahr 2005 dort gemessen hat: nämlich 70,7°C!
Unser Ziel dort ist ein weiteres der vielen Naturwunder im Iran: die Kalouts. Das sind besonders geformte, erodierte Lehmhügel, die Sven Hedin als „Yardangs“ bezeichnet hat. Sie kommen soweit ich weiß in dieser Form nur noch in China vor.

10.5.2018:
Bevor es zu den Kalouts geht, muss ein weiterer, 2600m hoher Pass samt Tunnel überwunden werden. Dann kommt noch eine Wasserstelle mit gutem Trinkwasser und ab da steigt das Thermometer in Rekordtempo, proportional zur der abnehmenden Höhe. Dazu kommt noch ein starker Wind der zeitweise zum Sandsturm wird.

Es wird schon dunkel als wir uns einfach irgendwo querfeldein holpernd ins Gelände schlagen und versuchen, einigermaßen windgeschützt zu stehen. Mit den Stützen als zusätzliche Stabilisierung geht’s.

11.5.2018:
In der Nacht hat der Sturm nachgelassen und am frühen Morgen ist es fast windstill. Wir sind schon um 6 Uhr auf den Beinen, in Erwartung dass der Wind im Tagesverlauf wieder zulegen wird.
Im Morgenlicht bieten die Kalouts schöne Motive.

Das ist natürlich kein Schnee, sondern Salz:


Manche Lehmhügel sehen fast aus wie Gebäude einer Stadt.

Nach dem Frühstück fahren wir auf eine relativ feste Düne und genießen die Aussicht in die surreale Umgebung.

Alles in allem haben wir uns von den Kalouts etwas mehr erwartet, gegen Mittag fliehen wir vor den 40 Grad Hitze in der Lut und fahren nach einem kurzen Abstecher bei einer Karawanserei in Shahdad …

… wieder aufs Hochland, wo die Temperaturen nach wie vor sehr angenehm sind. Wir hatten es uns im Mai im Iran viel heißer vorgestellt, aber die Höhe und die trockene Luft machen die Temperaturen hier ideal.
Es geht also bergauf und bergab, über Hochebenen, an kargen Berghängen und grün leuchtenden Tal-Oasen vorbei. Die Landschaft wirkt zeitweise wie in Afghanistan.

Unser Luxi sieht nach dem Sandwind in der Lut und den Regentropfen, die enorm viel Sand aus der Luft gewaschen haben, furchtbar aus. Die liebevolle rundum-Schaumwäsche hat er sich wirklich verdient.

Wir übernachten heute wieder einmal in herrlicher Lage mit Blick auf farbige Berge und nahe einer Pistazienplantage, wo uns der Chef ausnehmend freundlich begrüßt und ein Helfer freundlich beäugt, dann überlassen uns die Beiden – nach Erkundigung ob wir irgendetwas brauchen sollten und der obligatorischen Einladung ins Haus – der nächtlichen Stille der Halbwüste.

13.5.2018:
Am nächsten Morgen sind wir nach wenigen Fahrkilometern völlig geflashed von den prächtigsten Farbenspielen die uns die iranischen Berge bisher geboten haben, dabei gab’s davon ja schon einiges zu sehen. Auf dem Bild kommt das leider bei weitem nicht so spektakulär raus wie es in Natura war.

Es gibt hier einige Mineral- und Metallvorkommen (u.a. Eisen, Zink, Mangan), wohl deshalb sind die Farben der Berge so besonders schön. Obwohl es an diesem Tag stark bewölkt ist, können wir uns kaum sattsehen. Bei Sonnenschein wären die Farben wahrscheinlich sowieso unglaublich.
Irgendwann müssen wir uns losreißen (nicht ohne zuvor ein paar Proben der verschiedenfarbigen Gesteine bzw. Sande mitzunehmen) und fahren weiter nach Rayen. Hier ist die zweitgrößte Lehmfestung der Welt zu sehen (nach Bam, das ja vor einigen Jahren völlig von einem Erdbeben zerstört wurde, mit etwa 35000 Toten. Dessen Besuch lassen wir bewusst aus.)
Nach einer Stärkung mit leckeren Felafelsandwiches beeindruckt uns die Lehmfestung von Rayen. Wir sind praktisch die einzigen Besucher und können nach Herzenslust stöbern und erforschen.

Der Wind ist heute sehr stark, wir flüchten zum Übernachten in einen aufgelassenen Steinbruch wo man offensichtlich Achate abgebaut hat. Natürlich fängt es zu regnen an. Auch in der Wüste gilt: Hast Du Dein Auto gewaschen, so wird’s garantiert bald regnen.

14.5.2018:
Ein zeitweise regnerischer Tag, aber das macht nichts. Wir müssen eh Kilometer machen. Leider kommt der Wind immer von vorne und bremst uns gehörig.
Es geht wieder mal durch einsame Berglandschaften. Vor allem in den Hochlagen ab 2500m aufwärts sind Walnussbäume manchmal so zahlreich, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Auch Mandelbäume gedeihen hier prächtig.
Immer wieder stoßen wir auf bewässerte Felder mit Granatapfelplantagen. Die Bäume blühen gerade:

Wir kommen durch die Stadt Sirjan und sind auch hier in touristisch völlig unerschlossenem Gebiet. Wohin wir auch kommen, erst wird ungläubig geschaut, dann ein zweiter, genauerer Blick und sofort werden die Umstehenden auf uns aufmerksam gemacht. Dann folgt kollektives Winken und „Welcome to Iran!“ Rufe oder einfach ein freudiges „Hello, Mistäär!“. Damit wurden dann aber auch schon alle Englischkenntnisse zusammengekratzt.
Aus entgegenkommenden oder überholenden Fahrzeugen wird kräftig gewunken und gehupt. Manchmal werden wir von Autos oder Mopeds regelrecht „verfolgt“, weil man unbedingt ein Selfie mit uns haben will.

Und wenn wir mal irgendwo stehenbleiben, will man wissen ob wir etwas brauchen und auch dann möchten sie alle ein Foto mit uns.
Als wir heute auf der Suche nach einem Restaurant sind, lotsen uns ein paar Einheimische kurzerhand mit ihrem Auto quer durch die halbe Stadt. Dann wird jemand angerufen der Englisch kann und der lässt alles liegen und stehen und kommt zum Restaurant. Er übersetzt für uns geduldig die Speisekarte, die es natürlich nur auf Farsi gibt und erklärt genau, was die einzelnen Speisen sind.
Woher nehmen die Iranis nur ihre allgemeine, überall spürbare Herzlichkeit?

Jedenfalls haben wir oft das Gefühl, wir wären die ersten Touristen seit Jahrzehnten. Und manchmal wird das vielleicht sogar stimmen. Wenn ein UFO gelandet wäre, könnte die Verwunderung jedenfalls oft nicht größer sein.
Heute haben wir mit unserem treuen und von den Iranis so bewunderten Hilux übrigens seine erste Viertelmillion gefeiert. Gratuliere, lieber Luxi!

14.5.2018:
Das Wetter bessert sich zusehends. Es ist aber zeitweise noch viel Staub und Sand in der Luft, die Landschaft wirkt wie in gelbliches Licht getaucht. Bei dem stürmischen, böigen Gegenwind schlaucht das Autofahren. Man muss ja auch auf Schlaglöcher und die verfluchten Speedbreakers achten, die oft ohne Ankündigung und viel zu oft ohne jeden ersichtlichen Grund angebracht sind. Wenn wir mit unserem überladenen Gefährt da mit voller Geschwindigkeit drüberdonnern würden, könnten wir die Einzelteile der Achsen und des Fahrgestells danach einzeln aufsammeln.
Schon des öfteren sind wir im Iran an Marmorsteinbrüchen vorbeigekommen. Aber so schön vertikal abgebaut und noch dazu so blendend weiß wie hier ist der Stein selten:

Oberhalb eines Salzsees verbringen wir die Nacht. Herrliche Aussicht, der Wind hat sich gelegt und der Sternenhimmel ist grandios. Es kommen ein paar Ziegenhirten mit ihrer Herde vorbei und immer wieder müssen wir für Vorbeikommende mit Autos oder Mopeds für Fotos herhalten. Manchmal wird es schon mühsam mit den Leuten, manchmal ist es aber trotz oder wegen der Sprachbarrieren schon wieder lustig. Praktisch immer reden die Leute auf Farsi mit uns, ich antworte in Salzburger Dialekt und so geht das eine Zeitlang hin und her.
Einmal werden wir zu Tee eingeladen, aus Afghanistan importiertes Opium wird geraucht und man spielt für uns ein Lied auf der Nasenflöte. Sehr urig.
Weil auf Drogengebrauch im Iran die Todesstrafe steht, werden an dieser Stelle keine Bilder veröffentlicht. (Der iranische Geheimdienst liest vermutlich mit. Hallo Jungs!)

Abends fahren wir in den nahen Ort Abadeh wo wir Wasser bekommen, unsere Vorräte auffüllen (wir sind auf das Sprite für unser Lieblings-Mixgetränk angewiesen, denn Tonic gibt’s hier nicht :)) und wo wir in einem Restaurant inklusive Getränke für umgerechnet 1 Euro pro Person essen.

15.-16.5.2018:
Weil es uns in der Schlucht so gut gefällt und wir eh mal eine Pause von der anstrengenden Reise brauchen, bleiben wir einen paar Tage hier. Nachdem wir uns mit einem Müslifrühstück für die gestrige Einladung revanchiert haben, wandern wir die Schlucht hoch an deren Eingang wir so idyllisch stehen. Es gibt hier eine Quelle mit herrlich frischem Wasser (zuhause nix besonderes, aber hier für uns ein Wunder der Natur)…


… Schatten, ein Hängemattenplätzchen…

… und himmlische Ruhe. Von den einheimischen Picknick-Besuchern aus Abadeh mal abgesehen, für die wir die kleine Naturschönheit um die weitere Attraktion „Tourists from Autriche“ bereichern.

Wir wandern also auf einem oft kaum erkennbaren Pfad die Schlucht immer weiter nach oben bis sich der Weg irgendwann komplett verliert. Wir kommen an einer Höhle vorbei in der sich einige Tropfen Wasser in einer kleinen Pfütze sammeln und die vermutlich die örtliche Tierwelt (viele Vögel, aber auch Stachelschweine – wir finden Stacheln -, Eidechsen und Agamen mit Wasser versorgt.

Eventuell wäre es schon weiter rauf gegangen, aber Heidi hat irgendwann keine Lust mehr durch das unwegsame Gelände weiter bergwärts zu gehen.

Wieder zurück beim Auto hören wir nachts sehr nahe die Bergwölfe heulen.

17.5.2018:
Wir reissen uns nur schwer los von unserem kleinen Paradies und fahren eine herrliche Strecke mit wunderbaren Ausblicken, entlang des Tashk-Salzsees. Und weil ich ja immer den Nervenkitzel suche, biege ich bei einer günstigen Gelegenheit auf den See ab.

Eine Prüfung zu Fuß ergibt: „Das trägt!“.
Tut es aber nicht. Noch bevor wir die strahlend weiße Salzfläche erreichen, stecken wir im Salzschlamm fest. Kein Problem normalerweise. Ein bisserl schaufeln, Sandbleche legen und dann wieder retour. Soweit Plan B, der bisher immer noch geklappt hat. Ich war ja schon auf einigen Salzseen ohne Probleme unterwegs.
Hier kommt es aber anders: Wir versinken immer tiefer. Unter der trügerisch festen Kruste verbirgt sich ein feuchter, teils stinkender weicher Untergrund, der unseren Luxi bis Mitte Hinterachse versinken lässt.
„Sch….!“, denk ich mir, „obwohl wir keine 50 Meter vom Ufer weg sind, sieht das nach echt viel Arbeit aus.“
Also noch mehr schaufeln, aber alle Versuche scheitern an der mangelnden Traktion. Die Räder drehen im Schlamm durch, auch die Sandbleche helfen nicht mehr.


Irgendwann bleibt ein Pickup der helfen will schon auf halber Strecke stecken. Der hat ja auch keinen Allrad.
Sodala. Jetzt haben wir zwei Probleme.

Immer mehr Leute kommen vorbei und wollen helfen, sämtliche Tricks und Kniffe mit allen möglichen zur Verfügung stehensen Hilfsmitteln werden angewandt und erst nach über 4 1/2 Stunden abwechselnder Versuche am Pickup und bei uns sind wir urplötzlich frei und gleich danach wieder auf sicherem Untergrund.

Anschliessend ziehe ich den Pickup mühelos mit einem langen Stahlseil auch dem Dreck.
Puh, das war knapp. Aber daraus werde ich bestimmt lernen. Bis zum nächsten Mal jedenfalls, wenn das Abenteuer wieder ruft :).

Ich würde ja alle beteiligten Helfer gerne auf ein Faß Bier einladen wie es sich bei uns gehören würde, aber erstens gilt im Iran ja Alkoholverbot (Anm.: Sogar der opiumkiffende Freund hatte gestern ein Glaserl Wein abgelehnt. Es würde ihn wirr im Schädel machen :)) und zweitens ist seit heute Ramadan und niemand würde trotz Hitze und Anstrengung bis zum Sonnenuntergang auch nur einen Schluck Wasser zu sich nehmen. Hut ab vor so viel Selbstdisziplin!

Wir werden von einem sehr netten Mann, Mr. Ali und seiner Frau zum Abendessen eingeladen. Es ist nicht nur ein kulinarisch wunderbarer sondern auch sonst höchst interessanter und angenehmer Abend. Es ist eine unglaublich grosszügige, herzliche und hilfsbereite Familie. Vielen Dank an Alle, ganz besonders für die Benutzung der Waschmaschine!

18.5.2018:
Am nächsten Morgen werden wir noch zum Familiengarten geführt, wo der liebenswerte Onkel nach dem Rechten sieht. Der freut sich soooo sehr, dass wir vorbeikommen, es ist unglaublich.

Anmerkung: Sorry, dies wurde ein ungewöhnlich langer Bericht, denn wir haben zeitweise Probleme mit der Internetverbindung. Facebook ist übrigens völlig gesperrt, wir haben diese Sperre bisher per VPN-Tunnel umgehen können. Die Iranische Regierung hat nun alle ISPs angewiesen, auch jegliche VPN-Verbindungen zu unterbinden.

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